Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Jaroslav Hašek

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Jaroslav Hašek


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      Und er wiederholte seine Funktion rasch und elegant, während der Feldkurat einen Trauermarsch auf das Fenster trommelte.

      Dieser der Meditation gewidmete Abend durcheilte mehrere Phasen. Der Feldkurat näherte sich Gott so andächtig und inbrünstig, daß noch um Mitternacht aus seiner Wohnung der Gesang drang:

       Wie wir abgezogen sind,

       weinten sich die Mädel blind …

       Mit ihm sang auch der brave Soldat Schwejk.

      Im Militärspital verlangten zwei Menschen nach der Letzten Ölung. Ein alter Major und ein Bankdisponent, ein Reserveoffizier. Beide hatten in den Karpaten eine Kugel in den Bauch bekommen und lagen nebeneinander. Der Reserveoffizier hielt es für seine Pflicht, sich mit den Sterbesakramenten versehen zu lassen, weil sein Vorgesetzter nach der Letzten Ölung verlangte. Sich nicht auch versehen zu lassen, hielt er für eine Subordinationsverletzung. Der fromme Major tat es aus Klugheit, denn er glaubte, ein Gebet könne einen Kranken gesund machen. In der Nacht vor der Letzten Ölung starben jedoch beide, und als sich am Morgen der Feldkurat mit Schwejk einstellte, lagen sie mit schwarz verfärbten Gesichtern unter einem Leinentuch wie alle, die an Erstickung sterben.

      »So viel Müh hamr uns gegeben, Herr Feldkurat, und jetzt ham sies uns verdorben«, ärgerte sich Schwejk, als man ihnen in der Kanzlei meldete, daß die beiden ihrer nicht mehr bedurften.

      Und es war wahr, sie hatten sich Mühe gegeben. Sie waren in einer Droschke gefahren, Schwejk hatte geläutet, und der Feldkurat hatte das Fläschchen mit dem Öl in eine Serviette gewickelt in der Hand gehalten und mit ernsthaftem Gesicht die Vorübergehenden, die den Hut zogen, gesegnet.

      Es waren ihrer freilich nicht viele, obwohl Schwejk bemüht war, mit seinem Glöckchen einen ungeheuren Lärm zu machen.

      Der Droschke liefen ein paar unschuldige Knaben nach, von denen einer hinten aufsaß, worauf seine Gefährten unisono anhuben: »Dem Wagen nach, dem Wagen nach.«

      Und Schwejk läutete dazwischen, der Droschkenkutscher schlug mit der Peitsche nach rückwärts, in der Wassergasse holte eine Hausmeisterin, Mitglied der Marienkongregation, die Droschke laufend ein, ließ sich im Fahren segnen, bekreuzigte sich, spuckte hierauf aus: »Sie fahren mit dem Herrgott wie von Teufeln gejagt! Schwindsucht kann man kriegen!« und kehrte atemlos zu ihrem früheren Platz zurück.

      Am meisten beunruhigte die Stimme des Glöckchens den Droschkengaul, den es offenbar an etwas aus vergangenen Jahren erinnerte, denn er blickte unaufhörlich nach hinten und machte von Zeit zu Zeit den Versuch, auf dem Pflaster zu tanzen.

      Das war also die Mühe, von der Schwejk gesprochen hatte. Der Feldkurat ging inzwischen in die Kanzlei, um die finanzielle Seite der Letzten Ölung zu erledigen und rechnete dem Rechnungsfeldwebel aus, daß das Militär-Ärar ihm an hundertfünfzig Kronen für das geweihte Öl und den Weg schulde. Dann folgte ein Streit zwischen dem Spitalskommandanten und dem Feldkuraten, wobei der Feldkurat mehrmals mit der Faust auf den Tisch schlug und erklärte: »Glauben Sie nur ja nicht, Herr Hauptmann, daß die Letzte Ölung umsonst ist. Wenn ein Offizier von den Dragonern zu den Pferden ins Gestüt kommandiert wird, so zahlt man ihm auch Diäten. Ich bedaure wirklich, daß die beiden die Letzte Ölung nicht erlebt haben. Er wäre um fünfzig Kronen teurer.«

      Schwejk wartete inzwischen unten in der Wachstube mit dem Fläschchen heiligen Öls, das bei den Soldaten aufrichtiges Interesse erregte.

      Jemand meinte, daß sich mit diesem Öl sehr gut Gewehre und Bajonette reinigen ließen.

      Ein junger Soldat aus dem Böhmisch-Mährischen Hochland, der noch an Gott glaubte, bat, man möge nicht über solche Dinge sprechen und die heiligen Geheimnisse nicht in die Debatte ziehen. Wir müssen christlich hoffen.

      Ein alter Reservist blickte den Grünschnabel an und sagte: »Hübsches Hoffen, daß dir ein Schrapnell den Kopf abreißt. Man hat uns was aufgebunden. Einmal is irgendein klerikaler Abgeordneter zu uns gekommen und hat von Gottes Frieden gesprochen, der sich über die Erde wölbt, und wie Gott sich keinen Krieg wünscht und will, daß wir alle in Frieden leben und uns vertragen wie Brüder. Und schaut euch ihn an, den Ochsen, seit der Krieg ausgebrochen is, betet man in allen Kirchen für den Sieg der Waffen, und vom lieben Gott spricht man wie von einem Generalstabschef, der diesen Krieg lenkt und dirigiert. Hier aus dem Militärspital hab ich schon hübsch viel Begräbnisse herausfahren gesehn, und abgeschnittene Beine und Arme führt man von hier in Wagenladungen fort.«

      »Und die Soldaten werden nackt begraben«, sagte ein anderer Soldat, »und ihre Montur zieht man wieder einem andern lebenden an, und so gehts fort.«

      »Solang wirs nicht gewinnen«, bemerkte Schwejk.

      »So ein Pfeifendeckel will was gewinnen«, ließ sich aus der Ecke ein Korporal vernehmen. »An die Front mit euch, in die Schützengräben, und vorwärts mit aufgepflanztem Bajonett über die Drahtverhaue, Minen und Feuerwerfer. Sich im Hinterland herumwälzen, das trifft jeder, und keiner hat Lust zu falln.«

      »Ich glaub auch, daß es sehr schön is, sich von einem Bajonett durchbohren zu lassen«, sagte Schwejk, »und es is auch nicht schlecht, eine Kugel in den Bauch zu kriegen, und noch besser is, wenn einen eine Granate zerreißt und man sieht, daß die eigenen Beine samtn Bauch etwas weit von einem entfernt sind. Es wird einem so komisch zumut, daß man früher darüber stirbt, bevors einem jemand erklären kann.«

      Der junge Soldat seufzte aufrichtig. Ihn dauerte sein junges Leben und daß er in einem so dummen Jahrhundert geboren worden war, um abgeschlachtet zu werden wie eine Kuh auf der Schlachtbank. Warum war denn das alles?

      Ein Soldat, Lehrer von Beruf, bemerkte, als lese er Gedanken: »Manche Gelehrten erklären den Krieg als eine Folgeerscheinung der Sonnenflecke. Sobald so ein Fleck entsteht, kommt immer etwas Fürchterliches. Die Eroberung Karthagos …

      »Lassen Sie sich Ihre Gelehrsamkeit«, unterbrach ihn der Korporal, »und gehn Sie lieber das Zimmer kehren, heut sind Sie an der Reihe. Was gehn uns Ihre dummen Flecke auf der Sonne an. Meinetwegen können zwanzig dort sein, ich kauf mir nichts dafür.«

      »Diese Flecke auf der Sonne ham wirklich eine große Bedeutung«, mischte sich Schwejk ein, »einmal hat sich so ein Fleck gezeigt, und noch am selben Tag hab ich bei ›Banzet‹ in Nusle Dresch bekommen. Seit der Zeit hab ich immer, wenn ich ausgegangen bin, in der Zeitung gesucht, ob sich nicht wieder ein Fleck gezeigt hat. Und wie er sich gezeigt hat, lebwohl Marie, bin ich nirgends hingegangen, und nur so hab ichs überlebt. Wie damals der Vulkan Mont Pelé die ganze Insel Martinique vernichtet hat, hat ein Professor in der ›Národní Politika‹ geschrieben, daß er die Leser schon längst auf einen großen Fleck auf der Sonne aufmerksam gemacht hat. Und die ›Národní Politika‹ is halt nicht rechtzeitig auf dieser Insel angekommen, und so habens die Leute auf der Insel davongetragen.«

      Inzwischen traf der Feldkurat oben in der Kanzlei mit einer Dame von der »Vereinigung für adelige Damen zur Pflege der religiösen Erziehung von Soldaten« zusammen, einer alten, widerwärtigen Sirene, die bereits vom frühen Morgen an im Spital herumging und überall Heiligenbilder verteilte, die die verwundeten und kranken Soldaten in die Spucknäpfe warfen. Mit ihrem dummen Gequatsche, sie möchten aufrichtig ihre Sünden bereuen und sich wahrhaft bessern, damit der liebe Gott ihnen nach dem Tode ewigen Frieden gebe, brachte sie bei ihrem Rundgang alle in Erregung.

      Sie war blaß, als sie mit dem Feldkuraten darüber sprach, wie der Krieg, statt zu veredeln, aus den Soldaten Tiere mache. Unten hätten die Maroden die Zunge auf sie herausgesteckt und ihr gesagt, sie sei eine Vogelscheuche und eine himmlische Ziege. »Das ist wirklich schrecklich, Herr Feldkurat, das Volk ist verdorben.«

      Und sie erzählte eifrig, wie sie sich die religiöse Erziehung des Soldaten vorstelle. Nur wenn der Soldat an Gott glaube und religiöses Gefühl besitze, kämpfe er tapfer für seinen Kaiser, dann fürchte er nicht den Tod, weil er wisse, daß das Paradies seiner harre.

      Die Schwätzerin sagte noch manche ähnliche Dummheit, und man merkte, daß sie entschlossen war, den Feldkuraten nicht lockerzulassen, bis sich dieser


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