Ekkehard. Joseph Victor von Scheffel

Ekkehard - Joseph Victor von Scheffel


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Lieder wie Romeias, der Klosterwächter. Beruhigt Euch, Schwester Wiborad, ich bring ein paar feine Jungfräulein, die Herren im Kloster lassen sie Euch zu annehmlicher Unterhaltung empfohlen sein.

      Hebet euch weg, ihr Truggestalten! rief die Klausnerin. Wir kennen die Schlingen, die der Versucher legt. Weichet, weichet!

      Praxedis aber näherte sich der Zelle und neigte sich sittig vor der dürren Bewohnerin: sie komme nicht aus der Hölle, sondern vom hohen Twiel herüber, setzte sie ihr auseinand. Ein wenig falsch konnte das Griechenkind auch sein, denn wiewohl ihre Kenntnis von der Klause im Schwarzatal sich erst von heute herschrieb, fügte sie doch bei, sie hätte von dem auferbaulichen Wandel der Schwester Wiborad schon so viel vernommen, daß sie die erste Gelegenheit genutzt, bei ihr anzusprechen.

      Da schien es, als wollten sich einige Runzeln auf Wiborads Stirn glätten. Reich mir die Hand, Fremde! sprach sie und reckte ihren Arm zum Fensterlein hinaus. Die Kutte streifte sich ein weniges zurück, da war er in seiner ganzen fleischlosen Magerkeit dem Sonnenschein ausgesetzt.

      Praxedis reichte ihr die Rechte. Wie der junge, lebenswarme Pulsschlag der weißen Hand an der Klausnerin dürre Finger anschlug, war sie langsam von der Griechin Menschlichkeit überzeugt.

      Romeias merkte die Wendung zum Besseren, er wälzte etliche Felsstücke unter das Fenster der Zelle. In zwei Stunden hol' ich euch wieder ab; behüt' Gott, ihr Jungfräulein! sprach er. Und erschreckt nicht, wenn sie in Verzückung kommt, flüsterte er der Griechin zu.

      Hiermit pfiff Romeias seinen Hunden und schritt ins Waldesdickicht. Er legte auch etwa dreißig Schritte ohne Hindernis zurück, aber dann drehte er sein struppig Haupt und wandte den ganzen Menschen um; auf den Spieß gestemmt, schaute er unverrückt nach dem Platz vor der Klause, als hätt' er etwas verloren. Hatte aber nichts zurückgelassen.

      Praxedis lächelte und warf dem gröbsten aller Wächter eine Kußhand zu. Da machte Romeias kehrt, wollte seinen Spieß schultern, ließ ihn fallen, hob ihn auf, stolperte, erholte sich wieder und verschwand in gutem Trab jenseits der moosverwachsenen Stämme.

      O Kind der Welt, das in Finsternis wandelt, schalt die Klausnerin herab, was soll die Bewegung deiner Hand?

      Ein Scherz... sprach Praxedis unbefangen.

      Eine Sünde! rief Wiborad mit rauher Stimme. Praxedis erschrak.

      Daran hab' ich nicht gedacht, sprach Praxedis errötend.

      Ihr denkt noch an vieles nicht, sprach Wiborad. Sie schaute Praxedis mit einem musternden Blick von oben bis unten an. Ihr denkt auch nicht, daß Ihr heut ein grüngelb Gewand traget, und daß solch herausfordernde Farbe weltabgewandten Augen ein Greuel ist, und daß Ihr den Gürtel so lose und nachlässig darum geschlungen habet, als wäret Ihr eine landfahrende Tänzerin. Wachet und betet!

      Praxedis schlug die Augen nieder.

      Eure Worte sind bitter, sprach sie.

      Praxedis schwieg. Es blieb eine Zeitlang still. Die andern Frauen der Herzogin waren nicht mehr zu sehen. Wie die Klausnerin ihren Gürtel herausreichte, hatten sie einand mit dem Ellbogen angestoßen und waren leise um das Häuslein geschlichen. Sie pflückten einen großen Strauß Heidekraut und Herbstblumen im Walde und kicherten dazu.

      Wollen wir auch einen solchen Gürtel umlegen? sprach die eine.

      Wenn die Sonne schwarz aufgeht, sprach die andere.

      Praxedis hatte den Strick ins Gras gelegt. Ich will Euch Eures Gürtels nicht berauben, sprach sie jetzt schüchtern zum Fenster der Zelle hinauf.

      Praxedis schaute nach dem Wald, als wolle sie spähen, ob Romeias nicht bald zurückkehre. Die Klausnerin mochte bemerken, daß es ihrem Gast nicht allzu behaglich war, sie reichte ein Brett aus ihrem Fensterlein, drauf war ein halb Dutzend rotgrüner Äpfel gelegt.

      Wird dir die Zeit lang, Tochter der Welt? sprach sie. Greif zu, wenn die Worte des Heils dich nicht sättigen. Backwerk und Süßigkeiten hab' ich nicht, aber auch diese Äpfel gefallen dem Herrn wohl, sie sind die Speise der Armen.

      Die Griechin wußte, was der Anstand erheischt. Aber es waren Holzäpfel. Wie sie den ersten zur Hälfte verzehrt, verzog sich ihr anmutiger Mund, und unfreiwillige Tränen perlten in den Augen.

      Wie schmecken sie? rief die Klausnerin. Da tat Praxedis, als ob des Apfels Rest zufällig ihrer Hand entfalle. Wenn der Schöpfer allen solche Herbigkeit anerschaffen, so hätte Eva nimmermehr vom Apfel gekostet, sprach sie mit sauersüßem Lächeln.

      Die Griechin blickte nach dem Himmel. Aber nicht aus Rührung. Ein Falke kreiste einsam über Wiborads Zelle. O könnt' ich mit dir über den Bodensee fliegen, dachte sie. Dann wiegte sie schalkhaft ihr Haupt.

      Wie muß ich's anfangen, fragte sie, daß ich vollkommen werde, wie Ihr?


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