Butler Parker 132 – Kriminalroman. Günter Dönges
Butler Parker befand sich im Stadium leichter Unruhe, doch er ließ sich das natürlich nicht anmerken.
Er stand in einem Beobachtungsbunker der Armee und versuchte den Gefechtslärm zu ignorieren, der seit knapp einer Stunde seine Ohren beleidigte. Durch einen schmalen Sehschlitz sah er hinunter auf das weite Manöverfeld, wo Krieg gespielt wurde. Dinge dieser Art hatten ihn noch nie interessiert.
Auf dem Kampffeld kurvten gepanzerte, mobile Einheiten der Armee, Mannschaften saßen auf und dann wieder ab, Hubschrauber quirlten die Luft, Tiefflieger warfen Rauchbomben ab, und Panzerwagen pflügten den Boden. Es wurde eine Unmenge von Platzpatronen verschossen, und die Herren im Beobachtungsbunker freuten sich offensichtlich. Im Gegensatz zu Josuah Parker schien ihnen dieses Spektakel sehr zu gefallen.
Eine illustre Gesellschaft hatte sich versammelt. Es gab Uniformierte und Zivilisten, die sich sach- und fachkundig unverständliche Chiffren und Bemerkungen zuriefen. Die Armee hatte hohe Herren des Ministeriums eingeladen und wollte sich von anderen, die zur Industrie gehörten, neue Entwicklungen vorführen lassen.
Das alles aber hatte die leichte Unruhe in Parker nicht ausgelöst Seine sich steigernde Nervosität hing mit der Tatsache zusammen, daß Lady Agatha Simpson diesen Bunker vor einer halben Stunde verlassen hatte. Ein Mann wie Parker nahm so etwas nicht auf die leichte Schulter. Ihm war die Unternehmungslust seiner Herrin nur zu bekannt. Und er wußte, wie sehr sie sich für technische Dinge interessierte.
»Gleich ist es soweit«, sagte General Cummings, ein kleiner, drahtiger Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren. Er hatte sich zu seinen Gästen umgewandt und strahlte. »Sie werden die Uraufführung einer echten Sensation erleben. Ashford, geben Sie die Stichworte!«
Was Ashford prompt tat, denn er war nur Oberst und hatte zu gehorchen. Ashford war etwa vierzig Jahre alt, groß, schlank und erinnerte in seinem Aussehen an einen James-Bond-Darsteller.
»Die Armee wird Ihnen, meine Herren, den XAR III im Einsatz zeigen«, begann Ashford militärisch knapp. »Im internen Sprachgebrauch wurde dieses neue Panzermodell ›Meteor‹ getauft. Es zeichnet sich durch eine niedrige Silhouette aus, ist schneller als vergleichbare und bisher bekannte Panzermodelle und verfügt über einen Aktionsradius, der etwa um zwanzig Prozent über dem bisher üblichen liegt. Seine Feuerkraft ist schon fast bestürzend und übersteigt alle uns bekannten Normen. Hindernisse dürften für den ›Meteor‹ kaum existieren, obwohl er fast fünfzig Tonnen schwer ist. Der ›Meteor‹ kommt mit drei Mann Besatzung aus. Was heute getestet werden soll, ist natürlich der neu entwickelte Motor, der eine echte Sensation darstellt.«
Oberst Ashford verbeugte sich und sah in die Richtung eines seriös aussehenden Mannes, der eine Brille trug und Autorität ausstrahlte.
»Wir werden Ihnen unseren neuen Abgasturboauflader unter härtesten Bedingungen zeigen«, begann Lorne Shuffle, »Einzelheiten dieser Konstruktion sind selbstverständlich streng geheim, dennoch einige pauschale Angaben, damit Sie eine ungefähre Vorstellung haben. Das Trockengewicht dieser Neuentwicklung beträgt rund 2 400 Kilogramm, die Brennstoffe sind Diesel, Otto-Kraftstoff, Düsentreibstoffe und ...«
... wenn es sein muß, sogar Olivenöl«, schaltete sich ein mittelgroßer, ein wenig dicklich aussehender Mann ein, der über eine beachtliche Glatze verfügte. »Wir haben es mit einem sogenannten Allesfresser zu tun. Im Fall eines Falles lassen sich auch Haarwasser, Rasierwasser und Whisky als Treibstoff verwenden, vom letzteren Treibstoff würde ich allerdings abraten.«
Die im Beobachtungsbunker versammelten Militärs und Zivilisten lachten gedämpft.
»Mister Finnegan, mein Chefkonstrukteur«, stellte Lorne Shuffle sicherheitshalber noch mal vor. Lorne Shuffle war der Chef der Firmengruppe, die den Panzer, vor allen Dingen aber diesen neuen Motor entwickelt hatte.
»Ich übertreibe keineswegs«, versicherte der humorige Peter Finnegan. »Die genannten Stoffe werden von unserem Turbomotor ohne weiteres verkraftet, was mit dem neuartigen Vorkammerverfahren zusammenhängt. Nebenbei gesagt, es handelt sich um einen 40-Liter-Motor, Viertakt-Diesel.«
Butler Parker hörte nur mit halben Ohr zu, denn seine Unruhe verstärkte sich von Minute zu Minute. Er vermißte immer noch Lady Agatha.
»Sir, darf ich mir erlauben, eine Frage zu stellen?« Parker hatte sich an General Cummings gewandt, der ihn streng und auch ein wenig herablassend anschaute. Ein General und ein Butler, nun, das paßte seiner Ansicht nach nicht recht zusammen.
»Fragen Sie«, knurrte Cummings.
»Darf ich mich nach Lady Simpson erkundigen?«
»Lady Simpson ist ins Fahrzeugdepot gebracht worden«, erwiderte Oberst Ashford, die vollendete James-Bond-Kopie. »Die Lady möchte zu gern mal mit einem Panzer fahren, das heißt natürlich, sie möchte mitgenommen werden.«
»Sie sehen mich bestürzt, Sir«, erwiderte Parker.
»Wieso, Mann, glauben Sie, daß die Dame das gesundheitlich nicht schafft?« fragte Oberst Ashford.
»Genau das Gegenteil, Sir, dürfte der Fall sein«, antwortete der Butler und fürchtete Schreckliches.
*
»Sehr eigenwillige Schlachtordnung«, konstatierte General Cummings bereits wenig später und schüttelte irritiert den Kopf. »Sagen Sie, Ashford, war das so geplant?«
»Nicht direkt, Sir«, gab die James-Bond-Kopie zurück und zeigte sich nicht weniger irritiert. »Der XAR III sollte eigentlich erst später erscheinen.«
»Die Besatzung da unten im Prototyp scheint besoffen zu sein«, vermutete General Cummings. Seine Feststellung war zwar hart, aber sie entsprach durchaus dem, was man sah. Der neue Panzertyp kurvte auf die Manöverformation der regulären Panzerwagen zu und schien sie unbedingt rammen zu wollen. Er entwickelte dabei eine Schnelligkeit, die beachtenswert war.
»An Tempo nicht zu überbieten«, freute sich Manager Lorne Shuffle und nickte seinem Chefkonstrukteur anerkennend zu.
»Auch die Kurventechnik ist hinreißend«, sagte Peter Finnegan, der sich geschmeichelt fühlende Konstrukteur. »Der Fahrer ist Sonderklasse, würde ich sagen.«
Die beiden Zivilisten und ihre Begleiter waren an einer Schlachtordnung nicht interessiert. Sie wollten nur sehen, wie schnell und handlich der neue Panzerwagen war.
Die im Beobachtungsbunker versammelten Militärs hingegen bewerteten das anders. Der mühevoll und bis ins Detail ausgearbeitete Manöverplan war bereits völlig in Unordnung geraten. Die Fahrer der übrigen Panzer schienen in Panik geraten zu sein und versuchten, den Rammangriffen des Prototyps zu entgehen.
Josuah Parker enthielt sich jeder Stellungnahme.
Ihm kam eine schreckliche Vermutung. Er kannte den verwegenen Fahrstil der Lady. Was der neue Panzer da unten zeigte, entsprach ihrem Temperament. Darüber hinaus aber schien Agatha Simpson ein wenig die Kontrolle über das Kettenfahrzeug verloren zu haben. Dem Prototyp war es gerade gelungen, einen regulären Panzerwagen seitlich voll zu rammen.
Der Vorgänger der Neuentwicklung blieb dabei auf der Strecke. Auch der Motor schien einiges abgekriegt zu haben. Eine dunkle Rauchwolke wallte hoch, die den Panzer einnebelte. Wenig später hüpften und sprangen vier Männer, die offensichtlich in dem rauchenden Ungetüm gesessen hatten, aus dem Qualm hervor und verschwanden in nahen Löchern.
»Wer führt denn da Privatkrieg?« brauste General Cummings auf. Er blitzte Oberst Ashford an, der sich, wie es sich gehörte, prompt schuldig fühlte.
»Ich werde das sofort feststellen lassen«, versprach die James-Bond-Kopie und eilte in den hinteren Raum des Bunkers, um dem Funker spezielle Befehle zu erteilen.
Der neue Panzer rollte inzwischen weiter.
Er walzte eine Baumgruppe nieder, verschwand in einem Bachbett, arbeitete sich wieder heraus und ließ dabei seine Kuppel ununterbrochen rotieren.
Parker beobachtete das mit einigem Mißtrauen, denn ihm entging keineswegs, daß die Kanone, gesteuert von einer feinnervigen Elektronik, immer genau auf den Bunker zielte, in dem auch er sich befand.
»Sir,