Karin Bucha Classic 39 – Liebesroman. Karin Bucha
muß, wie er sich mit allerlei Schwierigkeiten herumschlägt, die sich spielend überwinden ließen, wenn – ja, wenn er finanziell eben etwas flüssiger wäre. Er will nichts von mir annehmen. Nun, vielleicht bin ich dabei nicht diplomatisch genug vorgegangen.
Liebe Charlotte, ich freue mich, daß Du Dich so gut erholt hast. Du wirst mir sicherlich viel zu erzählen haben. Hast du Dein eisgekühltes Herz immer noch nicht vergeben? Ich dachte, die südliche Sonne wird den Eispanzer zum Schmelzen bringen. Ich muß schon sagen, ein klein bißchen Sehnsucht habe ich auch nach Dir.
Mach Dir jedoch über Bernd und sein Werk keine Sorgen, es liegt durchaus keine Veranlassung dazu vor. Ich denke nur, daß Dich alles, was mit ihm zusammenhängt, interessiert. Wenn ich nicht schon etwas reichlich bei Jahren wäre, würde ich mich ihm als Teilhaber anbieten. Was meinst du wohl, was man aus den Werken herauswirtschaften könnte! Zum Schluß – auf baldiges frohes Wiedersehen in der Heimat.
Dein treuer Onkel Christoph. »Dein treuer Onkel Christoph«, wiederholt Charlotte leise und hat dabei ganz sehnsüchtige Augen. Wort für Wort des Briefes überdenkt sie.
Beim wiederholten Lesen muß sie lächeln. Nein – ein Diplomat war Onkel Christoph nie, vielmehr wegen seiner Offenheit allseits geschätzt und beliebt. Teilhaber möchte er am liebsten bei Bernd werden? Dann aber nur tätiger Teilhaber, anders würde Bernd es niemals gelten lassen.
Warum ist sie nur kein Mann? Warum kann sie nicht einfach vor Bernd hintreten und ihm sagen: ich will arbeiten, gib mir in deinem Werk einen Wirkungskreis! Sie sitzt lange regungslos da, und ein grübelnder Zug liegt auf ihrem Gesicht.
Sie verharrt auch noch in dieser Haltung, als Frau von Delian, in ein dunkles Hauskleid gehüllt, bei ihr eintritt.
»Wie denn, Charlotte, Sie sind immer noch nicht umgezogen?«
Charlotte erhebt sich hastig, streicht mit einer raschen Bewegung das wirre Haar in den Nacken und sagt mit blitzenden Augen: »Ich hab’s, Delian! Ich werde arbeiten, wenn ich auch kein Mann bin! Ich werde Teilhaber bei Bernd Imhoff. Nicht nur mein Geld, auch meine bescheidenen Kenntnisse werde ich ihm zur Verfügung stellen.«
»Du lieber, gütiger Himmel!« Frau von Delian sinkt wie vernichtet auf einen Stuhl. »Was werde ich mit Ihnen noch alles erleben!« stöhnt sie.
Charlotte geht auf und ab, den Einwurf ihrer Beschützerin läßt sie unbeachtet. »Jawohl, ich will meinem Leben einen Inhalt geben – ich will arbeiten! Nun weiß ich wenigstens, wie ich mit meinem Geld Segen stiften kann! Es soll in Bernd Imhoffs Fabrik arbeiten! Um Gewinn soll es mir durchaus nicht zu tun sein! Ich suche nichts als einen Wirkungskreis, der mir wahre innere Befriedigung schafft!«
»Dann kann ich ja packen lassen«, wirft Frau von Delian trocken dazwischen.
Charlotte tritt nahe an die alte Dame heran. Sehr ernst ist ihr von Begeisterung gerötetes Gesicht. Sie legt Frau von Delian die Hände auf die Schultern: »Mir ist es bitter ernst, meine liebe Delian, glauben Sie mir. Wir unterbrechen nur noch einmal unsere Reise. Zum letzten Male will ich in den Bergen herumklettern, und dann geht es einem neuen Leben entgegen!«
»Ich bin mit allem einverstanden«, nickt Frau von Delian, mütterlich besorgt, »wenn ich Sie nur glücklich weiß. Ich werde schon über Sie wachen, damit Sie sich nicht zu viel zumuten.«
*
»Verflixt noch mal! Was machen wir da, Lehrmann, ablehnen – oder nicht?« Imhoff blickt fragend zu seinem Getreuen auf.
»Wir müssen einige Tausender flüssig machen«, rät Lehrmann.
»Aber wie?« fragt Bernd und nimmt abermals das umfangreiche Kontobuch zur Hand. »Wieviel Außenstände haben wir? Eine ganze Menge zwar, aber an keinen meiner Kunden möchte ich vor der Zeit herantreten. Wieviel Schulden haben wir? – Nicht wenig. Ist die Ablehnung wirklich so ernst zu nehmen?«
»Unbedingt!« Lehrmann schiebt dem Chef den Brief zu, der ihre unangenehme Lage hervorgerufen hat.
»Wir müssen auf jeden Fall das Rohmaterial haben. Die Maschinen müssen besetzt werden.« Imhoff stützt den Kopf in die Hände. In seinem Gesicht zuckt und arbeitet es. »Festgefahren!« sagt er grimmig.
»Uns fehlt nichts weiter als Geld«, bestätigt Lehrmann nochmals, dann verabschiedet er sich.
Kurz darauf klopft es. »Eine Dame wünscht Sie zu sprechen«, wird Bernd gemeldet.
»Ich lasse bitten.« Bernd hat sich erhoben. Spannung prägt sich in seinen Zügen aus, die sich sofort in Freude wandelt, als unerwartet Charlotte Doehner vor ihm steht.
»Sie sind zurück, Charlotte – und suchen mich auf?« fragt er und drückt die feine Mädchenhand mit Wärme.
»Ja, und mein erster Weg führt mich zu Ihnen. Nicht einmal Onkel Rodisch weiß, daß ich wieder da bin.« Charlotte wirft einen fragenden Blick auf ihn. »Störe ich Sie auch nicht?«
»Nein, ganz gewiß nicht!« versichert Bernd und führt sie zu dem Sessel, der seinem Schreibtisch gegenübersteht.
Charlotte blickt auf die Spitzen ihrer Schuhe. Jetzt hebt sie die Augen zu ihm auf. »Darf ich rückhaltlos offen zu Ihnen sein?« fragt sie zunächst vorsichtig, ehe sie auf den Zweck ihres Besuches zu sprechen kommt.
»Es macht mich glücklich, Ihr Vertrauen zu besitzen«, sagt Bernd schlicht.
Charlotte ist nicht mit sich zufrieden; sie fühlt, wie ihr das Blut in die Wangen steigt. Seltsam befangen ist sie, und es kostet sie Mühe, ihre Unsicherheit zu überwinden.
»Lange Zeit habe ich ein Bummelleben geführt; Sie wissen, wie lange ich der Heimat ferngeblieben bin. Aber gerade in der Zeit des Nichtstuns ist mir zu Bewußtsein gekommen, welch ein inhaltloses Leben ich führe«, beginnt Charlotte mutig. »Können Sie sich an das Gespräch erinnern, das wir kurz vor meiner Abreise bei meinem Onkel führten? – Wir sprachen von den reichen Mädchen, die wegen ihres Geldes nicht geheiratet werden.« Charlotte lächelt ein wenig verloren. »Ich werde mich, ohne traurig zu sein, zu diesen Mädchen rechnen müssen. Also werde ich für die Zukunft nicht nur einsam sein, sondern auch weiterhin ein zweckloses Dasein führen müssen, wenn – wenn Sie mir nicht helfen, Bernd.«
»Ich?« fragte Bernd, noch mehr bestürzt, als er es durch ihre einleitenden Worte schon geworden ist.
»Ja – Sie sollen mir einen Wirkungskreis geben, und zwar bei Ihnen, hier in Ihrem Betriebe. Und da ich vorläufig nichts weiter mitbringe als den guten Willen, müssen Sie dabei wohl oder übel mein Geld mit in Kauf nehmen.«
»Ich – ich verstehe das nicht!« stößt er gepreßt hervor.
»Aber Bernd! Das ist doch ganz einfach! Sie sollen mich als Teilhaber bei sich aufnehmen! Doch nur, wenn ich mitarbeiten darf.«
»Sie wissen, daß ich augenblicklich finanziell festgefahren bin?« fragt er mit kühler Ruhe.
Charlotte weicht dem hellen Blick seiner Augen nicht aus, sie entgegnet: »Daß Sie festgefahren sind, ist mir nicht bekannt«, gesteht sie ehrlich. »Onkel Rodisch hat mir lediglich hin und wieder von Ihrem harten Kampf berichtet. Deshalb komme ich zu Ihnen. Ich will Ihnen und mir helfen –«
Bernds Stirn hat sich in Falten gelegt. »Ich kann mir von Ihnen nicht helfen lassen!« sagt er fest.
Da ist wieder der Stolz, die Abwehr, die er wie eine unübersteigbare Mauer vor sich aufrichtet. Charlotte übersteigt sie jedoch kühn. Sie steht plötzlich neben ihm. Um ihren Mund spielt ein verstehendes Lächeln, während in ihren klaren Augen eine ernste Bitte liegt. »Sie wollen mir nicht helfen, Bernd?«
»Sie wollen doch nur mir helfen – und das kann ich nicht annehmen!« beharrt er.
»Sie haben mich immer noch nicht verstanden, Bernd.« Charlotte sieht ganz mutlos drein. »Sie hören immer nur das eine heraus – Geld und wieder Geld! Daß Sie mir aber einen Wirkungskreis bei Ihnen geben sollen, das wollen Sie anscheinend nicht hören. Eigentlich müßte ich nach Ihrem glatten Nein jetzt gehen, doch es geht mir um meine Ruhe. Ich bin nun einmal