Dr. Daniel Classic 40 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Classic 40 – Arztroman - Marie Francoise


Скачать книгу
»Allerdings hätte das im Prinzip auch nicht viel geändert.« Er zögerte. »Wenn Sie einverstanden sind, dann würde ich Sie gern für einen Tag nach München bringen lassen. In der Klinik meines Freundes arbeitet ein sogenannter Pränatal-Diagnostiker, der im Gegensatz zu mir beurteilen kann, ob man den Herzfehler Ihres Kindes vielleicht schon im Mutterleib behandeln kann.«

      Aus weitaufgerissenen Augen starrte Sandra den Arzt an. »Wie bitte?« Fassungslos schüttelte sie den Kopf. »Ist das nicht furchtbar gefährlich?«

      »Natürlich birgt ein solches Verfahren gewisse Risiken«, räumte Dr. Daniel ein. »Aber zumindest in der Sommer-Klinik hätte ich in dieser Hinsicht keinerlei Bedenken.« Wieder machte er eine kurze Pause. »Erst mal müssen wir jedoch abklären, ob eine Behandlung in diesem Fall überhaupt möglich ist.« Daß er selbst das für sehr unwahrscheinlich hielt, verschwieg er im Moment vorsichtshalber.

      Aufmerksam sah Sandra den Arzt an. »Wenn mein Kind tatsächlich einen Herzfehler haben sollte… vielleicht sogar einen, der sich nicht behandeln läßt – wie groß sind dann die Chancen, daß sich ein Ehepaar finden läßt, das bereit ist, dieses Baby zu adoptieren?«

      Das war genau die Frage, mit der Dr. Daniel gerechnet hatte, und das Schlimmste war, daß er für Sandra jetzt keine befriedigende Antwort parat hatte.

      »Ich will ehrlich sein, Frau Abensberg, es wird sicher nicht einfach werden«, gestand er. »Allerdings gibt es immer wieder Ehepaare, die sich nicht scheuen, auch ein nicht völlig gesundes Kind zu adoptieren.«

      *

      Es kostete Manon Carisi große Mühe, aus dem Bett zu kommen, als es an ihrer Wohnungstür klingelte.

      »Gerrit, Sie sind’s«, erklärte sie mit müder Stimme, dann ließ sie den jungen Arzt herein. »Es war sicher unnötig, daß Sie hergekommen sind, aber Robert ließ es sich einfach nicht ausreden.«

      Dr. Gerrit Scheibler, der in der Waldsee-Klinik als Oberarzt tätig war, folgte Manon ins Schlafzimmer, dann sah er sie aufmerksam an.

      »Mir scheint, so ganz unberechtigt sind die Sorgen, die er sich um Sie macht, nun auch wieder nicht«, entgegnete er. »Im Normalfall sagt man einer Dame ja nicht, daß sie ganz entsetzlich aussieht, aber ich glaube, als Arzt darf ich mir das einer Patientin gegenüber durchaus erlauben.«

      Obwohl sie sich so elend fühlte, mußte Manon bei diesen Worten lächeln.

      »Ein Kompliment war das ja wirklich nicht«, meinte sie. »Aber ich habe Ihre Bemerkung schon richtig verstanden, Gerrit, und ich kann Ihnen auch versichern, daß ich nicht nur entsetzlich aussehe, sondern mich auch so fühle. Es ist offensichtlich eine schwere Erkältung, die ich mir da eingefangen habe.« Sie seufzte, während sie sich wieder auf ihr Bett sinken ließ. »Sicher ist es nicht nur der Virus, der mich erwischt hat. Meine psychische Verfassung ist im Augenblick auch nicht gerade die beste.«

      Dr. Scheibler nickte. »Wolfgang hat schon erwähnt, daß Sie momentan in einem ziemlichen Tief stecken. Er wäre übrigens persönlich hergekommen, aber ein Notfall hat ihn im OP festgehalten.« Er lächelte. »Ich hoffe, Sie nehmen in diesem Fall auch mit mir vorlieb.«

      »Natürlich, Gerrit«, stimmte Manon sofort zu. »Und wie gesagt – ich halte diesen ganzen Aufwand für überflüssig. Ein paar Tage Bettruhe, dann bin ich bestimmt wieder auf dem Damm.«

      »Eine Untersuchung kann ja nicht schaden«, entgegnete Dr. Scheibler. »Und zumindest in einem hat Robert recht: Es könnte sich ja tatsächlich um eine Virusgrippe handeln, und damit ist nun wirklich nicht zu scherzen. Vielleicht schildern Sie mir zuerst mal Ihre Beschwerden.«

      »Seit gestern abend habe ich ein bißchen Fieber«, begann Manon, »außerdem schreckliche Gliederschmerzen. Ich fühle mich ständig müde und…« Sie stockte, als sie plötzlich bemerkte, wie ihre Nase zu bluten begann. Rasch drückte sie ein Papiertaschentuch an die Nase. »So ein Mist, das ist heute nun schon das zweite Mal.«

      Alarmiert horchte Dr. Scheibler auf. Die Erinnerung an seine eigene schwere Krankheit, die noch gar nicht so lange zurücklag, drängte sich ihm unwillkürlich auf.

      »Seit wann fühlen Sie sich so müde und ausgelaugt?« wollte er wissen.

      Manon zuckte die Schultern. »Ich habe eigentlich nicht darauf geachtet, aber jetzt, wo Sie danach fragen… es passiert mir schon seit einigen Wochen, daß ich rasch ermüde.«

      »Haben Sie an Gewicht verloren?« fragte Dr. Scheibler weiter.

      »Ja, aber das war auch beabsichtigt«, antwortete Manon. »Ich hatte zugenommen und wollte wieder ein paar Kilo loswerden.« Sie runzelte die Stirn. »Warum fragen Sie das alles?«

      »Weil ich einen ganz schlimmen Verdacht habe«, gab Dr. Scheibler offen zu. »Ich litt vor einiger Zeit an genau denselben Erscheinungen.« Und wäre beinahe daran gestorben, fügte er in Gedanken hinzu.

      Entschlossen stand er auf. »Manon, ich nehme Sie jetzt sofort mit in die Klinik. Nur da kann ich Sie umfassend untersuchen.«

      »Was heißt ›umfassend‹?« wollte Manon wissen. »Ich bin selbst Ärztin. Mir können Sie es also sagen.«

      Dr. Scheibler atmete tief durch. Wenn er Manon jetzt gestand, was für eine Untersuchung er durchführen wollte, dann wußte sie mit Sicherheit, welche Krankheit er vermutete. Andererseits konnte er diese Wahrheit nicht für immer vor ihr verbergen.

      »Ich muß eine Knochenmarkbiopsie vornehmen«, erklärte er.

      Manon erbleichte.

      »Nein«, flüsterte sie. »Bitte, Gerrit… Sie müssen sich irren. Es ist nur eine Erkältung… vielleicht eine Virusgrippe, aber nicht… nicht Leukämie.«

      »Manon, ich weiß es jetzt noch nicht«, erklärte Dr. Scheibler eindringlich. »Aber so leid es mir tut – wir müssen mit der Möglichkeit dieser Diagnose rechnen.«

      Manon schluchzte auf. »Ich will nicht sterben!«

      Da griff Dr. Scheibler nach ihrer Hand. »Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte ich selbst Leukämie, und ich wurde geheilt.« Unter welchen dramatischen Umständen das geschehen war, verschwieg er allerdings lieber. »Kommen Sie, Manon, fahren wir in die Klinik, und dann sehen wir weiter. Die Untersuchung könnte ja auch etwas ganz Harmloses ergeben.« Doch daran glaubte er eigentlich selbst nicht.

      *

      Die letzte Patientin des Vormittags war Dr. Daniel wohlbekannt.

      »Priska! Das ist aber eine Überraschung«, erklärte er und ergriff mit einem herzlichen Lächeln ihre Hand.

      Unwillkürlich mußte er daran denken, wie es diese junge Frau einst nach Steinhausen verschlagen hatte – gerade achtzehn Jahre alt war sie damals gewesen, und ihre Stiefmutter hatte durch böse Raffinesse dafür gesorgt, daß Priska als Analphabetin aufgewachsen war. Erst hier in Steinhausen hatte sie dann ihr Glück gefunden. Mit Hilfe des jungen Studenten Christian Seidemann hatte sie lesen und schreiben gelernt und sich schließlich in ihn verliebt. Mittlerweile waren die beiden glücklich verheiratet, und Priska arbeitet als Sekretärin beim Steinhausener Pfarrer Klaus Wenninger.

      »Nun, Priska, wie geht es Ihnen?« wollte Dr. Daniel wissen, und plötzlich fiel ihm der niedergeschlagene Gesichtsausdruck der jungen Frau auf. »Sie sind doch nicht etwa krank?«

      Priska schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Doktor, es ist keine Krankheit, die mich zu Ihnen führt, sondern… Chris und ich… wir wünschen uns sehnlichst ein Baby.«

      Dr. Daniel nickte. »Ich verstehe.« Mit einem tiefen Seufzer lehnte er sich auf seinem Sessel zurück. »Wissen Sie, Priska, damals, gleich nach der Operation, konnten und wollten wir es Ihnen nicht sagen, weil…«

      Priskas Blick wurde abweisend. »Soll das etwa heißen, daß Sie und Dr. Sommer mich belogen haben? Ist die Operation in Wirklichkeit überhaupt nicht geglückt?«

      »Doch, Priska, das schon, aber nur teilweise.« Dr. Daniel schwieg einen Moment. »Sie wurden als Vierzehnjährige auf Betreiben Ihrer Stiefmutter


Скачать книгу