Familie Dr. Norden 730 – Arztroman. Patricia Vandenberg
einstellen.
Er erlebte häufig genug, wie sehr persönliche Konflikte die Gesundheit beeinflussen konnten. Emely war gewiß kein Einzelfall.
*
Eigentlich hatte Emely ein paar Einkäufe tätigen wollen, aber sie war von dem Gespräch mit Daniel Norden so nachhaltig beeindruckt, daß sie keine Lust mehr auf einen Stadtbummel hatte. Sie besorgte nur einiges für ein Abendessen, das eine versöhnlichere Atmosphäre schaffen sollte, denn sie war entschlossen, ein klärendes Gespräch mit Jörn zu führen.
Das Angebot in dem Delikatessengeschäft war appetitanregend. Sie kaufte, was Jörn besonders mochte. Dabei kam ihr in den Sinn, wie unterschiedlich auch ihre Geschmacksrichtungen waren, und das nicht nur in Bezug aufs Essen. Es betraf auch Kleidung und sogar Musik, von der Wohnungseinrichtung ganz abgesehen. Es wurde Emely bewußt, wie sehr sie sich auf ihn eingestellt hatte, sich seinen Vorstellungen anpaßte. Wie hatte Dana einmal gesagt? Das ist keine Liebe, du bist ihm untertan, Emely. Ich finde das gar nicht gut.
Aber Dana war eben ganz anders. Erst gestern hatte Emely in einer Zeitschrift gelesen, daß Frauen eher auf ihren Mann verzichten würden als auf ihre beste Freundin. War es bei ihr etwa auch so? Nein, so war es bei ihr nicht, so unendlich wichtig war ihr Dana auch nicht. Aber wie war es mit Jörn? Konnte sie nicht auch ohne ihn auskommen?
Sie war entschlossen, einiges in ihrem Leben zu ändern. Sie mußte sich zur Wehr setzen gegen diese Feindseligkeiten aus dem Nichts, durch die sie zermürbt werden sollte. Aber wer konnte solches Interesse daran haben? Es mußte doch wohl einen Grund geben!
Sie fuhr jetzt heim, und wieder wurde sie von einem Angstgefühl gelähmt, als sie einen fremden Wagen vor ihrem Haus stehen sah. Es war ein ganz neues, flottes Cabrio.
Sollte Jörn sich diesen Wagen gekauft haben, ohne mit ihr darüber zu sprechen? Aber woher hatte er so viel Geld, denn billig waren diese Modelle nicht. Außerdem war er um diese Zeit nie zu Hause. Emely beruhigte sich mit dem Gedanken, daß ein Fremder zufällig hier parkte und in einem Haus gegenüber zu Gast war.
Als sie das Haus betrat, vernahm sie Stimmen, die aus dem Wohnraum kamen, es waren Jörns Stimme und die einer Frau, die Emely aber auch wohlbekannt war. Es war Danas Stimme.
»Ich werde jetzt gehen«, sagte sie. »Emely könnte mißtrauisch werden, wenn sie uns beide zusammen antrifft.«
»Ach was, sie bildet sich doch sowieso allerhand Schwachheiten ein.«
Sein spöttisches Lachen traf Emely wie Nadelstiche. Sie überlegte, was sie jetzt tun sollte. Einfach wieder verschwinden? Nein, es konnte ja sein, daß sie gerade aus dem Zimmer kamen. Sie faßten einen spontanen Entschluß, da sie gerade noch an der Haustür stand. Sie öffnete diese leise, ließ sie dann aber laut ins Schloß fallen. Man mußte es auch drinnen hören. Tatsächlich hatte sie den gewünschten Erfolg, wenngleich sie jetzt auch noch um Haltung kämpfte, um unbefangen zu wirken.
Dana erschien in der Tür. Sie war niemals schnell aus der Fassung zu bringen und begrüßte Emely überschwenglich.
»Da bin ich doch nicht umsonst gekommen«, sagte sie. »Ich habe so gehofft, daß du zu Hause bist, weil ich dich zu einer Spritztour mit meinem neuen Wagen einladen wollte. Du hast hoffentlich Lust dazu?«
Emely war es, als würde sie Dana, die sie doch schon seit der Schulzeit kannte, jetzt zum ersten Mal richtig sehen. War sie tatsächlich so naiv, so töricht, daß sie niemanden durchschaute, Jörn nicht und Dana auch nicht? Und wer mochte noch alles über sie gespottet haben, weil sie mit Scheuklappen durch die Welt gelaufen war?
»Es wird schon dunkel, und außerdem ist es mir zu kalt für ein Cabrio«, erklärte sie mit erzwungener Ruhe, aber sie merkte doch selbst, wie kühl auch ihre Stimme klang. »Ich kann auch keine Erkältung brauchen, es greift sowieso ein Virus um sich, der nicht ungefährlich ist. Willst du nicht lieber zum Abendessen bleiben, Dana? Ich habe leckere Sachen eingekauft.«
Es entging ihr nicht, daß Dana und Jörn schnell einen Blick tauschten.
»Warum nicht, wenn ich schon mal eingeladen werde. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen.«
»Du warst doch ständig unterwegs«, stellte Emely fest.
»Das bringt mein Beruf mit sich. Ich war überrascht, Jörn zu Hause anzutreffen um diese Zeit.«
»Das bin ich allerdings auch«, erklärte Emely mit einem hintergründigen Lächeln. »Sonst ist er so früh nicht hier.«
»Du doch auch nicht«, sagte er sofort.
»Mein Dienstplan hat sich geändert«, erklärte Emely, »aber lassen wir den Beruf mal vor der Tür. Ich bin froh, wenn darüber nicht geredet wird.«
»Es scheint dir jedenfalls gutzugehen«, stellte Dana fest, aber irgendwie schien sie irritiert zu sein. »Hast du dich jetzt eingelebt?«
»Das kann man sagen. Also, bleibst du zum Abendessen? Es ist genug da.«
»Wenn es euch nichts ausmacht, bleibe ich gern.«
»Dann kannst du Jörn noch Gesellschaft leisten, während ich alles vorbereite.«
Es gab nicht viel vorzubereiten, aber sie konnte Zeit gewinnen, um sich ein Konzept zurechtzulegen, denn sie wollte sich keine Blöße geben, aber die beiden doch verunsichern. Das, was sie vorhin erlauscht hatte, gab ihr zu denken. Sie wunderte sich nur, daß sie sich nicht tiefer verletzt fühlte, aber der Hinterhältigkeit wollte sie sich doch gewachsen zeigen.
»Sie ist komisch«, raunte Dana Jörn zu. »Ob sie etwas gemerkt hat?«
»Unsinn, außerdem sieht sie sowieso Gespenster. Ich würde ihr einen Verdacht schon ausreden.«
»Du glaubst also, daß sie sich wirklich alles einbildet?«
»Reden wir jetzt nicht darüber, sie kann jeden Augenblick erscheinen.«
Wie lange mag das zwischen den beiden schon gehen, dachte Emely indessen. Sind sie es, die mich in den Wahnsinn treiben wollen?
Sie gab sich besondere Mühe, alles herzurichten. Schon lange hatte sie das nicht mehr getan, und ihr kam jetzt auch in den Sinn, daß sie sich mit Dana noch nicht getroffen hatte, seit sie in München wohnten, obgleich Dana schon zwei Jahre hier lebte. Tatsächlich hatten sie sich zum letzten Mal zu Jörns Geburtstag in Straßburg getroffen und sonst nur ab und zu miteinander telefoniert.
Ja, es war tatsächlich schon so lange her, Emely wollte es fast nicht glauben, aber für sie war es ja so eine aufregende Zeit gewesen, daß sie gar nicht hatte nachdenken können.
Sie schob den Servierwagen ins Eßzimmer, das mit seiner leicht rustikalen Einrichtung ganz gemütlich war, während die anderen Räume mit der hypermodernen Ausstattung kaum Behaglichkeit aufkommen ließen.
»Es ist angerichtet«, sagte sie.
»Das ging aber schnell«, sagte Dana, »und sieht sehr lecker aus.«
»Als hätte ich es geahnt, daß ich nicht allein essen muß«, erklärte Emely daraufhin etwas anzüglich.
»Sehr aufmerksam von dir, daß du an meinen Geschmack gedacht hast«, ließ sich jetzt Jörn vernehmen.
Emely sah ihn forschend an, und er wurde tatsächlich verlegen.
Emely wunderte sich, wie sicher sie sich plötzlich fühlte, aber es kam wohl auch daher, daß Jörn und Dana ihre gewohnte Selbstsicherheit vermissen ließen. Jörn war von Emelys lässiger Art so überrascht, daß er gar nicht wußte, was er sagen sollte.
»Jörn sagte mir vorhin, daß es dir in letzter Zeit nicht so besonders gut gegangen sei«, bemerkte Dana stockend. »Du kannst dich doch bei mir melden, wenn du Sorgen hast.«
»Ich habe keine Sorgen, ich werde nur von irgendwelchen Irren belästigt, aber da Jörn meint, daß ich mir das nur einbilde, behalte ich es lieber für mich. Daniel Norden meint allerdings, daß man es nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.«
»Wann hast