Dr. Norden Bestseller 340 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Dr. Daniel Norden hörte schon das Telefon läuten, bevor er seine Praxis betrat. Es schien wieder mal ein heißer Tag zu werden, und die letzten drei hatten es auch schon in sich gehabt, daß er sich nach einer Verschnaufpause sehnte.
Dorthe Harling saß schon am Telefon, blickte zu ihm und sagte: »Jetzt kommt er gerade, Frau Borg, Sie können ihn selbst sprechen. Bitte, noch einen Augenblick Geduld.«
Sie stellte schon durch und sagte dann: »Es scheint dringend zu sein, wenn Frau Borg so schnell einen Termin haben will. Und natürlich wird Diskretion erwartet.«
Dr. Norden kannte Pamela Borg recht gut. Sie war eigentlich nie krank, hatte aber öfter mal eine Verletzung, und außerdem war die weltgewandte Reporterin eine gute Bekannte von Katja und David Delorme, die zur engsten Familie der Nordens gehörten.
Wenn es bei Pamela Borg dringend war, konnte man sich darauf verlassen, daß es sich nicht um Geschwätz handeln würde, denn sie hatte für solches nie Zeit. Sie war eine sehr clevere Reporterin, dauernd unterwegs und ständig in Zeitnot.
Dr. Norden griff in seinem Sprechzimmer zum Telefon und meldete sich.
»Wann kann ich Sie sprechen, Doc?« fragte sie. »Es eilt, weil ich mittags nach Rom fliegen muß, und es ist wirklich sehr dringend.«
»Dann kommen Sie gleich, ich richte es ein.«
»Sie sind ein wahrer Schatz«, sagte Pamela, »vielen Dank.«
Was mag sie auf dem Herzen haben, dachte Daniel Norden, denn er kannte Pamela Borg als eine sehr selbständige Frau, die mit ihren Problemen sehr gut allein fertig wurde.
Das Wartezimmer hatte sich gleich gefüllt, aber als Pamela kam, konnte er es so einrichten, daß sie nicht zu warten brauchte.
Sie war eine Persönlichkeit, die nicht einfach nur daherkam. Es war ein Auftritt, ohne daß sie ihn beabsichtigte.
Dabei war sie knapp mittelgroß, schlank, aber wohlproportioniert, mit einem herben Gesicht, das von großen, weit geschnittenen grüngrauen Augen beherrscht wurde. Eine kurze, gerade Nase, ein schöner Mund, gaben diesem Gesicht einen ganz besonderen Reiz. Sie hatte eine moderne Kurzhaarfrisur, die keck wirkte, aber so gut zu dem Gesamtbild paßte, daß der Anblick alles in allem, mit der lässig-sportlichen Kleidung, das beeindruckende Bild einer modernen, selbstbewußten, jungen Frau vermittelte.
»Ich fasse mich kurz, Ihre Zeit ist noch kostbarer als meine«, sagte sie. »Ich möchte Sie fragen, ob Sie wissen, wo Nadine Castello sich aufhält. Ich weiß, daß sie eine Patientin von Ihnen war und Sie überaus schätzt.«
»Nadine Castello?« widerholte Daniel verblüfft. »Soviel mir bekannt ist, ging sie nach Paris. Ich habe seither nichts mehr von ihr gehört.«
»Können Sie sich erinnern, wann sie nach Paris ging?«
»Genau nicht. Es ist mehr als zwei Jahre her, aber Dorthe kann in der Kartei nachschauen. Darf ich wissen, worum es geht?«
»Sie dürfen es wissen«, erwiderte sie betont. »Es geht um Raimondo Castello und noch um ein paar andere Männer, über die ich recherchiere. Es ist vielleicht ganz gut, daß Sie es wissen, denn unter Umständen könnte ich da auf der Strecke bleiben, aber bisher hat noch niemand eine Ahnung, was mir zufällig zu Ohren kam. Leider geht es dabei auch mit um meine Schwester Janet, die aber auch ahnungslos ist. Wenn ich Nadine Castello finden könnte, würde ich rascher weiterkommen.«
»Sie schrieb mal aus Paris, aber soweit ich mich erinnere, war es keine Adresse. Fragen Sie Dorthe, sie kannte Nadine recht gut.«
»Und Sie merken sich den Namen Castello, wenn mir etwas passieren sollte?«
»Guter Gott, sagen Sie doch, was Sie fürchten, Frau Borg.«
»Es geht um einen Millionenbetrug, und der muß so raffiniert abgewickelt worden sein, daß man an die Hintermänner gar nicht herankommt.«
»Und einer davon ist Raimondo Castello?«
»Ich kann es noch nicht beweisen, aber ich hörte, daß seine Frau sich von ihm trennte, als sie schwanger war, und sich scheiden ließ.«
»Sie war schwanger«, sagte Dr. Norden, »aber ich wußte nicht, daß sie sich scheiden lassen wollte. Woher wissen Sie es?«
»Von ihrer Mutter. Sie erzählte mir kurz vor ihrem Tod eine denkwürdige Geschichte. Und neugierig wie ich bin, begann ich zu recherchieren. Mehr kann ich momentan nicht sagen. Aber es hat in jüngster Zeit ein paar Todesfälle von prominenten Leuten gegeben, Bankier Bruns, Anlageberater Stavros, vielleicht merken Sie sich auch diese Namen. Stavros war doch auch mal Ihr Patient?«
»Vor nicht allzulanger Zeit, aber ich hatte keine Ahnung, daß er tot ist.«
»Er ertrank in der Karibik bei einem Bootsunfall. Es ist hier noch nicht bekannt. Er lebte ja schon eine Zeit auf den Bahamas.«
»Sie wissen viel«, sagte Dr. Norden staunend.
»Noch viel zuwenig. Und beweisen kann ich noch gar nichts.«
»Und was möchten Sie beweisen?« fragte er nachdenklich.
»Ich möchte vor allem verhindern, daß gutgläubige Menschen betrogen werden, und daß Unschuldige auf der Strecke bleiben, womit ich aber nicht sagen will, daß Stavros ein Unschuldslamm war. Sie haben bei ihm hoffentlich kein Geld angelegt.«
Daniel lachte auf. »Ich lege jeden Pfennig, den wir entbehren können, auf der Insel der Hoffnung an, aber wenn man fünf Kinder hat, bleibt nicht viel übrig.«
»Aber viele wollen ihr sauerverdientes Geld gut anlegen, um ihrer Familie Sicherheit zu verschaffen, und dann bleibt nichts«, sagte Pamela tonlos. »Ich habe jetzt schon ein bißchen viel gesagt, aber an Sie wird auch viel herangetragen, und wenn Sie etwas hören über jene Leute, deren Namen ich erwähnte, könnten Sie mir sehr helfen, wenn Sie mir Mitteilung machen würden.«
Er sah sie ernst an. »Seien Sie vorsichtig, Frau Borg, ich weiß, daß es auch hier eine Mafia gibt. Denken Sie mal an die Überfälle auf die Restaurants, an die sogenannten Schutzgelder, die verlangt werden. Ein paar Opfer aus der Umgebung mußte ich schon verarzten, und ich kann mir vorstellen, daß sie in der Angst leben, es könnte ihnen nochmals so ergehen.«
»Wenn ich Angst hätte, könnte ich meinen Beruf an den Nagel hängen, Doc, aber ich liebe meinen Beruf.«
»Und es gibt immer noch keinen Mann?«
Sie warf ihm einen schrägen Blick zu. »Sie sind ja leider verheiratet, und ich habe noch keinen kennengelernt, der so viel Charakter hat wie Sie.«
Sie sagte wenigstens nicht, der so aussieht wie Sie, aber Dr. Norden wußte auch, daß sie auch nicht den kleinsten Annäherungsversuch mit solchen Worten machen wollte. Sie hatte auch Charakter. Aber er konnte sich vorstellen, daß mancher Mann an ihr auch ganz persönlich interessiert war.
»Lassen Sie mich bitte wissen, wie Ihre Recherchen weitergehen«, sagte er, als sie sich verabschiedete.
»Vielleicht erfahren Sie es aus der Zeitung«, sagte sie lässig, »aber die Namen, die ich nannte, sollten Sie sich merken.«
»Sind notiert, und außerdem habe ich für Besonderheiten ein gutes Gedächtnis. Und Sie können Dorthe gern noch fragen, ob sie etwas über Nadine Castello weiß.«
Dorthe konnte nur sagen, daß Nadine nicht lange in Paris gelebt hatte. »Sie hat mich mal angerufen und mir gesagt, daß sie einen ganz süßen Sohn hätte, und ob Castello sich nach ihr erkundigt hätte. Anscheinend hatte sie Angst, daß er sie finden könnte. Sie hat mir auch nicht gesagt, wo sie lebt. Aber es könnte sein, daß sie nach Südafrika gegangen ist. Sie wußte, daß ich dort gelebt habe und hat sich genau erkundigt, wie man sich da einstellen müsse. Ich hatte sie gewarnt, aber es kann ja sein, daß sie einen neuen Partner gefunden hatte. Von Castello wollte sie jedenfalls nichts mehr wissen.«
»Wissen Sie, warum Sie sich scheiden ließ?«
»Sie hat nicht viel darüber gesagt, aber sie hat ihn wohl nicht richtig gekannt, als sie ihn geheiratet hat, und anscheinend ging es da wohl auch um den