Dr. Norden Bestseller 340 – Arztroman. Patricia Vandenberg
heftete den Zettel an Pamelas Karteikarte. »Da geht er nicht verloren«, stellte sie fest, »aber jetzt wartet das Mittagessen, Chef.«
»Und mit wem essen Sie, solange Franzi noch im Urlaub ist?«
»Ich specke ab.«
Er lachte auf. »Weil Sie es nötig haben«, scherzte er.
»Drei Kilo zuviel, und deshalb wird der Rockbund zu eng.«
»Ich kann das nicht feststellen. Sie sehen blendend aus, Dorthe.«
»Danke vielmals, mir geht es auch gut, aber dennoch müssen ein paar Kilo runter.«
»Aber nicht so viel, daß Sie umfallen, Dorthe.«
Sie schaute ihm nach. Sie hatte keinen Appetit. Sie dachte an Pamela Borg und verspürte Unruhe. Sie mochte diese mutige und intelligente junge Frau sehr, und sie wußte auch, daß Pamela sich schon oftmals in Gefahr begeben hatte, um der Gerechtigkeit zu dienen. Pamela scheute sich auch nicht, öffentlich ihre Meinung kundzutun, wenn es darum ging, Mißstände anzuprangern, und Dorthe wurmte es mächtig, wenn Vergehen mit zweierlei Maß gemessen wurden, wenn es auf der einen Seite um prominente Leute ging, auf der anderen aber um solche, die sich keinen teuren Anwalt leisten konnten und manchmal sogar ohne eigenes Verschulden in eine mißliche Situation geraten waren.
Sie nahm noch mal Pamelas Karte heraus und betrachtete den Zettel mit den drei Namen, die sie sich gleich einprägte. Dann suchte sie die Karte von Nadine Castello, die mit Blutergüssen am Körper in die Praxis gekommen war. Dr. Norden stellte dann
auch noch fest, daß sie schwanger
war.
Das lag mehr als zwei Jahre zurück, und das Kind mußte jetzt fast zwei Jahre alt sein. Aber wo Nadine Castello jetzt lebte, wußte sie wirklich nicht.
*
Daniel Norden hatte keine Zeit, mit seiner Frau über Pamela zu sprechen, denn die Kinder hielten ihn in Atem. Die drei »Großen« waren im neuen Schuljahr eine Klasse aufgerückt und hatten neue Lehrer.
Anneka war zufrieden, ihre Brüder Danny und Felix hatten schon manches zu bemängeln.
Die Zwillinge Jan und Desiree wollten auch zu ihrem Recht kommen beim Papi und sagten: »Schule doof!«
Das hatten sie freilich von ihren großen Brüdern, denn gerade das, was sie nicht sagen sollten, plapperten sie ganz rasch nach. Aber sie waren dabei so putzig, daß man auch noch über sie lachen mußte.
»Da ist ein Brief für dich gekommen, Daniel«, sagte Fee, »sieht sehr persönlich aus. Eine Frauenhandschrift.«
»Von wem?«
»Weiß ich nicht. Ich wollte ihn lieber nicht lesen.«
»Ich habe keine Geheimnisse vor dir, das weißt du doch. Du kannst ihn ruhig lesen. Ich habe jetzt keine Zeit mehr. Heute abend kann ich dir allerhand erzählen.«
»Dann lies den Brief, und erzähle mir, was drin steht.«
»Schatz, sei doch nicht komisch, du wirst mir doch nicht mißtrauen.«
Er lachte herzlich auf, aber Fee blieb ernst. »Es gibt manches, was man nur einem bestimmten Menschen anvertrauen mag. Wenn du darüber reden willst, ist es mir recht, aber ich vertraue dir so sehr, daß ich wirklich nicht alles zu wissen brauche, was an dich herangetragen wird. Der Brief ist an die Praxis adressiert und wohl versehentlich hierher gebracht worden.«
»Was doch aber öfter passiert, Fee. Nun, wie du willst, ich werde ihn lesen, wenn ich Zeit habe.«
Er küßte sie zärtlich, und Fee brachte ihn zum Wagen. »Paß auf dich auf, mein Schatz«, sagte sie betont.
»Heute bist du wirklich ein bißchen komisch«, stellte er fest und küßte sie nochmals auf die Nasenspitze.
Er hatte den Brief in die Jackentasche gesteckt, ihn aber vergessen, weil er in der Praxis gleich erwartet wurde. Die kleine Mertens war mit dem Rad gestürzt, und sie sah zum Fürchten aus. Ihre aufgeregte Mutter war völlig außer Atem.
»Sie will ja zu keinem andern Arzt, Herr Doktor«, sagte sie, »und außerdem war auch keiner zu erreichen.«
»Ist schon gut, Frau Mertens. Wir wollen mal sehen, was da alles kaputt ist.«
»Viel«, sagte Nina. »Tut schon weh, war aber selber schuld, nicht der Fridolin.«
»Wer ist Fridolin?« fragte Dr. Norden.
»Der Hund von einer Bekannten«, erklärte Senta Mertens. »Er läuft Nina immer nach, und wahrscheinlich wollte sie ihn nicht anfahren.«
»Stimmt doch gar nicht, Mami«, sagte Nina. »Ich bin durch den Park gefahren und habe nicht aufgepaßt, weil andere Kinder Ball gespielt haben.«
»Jedenfalls kann sie denken und reden, und das ist wichtig.«
»Aber wie sie aussieht«, stöhnte Senta Mertens, »und wir wollen am Wochenende zu den Großeltern fahren!«
»Bis dahin ist alles wieder gut«, erklärte Nina kategorisch, »daß du dich immer so aufregen mußt! Ist doch bloß ein Zahn raus, und der hat sowieso gewackelt.«
»Sie haben eine sportliche Tochter, Frau Mertens«, sagte Dr. Norden lächelnd. »Keine Spur wehleidig.«
»Aber vorhin hat sie gebrüllt«, erklärte Frau Mertens leicht beleidigt.
»Das war der Schock, und es ist gut, wenn die Kinder ihn herausschreien«, erklärte er.
»Siehst du, der Doktor weiß es«, sagte Nina triumphierend. »Und er macht alles ganz toll, da tut gar nichts weh.«
Nun lächelte Frau Mertens auch. »Ich bin ja so froh, daß wir Sie haben, Herr Doktor. Es wird schlimm werden, wenn wir wegziehen bis ans andere Ende der Stadt.«
»Es gibt überall gute Ärzte, Frau Mertens, wann ist es denn soweit?«
»Im Frühjahr. Für meinen Mann ist es dann bequemer, und für die Kinder ist es besser, wenn man ein eigenes Haus hat, wo man nicht immer mahnen muß.«
»Dann brauche ich auch nicht alles gleich wegzuräumen«, sagte Nina.
»Na, darüber reden wir noch«, sagte ihre Mutter energisch. »Auf den Mund gefallen ist sie wirklich nicht.«
»Seien Sie froh, daß Nina so ist, Frau Mertens. Es gibt Kinder, die ihren Eltern ganz andere Sorgen bereiten.«
»Wir sind ja auch zufrieden, aber andere meckern halt so oft über ›diese Jugend‹.«
»Omi sagt aber, daß sie auch nicht anders waren. Die meisten täten es nur vergessen«, gab Nina ihren Kommentar dazu.
So verschwollen und zerkratzt ihr niedliches Gesichtchen auch war, sie konnte schon wieder lächeln, und es machte ihr auch nichts aus, daß Dr. Norden die Wunde an der Stirn klammern mußte.
So hatte der Nachmittag begonnen, und es war dann so viel zu tun, daß Daniel Norden den Brief ganz vergessen hatte. Fee erinnerte ihn wieder daran, als er heimkam. Da war es auch schon acht Uhr, weil er noch einige Hausbesuche hatte machen müssen.
Sie fiel nicht mit der Tür ins Haus, so neugierig sie auch war. Sie ließ ihn erst in Ruhe essen, nachdem er den Kindern gute Nacht gesagt hatte.
Aber dann fragte sie doch, von wem der Brief sei. »Welcher Brief?« fragte er.
»Liebe Güte, du hast ihn doch mitgenommen und wolltest ihn lesen.«
»Du hast ihn mir aufgedrängt«, meinte er schmunzelnd, »und du wüßtest längst, von wem er ist, wenn du ihn gelesen hättest. Ich hatte ihn schon wieder vergessen.«
»Und wo ist er, Daniel?«
»Sicher noch in meiner Jackentasche.«
»Es könnte doch auch was Wichtiges sein«, meinte Fee vorwurfsvoll. Sie hatte sich schon erhoben, um ihn zu holen.
»Für