Butler Parker Paket 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
versuchen würde, sich in den Besitz seiner Verlobten zu setzen. Helen Manners, die schöne Helena, bedeute immerhin 100 000 Dollar. Soviel Geld ließ Fielding sich bestimmt nicht entgehen.
Seine Taktik, die wohl aus einem gewissen Zwang heraus geboren worden war, lag eindeutig auf der Hand. Gewiß, er würde nach seiner Hochzeit mit Helen Manners viel Geld bekommen, doch wußte er mit letzter Sicherheit, ob es dazu überhaupt kam? Fielding brauchte Geld, und zwar unmittelbar und sofort. Brachte er Helen in seinen Besitz, konnte er sofort 100 000 Dollar kassieren. Es war selbstverständlich, daß Helen und ihr Väter dann nicht wissen durften, daß er, Larry Fielding, hinter diesem Kidnapping stand.
Nachdem Fielding und sein Partner Halters bisher nichts erreicht hatten, nachdem Helen nun im Grunde leicht zu erreichen war, würde Fielding sich beeilen, den Entführungsversuch zu wiederholen.
Diesmal aber mußte Fielding seine Reserve verlassen. Halters lag im Spital, Lovell war erschossen, und Hank und Mel, die beiden Mitarbeiter von Halters, hatten sich abgesetzt. Hielten sie sich überhaupt noch hier in der Gegend auf? Hatten sie es nicht vorgezogen, einen anderen Bundesstaat aufzusuchen? Parker war gespannt, wie Fielding vorgehen würde. Er mußte alles daransetzen, daß Helen niemals erfuhr, von wem sie entführt worden war.
Parkers Ohren registrierten in diesem Stadium seiner Überlegungen ein anschwellendes Sirren, das irgendwie unheimlich wirkte. Zuerst dachte er an einen hochtourigen Außenborder, der mit Höchstgeschwindigkeit die Bay befuhr. Dann, für einen kurzen Moment, glaubte er an einen Wagen. Dann aber, ehrlich überrascht, nahm er das Moskitogeschwader zur Kenntnis, das aus der langsam aufsteigenden Dunkelheit heraus zu einem Frontalangriff ansetzte.
Parker setzte sich zur Wehr.
Er sog an seiner schwarzen Zigarre, die von seinem jungen Herrn stets gemieden wurde. Dann genoß er einen kurzen Moment das feine Aroma und blies den Rauch zentral in die Formation hinein.
Der Erfolg war frappierend.
Die Geschwaderführung wurde voll erwischt, verlor augenblicklich die Orientierung und hatte mit Luftschwierigkeiten zu kämpfen. Bevor entsprechende Anweisungen an die Mitmoskitos gegeben werden konnten, züngelte weiterer Zigarrenqualm in dos Geschwader hinein, das daraufhin sofort in große Unordnung geriet.
Es gab die ersten Abstürze und Bauchlandungen. Die verwirrten Moskitos prallten mit ihren sirrenden Flügeln gegeneinander und behinderten sich. Nachdem Parker zum dritten Mal eine Dosis Zigarrenrauch ausgestoßen hatte, drehte, das bereits heftig dezimierte Geschwader ab und sirrte völlig verwirrt zum Brackwasser zurück.
Die beiden übrigen Geschwader, die nicht mehr gewarnt werden konnten, flogen ahnungslos und direkt in eine Abwehrfront, die Parker mittels dicker Qualmwolken aufrichtete.
Auch hier tat sich Fürchterliches.
Die beiden Moskitogeschwader flogen in die Rauchfalle. Die Angreifer wurden auseinandergerissen, kollidierten und stürzten reihenweise ins Wasser, wo interessierte Fische bereite ungeduldig warteten. Kurz, nach wenigen Sekunden war der Angriffsplan gebrochen. Die Moskitos traten taumelnd und unsicher den Rückflug an und waren sich klar darüber, daß ihnen so etwas noch nie passiert war.
Parker hatte das überhaupt nicht mitbekommen.
Er rauchte genußvoll, blies den Zigarrenrauch verteilt in die Dämmerung hinein und beschäftigte sich wieder mit seinem Problem. Er hatte nicht die geringste Ahnung, daß er gerade eine Luftschlacht eindeutig gewonnen hatte.
Plötzlich beugte er sich etwas vor.
Aus dem kleinen Kofferradio, das nicht größer war als eine Zigarettenschachtel, kam ein feines Piepsen. Dieses Spezialgerät kündigte heimlichen Besuch an. Es übernahm und verstärkte die Impulse von kleinen kirschgroßen Mikrosendern, die der Butler um das Fischerhaus herum verteilt hatte.
Der Fall der „Schönen Helena“ trat somit in ein entscheidendes Stadium!
*
Parker begab sich nach unten in die erste Kabine.
Helen Mannes lag in einer der beiden Kojen. Sie schlief, was übrigens kein Wunder war. Sie schlief sogar tief und fest und merkte überhaupt nicht, daß sie besucht wurde. Was ebenfalls kein Wunder war, denn Parker hatte Mir sicherheitshalber ein leichtes, harmloses Schlafmittel in den abendlichen Tee gemischt.
Der Butler öffnete seinen Spezialkoffer und zog eine kleine Stahlflasche hervor. Über die schlanke Spitze dieser Stahlflasche, die nicht größer war als eine kleine Spraydose stülpte er eine Art Handschuh. Er drehte den Verschluß der Flasche auf und nickte andeutungsweise, als ein feines, hohes Zischen zu vernehmen war. Der Handschuh füllte sich augenblicklich mit Treibgas und weitete sich innerhalb weniger Sekunden zu einer Figur aus, die der eines Menschen in Größe und Breite völlig entsprach. Diese Figur war bereits voll bekleidet. Auf dem gummierten Stoff war ein schwarzer Zweireiher aufgemalt. Im Dämmerlicht des Tages sah diese Gummigestalt wie Parker aus. Die Übereinstimmung war verblüffend. Selbst die schwarze Melone fehlte nicht.
Parker trug diese Gestalt über den Niedergang hinauf an Deck und stellte sie geschickt auf. Vom nahen Ufer und Fischerhaus aus mußte man den Eindruck gewinnen, daß ein Mann namens Josuah Parker auf den oberen Stufen des Niedergangs stand und das Ufer beobachtete.
Parker selbst blieb nicht an Bord.
Er hatte die Deckstühle und den Tisch so geschickt aufgestellt, daß er ungeniert von Bord gehen konnte. Natürlich von der Seite, die dem Steg abgewendet war. Der Butler stieg in ein kleines Schlauchboot über und tauchte das Stechpaddel ins Wasser. Dann paddelte er kraftvoll, lautlos und geschickt auf einen Baumstamm zu, der quer im Wasser lag. Das noch dichte, gut erhaltene Geäst schuf eine erstklassige Tarnung. Er kam so ungesehen ans Ufer und baute sich hier interessiert auf.
Lange brauchte er nicht zu warten.
Das kleine Empfangsgerät in seiner Jackettasche zirpte und piepte wie ein kleiner munterer Vogel. Der oder die Besucher waren bereits erheblich näher gekommen. Jetzt mußte sich bald zeigen, um welche Zaungäste es sich da handelte …
*
Fielding hatte den Butler ausgemacht. Der Verlobte der ,Schönen Helena‘ stand an der Ecke des kleinen Fischerhauses und beobachtete seinen Gegner. Fielding hielt ein Gewehr in der Hand, auf das er ein Zielfernrohr geschraubt hatte.
Er grinste unverhohlen.
Genau so hatte er sich das hier in der Nähe des Leuchtturms vorgestellt. Parker bewachte seine Verlobte, aber er ahnte natürlich nicht, daß er gleich ins Fadenkreuz seines Zielfernrohrs wandern würde.
Fielding zögerte nicht lange. Er wollte gewisse Dinge so schnell wie möglich hinter sich bringen. Für sein Gefühl wurde es höchste Zeit, 100 000 Dollar in die Hand zu bekommen. Dazu mußte er Helen in seine Hand bringen. Nur auf diesem Umweg ließen sich gewisse Dinge auch für die Zukunft regeln.
Fielding hatte sich für seinen nächtlichen Ausflug zurechtgemacht. Er trug im Gegensatz zu seiner sonstigen, teuren, wenn auch auf Pump gekauften Kleidung Räuberzivil. Um seinen Hals lag ein abgeschnittener Nylonstrumpf, den er sich in dem Moment über das Gesicht ziehen wollte, wenn er seiner Braut gegenüberstand. In seiner Tasche befand sich in einer Blechdose eine zwar alte, aber noch gebrauchsfähige Rekordspritze. Der Inhalt dieser Spritze reichte aus, Helen für wenigstens einen Tag in Tiefschlaf fallen zu lassen.
Fielding hob das Gewehr und ließ sein Ziel ins Fadenkreuz wandern. Er nahm sich Zeit und überhastete nichts. Der erste Schuß mußte bereits zu einem tödlichen Treffer werden. Er traute diesem Butler Parker nicht über den Weg. Er wußte inzwischen, wie listenreich und gefährlich dieser Mann war.
Es war soweit!
Fielding nahm Druckpunkt, korrigierte ein wenig die Seite … zog den Stecher sanft durch. Das Gewehr bäumte sich in seinen Händen auf. Peitschend kam der Schuß aus dem Lauf. Und verwandelte sich in Sekundenbruchteilen in einen lauten, explosionsartigen Knall. Was durchaus verständlich war, da Josuah Parkers Zweitausgabe auseinandergeplatzt war.
*
Im