Der exzellente Butler Parker 23 – Kriminalroman. Günter Dönges
angereiste Quartett mit strahlendem Lächeln. »Gerade heute morgen haben wir das Grab geöffnet.«
Kevin deutete auf eine Art Kellerschacht, neben dem eine tonnenschwere, rechteckig behauene Steinplatte lag. Stufen führten in die schwarze Tiefe.
»Darf man vermuten, daß die Hoffnungen, die Sie in diese Grabung setzten, sich erfüllt haben, Mister Myrtle?« erkundigte sich Parker.
»Sie sind sogar noch übertroffen worden«, erwiderte Myrtle überglücklich. »Ein keltisches Fürstengrab mit derart reichen Beigaben wurde bisher nicht mal auf dem Kontinent gefunden.«
»Gratuliere, Kevin«, ließ Rander sich vernehmen. »Dann wird dein Name wohl in die Geschichte der Archäologie eingehen.«
»Darum geht es ja gar nicht, Mike«, entgegnete der junge Wissenschaftler bescheiden. »Aber die Funde werden die Forschung wieder ein wichtiges Stück voranbringen – abgesehen von den unermeßlichen Werten, die zu den Prunkstücken des Britischen Museums zählen werden.«
»Und was für Werte sind das, junger Mann?« fragte Agatha Simpson mit deutlichem Interesse.
»Neben einem ganzen Arsenal von Schmuck- und Gebrauchsgegenständen enthält die Grabkammer eine Art fahrbare Liege, auf der der Tote bestattet wurde«, gab, Myrtle die gewünschte Auskunft. »Diese Liege ist die eigentliche Sensation.«
»Und warum ist das Ding so wertvoll?« bohrte Mylady hartnäckig weiter.
»Im Gegensatz zu ähnlichen Funden auf dem Festland, die in Bronze gearbeitet sind, handelt es sich in diesem Fall um pures Gold, Mylady«, antwortete ihr Gegenüber. »Dadurch haben sich die Ornamente und figürlichen Darstellungen perfekt erhalten. Sie werden beeindruckt sein, wenn Sie das Prachtstück sehen.«
»Demnach muß es sich um einen besonders mächtigen Fürsten gehandelt haben«, warf Kathy Porter ein, und Myrtle nickte.
»Das war mir, allerdings schon gestern klar, Kindchen«, behauptete Agatha Simpson postwendend. »Wie heißt der Mann denn eigentlich, Mister Turtle?«
»Verzeihung Mylady«, korrigierte der Archäologe. »Mein Name ist Myrtle. Kevin Myrtle.«
»Ich weiß, junger Mann«, schob die ältere Dame den Einwurf souverän beiseite. »Ich habe Sie ja auch nicht nach Ihrem Namen gefragt, sondern nach dem des Fürsten, der hier begraben wurde.«
»Den Namen des Mannes werden wir wohl nie erfahren«, meinte Myrtle. »Das liegt daran, daß die Kelten keinerlei schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen haben.«
»Das ist aber sehr bedauerlich, junger Mann«, stellte Agatha Simpson enttäuscht fest.
»Warum ist der Name denn so wichtig, Mylady?« erkundigte sich Myrtle halb erstaunt, halb belustigt.
»Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen meiner Urahnen, junger Mann«, begründete Lady Agatha ihr spezielles Interesse. »Da muß ich doch wenigstens wissen, wie er heißt.«
»Ihr Urahn?« wiederholte der Wissenschaftler schmunzelnd. Er schien Myladys Antwort für einen Scherz zu halten.
»Jedermann weiß, daß mein Stammbaum bis auf Wilhelm den Eroberer zurückgeht«, erwiderte die Detektivin selbstbewußt. »Aber ich habe Grund zu der Annahme, daß auch keltisches Blut in meinen Adern fließt.«
»Das ist natürlich nicht auszuschließen, Mylady«, schickte Myrtle voraus. »Aber dieses Grab wurde schätzungsweise zwölfhundert Jahre vor der normannischen Invasion angelegt. Verwandtschaftliche Linien über einen solchen Zeitraum zurückzuverfolgen, dürfte sich als unmöglich erweisen – schon wegen der fehlenden Schrift, wie ich eben erklärte.«
»Aber wenn sich beweisen ließe, was für mich zweifelsfrei feststeht, wäre ich die rechtmäßige Erbin«, beharrte Lady Agatha. »Dann wäre der goldene Wagen mein Eigentum, junger Mann.«
»Eine solche Frage hat sich noch bei keiner Ausgrabung ergeben, Mylady«, antwortete Myrtle, der immer noch nicht wußte, ob er die Äußerungen der älteren Dame für bare Münze nehmen sollte. »Da würden sich die Juristen die Köpfe heißreden. Aber Sie wären jedenfalls nicht die erste, die Ansprüche auf diesen Fund anmeldet.«
Myladys Miene verfinsterte sich schlagartig. »Wie habe ich das zu verstehen, Mister Purple?« erkundigte sie sich lauernd.
»Der Bauer, dem dieses Feld hier gehört, geht mir schon seit Beginn der Grabungen auf die Nerven«, teilte der Wissenschaftler mit. »Er will sich mit den üblichen Entschädigungssätzen nicht zufriedengeben, sondern fordert eine prozentuale Beteiligung am Wert des Fundes.«
»Da hat er juristisch aber schlechte Karten«, merkte Anwalt Mike Rander an. »Die Gesetze sprechen eindeutig gegen den Mann.«
»Ich weiß, Mike«, nickte Myrtle. »Aber der Mann ist ein Dickschädel, wie das bei Bauern schon mal vorkommt.«
»Wäre es denn unter Umständen möglich, die Grabkammer mit den Fundstücken in Augenschein zu nehmen, Mister Myrtle?« gab Parker dem Gespräch eine Wende.
»Heute leider noch nicht«, entgegnete der Archäologe. »Wir sind gerade dabei, die Decke abzustützen und Berge von Schutt wegzuräumen. Die beste Gelegenheit wäre am nächsten Montag, wenn wir den Totenwagen ans Tageslicht bringen und ins Museum schaffen wollen.«
»Kann und muß man Ihre Äußerung so verstehen, daß die Fundgegenstände über das Wochenende in der geöffneten Grabkammer verbleiben, Mister Myrtle?« erkundigte sich der Butler.
»Das geht nicht anders, Mister Parker«, erwiderte der Wissenschaftler. »Aber ich habe natürlich ein Bewachungsunternehmen engagiert, das die Schätze hüten wird.«
»Darf man möglicherweise davon ausgehen, daß das erwähnte Unternehmen Ihnen aus regelmäßiger Zusammenarbeit bekannt ist?« wollte der Butler wissen.
»Leider nicht, Mister Parker«, bekannte Myrtle. »Wie Sie vielleicht wissen, sind wir im Staatsdienst gehalten, das preisgünstigste Angebot zu nehmen. In diesem Fall war es die Firma eines gewissen Tim Waller aus Stepney.«
»Dann kann man nur hoffen, daß das genannte Unternehmen seiner Aufgabe gewachsen ist, Mister Myrtle«, sagte der Butler. »Ein gewisses Interesse an ihren Funden dürfte durchaus vorhanden sein. Und dabei dürfte es sich um alles andere als wissenschaftliches Interesse handeln, falls man sich nicht gründlich irrt.«
»Wie meinen Sie das, Mister Parker?« fragte der Archäologe irritiert.
In wenigen Sätzen berichtete der Butler von der Begegnung während der Herfahrt.
»Mit den Männern habe ich vor einer halben Stunde gesprochen«, teilte Myrtle mit. »Sie stellten sich als Zeitungsreporter vor. Glauben Sie, daß es sich um Kriminelle handeln könnte?«
»Diese Möglichkeit sollte man zumindest nicht ausschließen, Mister Myrtle«, urteilte Parker.
»Selbstverständlich handelte es sich um Gangster«, schaltete sich die passionierte Detektivin ein. »In dieser Hinsicht ist mein Instinkt untrüglich. Leider mußte ich die Lümmel nach eingehender Belehrung laufenlassen, weil noch nichts gegen sie vorlag.«
»Um Himmels willen! Da kommt er ja schon wieder!« rief Myrtle in diesem Moment. »Bin gespannt, was er heute auf Lager hat.«
Auch Josuah Parker hatte das gleichmäßige Tuckern eines Treckers vernommen. Das hochrädrige Gefährt tauchte aus einem Hohlweg auf und rollte direkt auf die Fünfergruppe zu.
»Das ist Gerald Rodney, dem das Land hier gehört«, informierte Myrtle seine Besucher, bevor der Traktor zum Stehen kam.
Auch Myrtles Studenten, die mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt waren, hatten die Ankunft des Bauern bemerkt. Sie unterbrachen ihre Tätigkeit und sahen erwartungsvoll herüber.
Rodney, ein stämmiger Mittfünfziger mit schwarzem Haarschopf und rosigen Pausbacken, nahm sich keine Zeit, von seinem Gefährt herunterzuklettern und die Anwesenden zu begrüßen.
»Jetzt