Butler Parker Box 12 – Kriminalroman. Günter Dönges
meine Augen mich nicht täuschen, müssen Sie das Opfer eines technischen Versagens geworden sein.«
Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum verlassen und stand neben dem jungen Mann in weißer Smokingjacke, der gerade dabei war, das rechte hintere Wagenrad auszuwechseln.
Der junge Mann mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein, war mittelgroß, schlank und richtete sich jetzt überrascht auf. Er hatte den näher kommenden Josuah Parker nicht bemerkt.
»Wie … wie bitte?« fragte er und legte unverkennbar eine gewisse Nervosität an den Tag, obwohl es eigentlich bereits auf zweiundzwanzig Uhr ging.
»Ich hatte mir erlaubt, Ihnen meine bescheidene Hilfe anzubieten«, wiederholte der Butler.
»Ja, schon gut!« Die Nervosität des jungen Mannes steigerte sich noch. »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Weiterfahrt«, sagte Parker, lüftete die schwarze Melone erneut und wollte sich abwenden. Genau in diesem Augenblick hörte er eine Stimme hinter sich, die eindeutig einer Frau gehörte.
»Hallo, Sir … Hallo!«
»Madam?« Parker wandte sich dem Buick zu und lüftete zum drittenmal die schwarze Melone. Aus dem Buick war eine junge Frau von knapp zwanzig Jahren ausgestiegen und winkte ihm zu.
»Ich stehe zu Diensten«, bot Parker wiederum und unverdrossen seine Hilfe an.
Der junge Mann in der weißen Smokingjacke redete schnell auf die junge Frau ein und schien sie umstimmen zu wollen. Doch sie schüttelte energisch den Kopf und kam auf Parker zu.
»Würden Sie mich ein Stück mitnehmen?« fragte sie.
»Es wird mir eine Ehre sein, Madam«, sagte Parker und deutete dabei auf sein Monstrum, »verfügen Sie über meinen bescheidenen Wagen.«
»Aber Hazel… Ich bin doch gleich soweit.« Der junge Mann stand neben der jungen Dame und beherrschte sich offensichtlich nur mühsam.
»Du kannst ja nachkommen«, sagte Hazel. »Ich möchte auf jeden Fall nicht zu spät sein. Bis gleich!«
Teddy schien sich sehr zu ärgern und wollte seine Begleiterin zurückhalten.
»Fahren wir«, sagte sie, »ich habe keine Lust, noch länger in der Nacht herumzusitzen.«
Parker warf einen kurzen Blick auf Teddy, der bereits zurück zu seinem Buick ging und sich dabei eine Zigarette anzündete. Seine Absicht, den Reifen zu wechseln, schien er vorerst aufgegeben zu haben.
Hazel, die lackschwarzes, schulterlanges Haar besaß, durchaus pikant aussah und ein großzügig dekolletiertes Cocktailkleid trug, stieg etwas amüsiert in Parkers Wagen und nahm auf dem Rücksitz Platz.
»Sie sind Butler?« Während sie fragte, beugte sie sich etwas vor und winkte Teddy zu, der ihren Gruß entweder nicht bemerkte oder aber nicht zurückgrüßen wollte.
»Sehr wohl, Madam«, bestätigte Parker, »darf ich übrigens fragen, wohin zu fahren Sie gedachten?«
Sie nannte ihm eine Adresse, die Parker wiederholte.
»Ein Seitental ganz in der Nähe«, fuhr sie fort, »wir sind dort zu einer Party eingeladen …«
»Wenn Sie erlauben, Madam, werde ich Sie dorthinfahren«, sagte der Butler, »diesen kleinen Umweg werde ich mit Vergnügen in Kauf nehmen.«
»Schrecklich nett von Ihnen«, erwiderte Hazel, »ich fürchte, ich bin ohnehin schon zu spät…«
Sie schwieg einen Moment und redete dann weiter. Sie schien keine Minute lang ruhig bleiben zu können.
»Sie müssen wissen, daß es für mich eine sehr wichtige Party ist. Filmleute, Manager vom Fernsehen … Theaterproduzenten … Es ist nicht leicht, eine Chance zu bekommen.«
»Madam sind Künstlerin?« erkundigte sich Parker.
»Schauspielerin«, antwortete sie.
»Ich möchte mir erlauben, Madam viel Glück zu wünschen.«
»Glück! Das ist genau das, was ich brauche!« Sie seufzte. »Man kann sich anstrengen, wie man will, ohne Glück geht es einfach nicht. Schon gar nicht in meiner Branche.«
Sie plapperte und redete. Sie hatte nicht sonderlich viel Hemmungen, und sie erwies sich als naiv. Und sie merkte nicht, daß Parker die Schnellstraße längst verlassen hätte, und bereits im angegebenen Seitental war. Er verlangsamte das Tempo und suchte nach der Hausnummer, von der sie gesprochen hatte.
»Was ist denn?« fragte sie, als Parker plötzlich sein hochbeiniges Monstrum stoppte.
»Ich möchte melden, Madam, daß das gewünschte Ziel erreicht ist. Allerdings scheint mir, daß jenseits der Mauer wohl kaum eine Party stattfindet. Haus und umgebendes Grundstück machen einen ausgesprochen verlassenen Eindruck.«
Sie richtete sich auf und sah zur mannshohen Ziegelmauer, deren Kalkanstrich im Mondlicht seltsam bleich glänzte. Sie sah durch das reich verschnörkelte Gittertor hinüber zum Haus, von dem allerdings nur ein kleiner Teil zu sehen war.
Dieses Haus war nicht erleuchtet. In den Fenstern spiegelte sich nur das Mondlicht. Weder Stimmen noch Musik waren zu vernehmen.
»Sind Sie sicher, daß wir richtig sind?« fragte sie nervös.
»Vollkommen sicher, Madam, falls Sie mir die richtige Adresse nannten.«
Sie wiederholte sie noch einmal, und Parker nickte zustimmend.
»Demnach, Madam, müßte es hier sein. Wenn Sie gestatten, werde ich mich hinausbemühen und die Dinge in einen etwas näheren Augenschein nehmen.«
Parker verließ sein hochbeiniges Monstrum und ging hinüber zum Parktor. Nun konnte er das Haus voll überblicken. Auch hier kein Licht, keine Stimmen, keine Musik …
Parker ging zum rechten Torpfosten und legte seinen schwarz behandschuhten rechten Zeigefinger sehr nachdrücklich auf die Klingel. Obwohl er diese Tätigkeit noch verschiedentlich wiederholte, blieb das Tormikrofon stumm.
»Mir scheint, Madam, daß hier ein Irrtum vorliegt«, sagte Parker, der zurück zu der jungen Dame gekommen war, die inzwischen den Wagen verlassen hatte und nervös eine Zigarette rauchte.
»Bitte, tun Sie mir einen Gefallen«, sagte sie.
»Ich stehe, wie ich bereits sagte, Madam, zu Ihrer Verfügung.«
»Bringen Sie mich zurück zu Mister Colman! Sie wissen, meinen Begleiter.«
Während Parker zurückfuhr, hatte er das, was der Volksmund ein eigenartiges Gefühl in der Magengegend genannt hätte. Er rechnete zumindest mit einer kleinen Überraschung …
»Falls meine Augen mich erneut nicht betrügen, Madam, scheint Ihr Begleiter den Wagen verlassen zu haben.«
Parker hatte den Buick erreicht und stieg aus. Er half der jungen Dame heraus und ging mit ihr hinüber zum Wagen, dessen platter Reifen noch immer nicht ausgewechselt worden war.
»Vielleicht holt Teddy Hilfe«, meinte Hazel Sharon und strich sich das lackschwarze Haar aus der Stirn.
»Wenn Sie möchten, Madam, werde ich gern zusammen mit Ihnen warten.«
Sie sah ihn unsicher an, schaute die dunkle und einsame Straße hinunter und schüttelte dann den Kopf.
»Lieber nicht«, meinte sie, »hier ist es mir nun doch zu unheimlich, Mister Parker. Ich würde gern zurück in mein Apartment fahren.«
»Sie brauchen erneut nur über meine bescheidene Wenigkeit zu verfügen.«
Bevor Parker zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum ging, untersuchte er den Buick. Hazel Sharon erklärte er, er suche nach einer eventuellen Nachricht ihres Begleiters.
So sehr Josuah Parker sich aber bemühte, er fand nicht den geringsten Hinweis. Teddy Colman, wie er hieß, schien es sogar darauf angelegt zu haben, keine Spuren zu hinterlassen. Der Wagen war säuberlich ausgeräumt worden.