Allein am Stony Creek / Schutzlos am Red Mountain. Christopher Ross
Beziehung beklagte. Er musste das Sagen haben, sonst wurde er patzig und drehte durch.
Morrison fuhr in den Hof einer großen Snowmobil-Niederlassung und parkte vor dem Container-Büro. Ein junger Mann trat heraus und begrüßte ihn mit der übertriebenen Freundlichkeit eines Verkäufers. Julie parkte auf der anderen Straßenseite, weit genug entfernt, um nicht entdeckt zu werden.
Nach einer Weile wurde offensichtlich, dass Morrison sein Snowmobil in Zahlung geben und ein neues anzahlen wollte. Julie beobachtete geduldig, wie der Verkäufer die alte Maschine betrachtete, längere Zeit über den Preis feilschte und Morrison dann mehrere neue Snowmobile vorführte. Der war mürrisch wie immer und hatte anscheinend nicht vor, mehr zu bezahlen, als unbedingt nötig war. Ein blau-weißes Snowmobil gefiel ihm am besten.
Julie griff nach ihrem Handy und rief Ranger Erhart an. Obwohl die Männer sie nicht hören konnten, sprach sie mit gedämpfter Stimme. Sie berichtete ihm, wo sie sich befand und was Hector Morrison vorhatte. »Ich glaube, er hat es auf eine Maschine mit einem dieser neuen Flüstermotoren abgesehen«, fuhr sie fort. Selbst aus der Ferne bemerkte sie, dass er sich für die neuen, sehr viel teureren Modelle interessierte. »Er hofft wohl, dass wir ihn dann nicht so leicht ausmachen. Wir sind ihm wohl zu nahe gekommen.«
»Ein gutes Zeichen«, erwiderte der Polizeichef, »er wird nervös. Wenn der wüsste, dass diese Flüstermotoren auch nicht viel leiser sind. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis er einen Fehler begeht. In spätestens einem Monat sitzt er hinter Gittern.« Erhart kaute anscheinend auf seiner kalten Zigarre herum. »Bleiben Sie an ihm dran, bis er die Stadt verlässt. Ich fahre Ihnen entgegen und übernehme ihn. Und dann nehmen Sie sich den Abend frei. Wenn Sie schon in Fairbanks sind … Ich habe mit dem Super und auch mit Carol gesprochen. Sie sind einhellig der Meinung, dass Sie sich einen freien Abend verdient haben.«
Sie hätte am liebsten erzählt, dass sie ein nerviges Telefonat mit Josh hinter sich hatte und nicht gerade in der Stimmung war, in eine Bar oder einen Club zu gehen, aber Erhart hatte sich so nett für sie eingesetzt, da wollte sie ihm den Spaß nicht verderben. »Vielen Dank. Das ist sehr nett, Sir.«
Doch zuerst wollte sie Morrison weiter beschatten und herausfinden, ob er sich durch irgendetwas verriet, ihr einen handfesten Beweis dafür lieferte, dass er der gesuchte Wilderer war. Die Absicht, sich eines der neuen, leiseren Snowmobile zu kaufen, war vielleicht ein Indiz dafür, würde aber keine Jury und keinen Richter überzeugen. Viele Leute kauften mittlerweile die brandneuen, leiseren Modelle.
Julie zog den Reißverschluss ihres Anoraks nach oben. Es war kalt geworden, und sie fror erbärmlich. Wenn man sich kaum bewegen konnte, spürte man die Kälte doppelt. Über eine Stunde brauchten Morrison und der Verkäufer, um sich zu einigen und den Vertrag zu unterschreiben, während zwei Angestellte das alte Snowmobil von der Ladefläche des Pick-ups wuchteten und gegen das neue austauschten, die blau-weiße Maschine mit dem Flüstermotor.
Julie war froh, als der Fallensteller in seinen Wagen stieg und mit seinem neuen Snowmobil davonfuhr. Auf dem Weg zum Stadtrand hielt er vor einem Waffengeschäft und ging hinein. Durch ihr Fernglas und im Schein der Neonbeleuchtung beobachtete sie, wie der Verkäufer ihm einige Pfeile zeigte und er sorgsam die Metallspitzen betastete. Ein weiteres Indiz, das zumindest bewies, dass Hector Morrison so oft mit Pfeil und Bogen auf die Jagd ging, dass sich die Pfeile abnutzten und er neue brauchte. Auch damit würde man vor Gericht nicht gegen ihn durchkommen. »Mein Klient ist Sportschütze«, würde sein Anwalt sagen, »er trainiert regelmäßig.«
Ranger Erhart war der gleichen Meinung, als Julie ihn noch mal anrief und über den Kauf des Fallenstellers informierte. »Das reicht noch nicht«, sagte er, »aber machen Sie sich keine Sorgen. Wir erwischen ihn … ganz bestimmt.«
9
»Hey! Und ich dachte, du wärst mit einem reichen Playboy nach Hawaii durchgebrannt«, begrüßte Brandy sie am Telefon. Ihre Freundin war begeistert, sie endlich mal wieder treffen zu können, schränkte jedoch ein: »Muss aber gleich sein. Um acht hab ich ein Date mit meinem neuen Traummann.«
Sie verabredeten sich im Starbucks an der College Road und umarmten sich lachend, als sie gleichzeitig die Coffee Bar erreichten. Brandy sah aus wie immer, kleiner und etwas runder als Julie, knallrote Haare und ein fröhliches Glitzern in den Augen, das viele Männer für unwiderstehlich hielten. Sie trug Jeans und einen pinkfarbenen Anorak mit weißem Kunstpelz.
»Du hast deinen Traummann getroffen?«, fragte Julie, nachdem sie sich mit zwei Caffè Lattes in eine gemütliche Ecke zurückgezogen hatten. »Schon wieder? Hattest du dir nicht vor drei Wochen schon einen edlen Ritter angelacht?«
Brandy winkte ab. »Ach, der war doch nichts. Bei dem quietschte schon die Rüstung, wenn du weißt, was ich meine. Howie ist ganz anders. Der ist fantastisch. Ein Investmentbanker, ob du’s glaubst oder nicht. Einer dieser aalglatten Börsentypen, die tagtäglich mit Aktienkursen um sich werfen.«
»Aber?«
»Aber so heiß! Du glaubst es nicht. Wenn ich den in seinem schicken Anzug sehe, gehen bei mir schon alle Lichter an. Einfach sensationell! Dazu dieses teure Aftershave und … also, ich hätte nie gedacht, dass mich so einer mal anturnt, aber Howie ist einfach überirdisch.« Sie nippte an ihrem Caffè Latte und fügte mit gedämpfter Stimme hinzu: »Von seinen Fähigkeiten beim … na, du weißt schon … ganz zu schweigen. So hat mich noch kein Mann geküsst, ehrlich. Und dann seine braunen Augen …« Sie sah, dass Julie grinste, und legte den Kopf schief. »Du glaubst mir nicht, was?«
»So hast du von deinem edlen Ritter auch geschwärmt«, erwiderte Julie, immer noch grinsend. Brandy prahlte alle paar Wochen mit einem neuen Lover und hielt sich für eine Expertin in Liebesdingen. »Und einen Banker hättest du früher nicht mit spitzen Fingern angefasst. Was ist los?«
Brandy ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Abwechslung tut not. Die Jungs, die mir sonst über den Weg gelaufen sind, wurden mir zu langweilig.«
»Ein Investmentbanker. Und jetzt gibt’s täglich Champagner?«
»Prosecco. Die Typen stehen auf so was.«
»Und du gehst mit auf diese langweiligen Partys?«
Brandy lachte. »Und ob. Du solltest mal sehen, was diese vornehmen Leute für Augen machen, wenn sie meine roten Haare sehen. Shocking, absolutely shocking! Dabei hat Howie mir die richtigen Klamotten besorgt. Das kleine Schwarze und so. Sieht richtig schick aus an mir, du glaubst es nicht.«
»Na, klar. Und in einem Jahr lebst du in einem Penthouse und bist eine Vorzeigefrau, die sich hauptsächlich auf Charity-Veranstaltungen herumtreibt. Tolle Aussichten. Glaubst du wirklich, die Sache mit dem schicken Banker hat Zukunft?«
»Wer spricht denn von der Zukunft?« Brandy tat so, als wäre es vollkommen absurd, darüber nachzudenken. »Ich brauche den Typ für ein paar Wochen, um mal auf andere Gedanken zu kommen. Zum Generalangriff auf die Zukunft bin ich nicht mutig genug. Aber du, nicht wahr? Was macht Josh?«
»Ich hab mit ihm Schluss gemacht.«
Ihre Freundin verschüttete vor Schreck beinahe ihren Kaffee und blickte sie ungläubig an. Dann begann sie zu grinsen. »Du hast ihm den Laufpass gegeben? Ich fasse es nicht. Endlich bist du mal über deinen Schatten gesprungen. Ich hatte schon Angst, du würdest nie von ihm loskommen. Der Typ ist ein unverbesserlicher Macho, das hab ich doch immer gesagt. Einer wie er glaubt doch, eine Frau hätte den ganzen Tag am Herd zu stehen und seine schmutzige Wäsche zu waschen.« Sie stutzte. »Hast du etwa einen anderen?«
»So schnell geht’s bei mir nicht. Was soll ich auch mit einem Mann? Ich hab doch gar keine Zeit. Bei uns ist den ganzen Tag was los, und wenn ich mich nicht anstrenge, kann ich die feste Anstellung in den Wind schreiben.«
Brandy löffelte Milchschaum von ihrem Caffè Latte und kicherte verschmitzt. »Wenn der Richtige kommt, hast du Zeit, wollen wir wetten?«
»Prince Charming auf einem weißen Pferd?«
»Vergiss den Gaul. Der Prinz genügt.«
Julie