Familie Dr. Norden 731 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Desi strahlend. »Mami wird sich freuen.«
»Papi ist aber nicht mehr da«, warf Jan ein.
»Das weiß ich schon. Wo ist Mami?«
»Auf der Terrasse. Sie liest Zeitung, aber sie freut sich, wenn du kommst«, meinte Desi.
Danny strich ihr über das lockige Haar. Sie wird immer hübscher, dachte er. Eines Tages wird sie auch den Männern den Kopf verdrehen. Aber dann kam ihm der Gedanke, daß Bianca zwar viele Blicke auf sich zog, aber im allgemeinen auch sehr kühl und abweisend wirkte.
»Hallo, Danny, nett, daß du kommst«, hieß Fee ihren Sohn willkommen. Er küßte sie auf die Schläfe und setzte sich zu ihr.
»Bianca mußte ihre Eltern vom Flugplatz abholen«, erklärte er. »Ich wollte sie eigentlich mitbringen. Sie ist sehr zurückhaltend.«
»Es wird sich schon mal eine Gelegenheit ergeben, sie kennenzulernen«, sagte Fee gleichmütig. »Falls sie länger in München bleibt.«
»Du meinst wohl eher, falls wir länger befreundet bleiben. Ich hoffe es, Mami, aber sie klammert nicht so wie andere Mädchen. Sie ist zwei Jahre älter als ich und studiert bereits im vierten Semester.«
»Dann scheint sie ja recht gescheit zu sein. Was studiert sie denn?«
»Volkswirtschaft und Informatik. Aber sie ist auch sonst sehr vielseitig interessiert.«
Fee war froh, daß er überhaupt von ihr erzählte, daß sie keine neugierigen Fragen stellen mußte.
»Die Hauptsache ist, daß du dich gut mit ihr verstehst«, meinte sie.
»Sie ist auch sehr attraktiv, aber keine zickige Modepuppe. Man kann ernsthafte Gespräche mit ihr führen. Ihre Eltern wohnen zur Zeit in Monte Carlo. Bianca hat noch nicht viel von ihnen gesprochen.«
Fee spürte, daß ihn etwas sehr beschäftigte. Ihr mütterlicher Instinkt meldete sich.
»Trefft ihr euch oft?« fragte sie nun doch.
»Nicht täglich, sie erledigt für ihren Vater auch einige Korrespondenz. Er ist an verschiedenen Gesellschaften beteiligt. Biancas Mutter ist Deutsche. Bianca spricht vier Sprachen fließend.«
»Du bewunderst sie«, stellte Fee fest.
»Ja, das auch«, erwiderte er ausweichend. »Ich respektiere sie, aber manchmal weiß ich nicht, was ich empfinde. Mein Studium ist mir sehr wichtig, und ich bin froh, daß ich in München einen Platz bekomme, wenn meine Noten entsprechend sind.«
»Daran zweifle ich nicht, Danny. Hoffentlich schneidet Bastian auch einigermaßen ab. Seine Mutter regt sich wirklich furchtbar auf.«
»Sie ist hysterisch, das macht ihm genug zu schaffen. Alles wäre okay, wenn er ein Einser-Abitur machen würde. Er tut mir leid, weil er sich wirklich bemüht. Tonia nimmt es leichter. Sie wäre gut für seine Psyche, sie mag ihn, aber seine Mutter macht das auch kaputt. Gibt es eigentlich viele solcher Mütter?«
»Es gibt genügend Mütter, die ihre Söhne an sich ketten wollen, bei Schorsch war es auch so. Aber es gibt auch genügend Väter, die ihre Töchter nicht loslassen wollen.«
»Aber warum? Ich verstehe das nicht.«
»Ich denke, daß Egoismus und auch Eifersucht dabei eine Rolle spielen. Allerdings gibt es auch Eltern, die froh sind, wenn ihre Kinder erwachsen sind und ihre eigenen Wege gehen, aber auch solche, die dann erwarten, daß sie im Alter von ihren Kindern versorgt und unterstützt werden. Die Menschen sind sehr verschieden, Danny.«
Er dachte nach. »Würdest du es billigen, wenn ich eine eigene Wohnung haben möchte?«
Das war die Frage, die sie in letzter Zeit selbst am meisten bewegt hatte. Es schmerzte sie, daran zu denken, aber sie zeigte es nicht. Sie wußte ja, daß der Tag kommen würde.
»Willst du jetzt schon eine Wohnung suchen?« fragte sie, sich zur Ruhe zwingend.
»Nicht sofort. Ich will auch nicht so bald heiraten, aber vielleicht möchte ich ja doch mal mit Bianca zusammenziehen. Habt ihr eigentlich schon zusammengelebt, bevor ihr endlich geheiratet habt?«
»Nein, ich war auf der Insel der Hoffnung und half Paps. Daniel hatte seine Praxis und wurde von Lenchen versorgt. Wir kannten uns ewig, aber es hat lange gedauert, bis es Liebe wurde.«
»Komisch, ich dachte, daß es bei euch Liebe auf den ersten Blick gewesen sei.«
Fee lachte leise. »Er kannte mich doch schon als kleines Mädchen und sah mich lange als solches. Aber irgendwann hat es dann gefunkt, obgleich einige Frauen hinter ihm her waren.«
»Und wie war es bei dir mit Männern?«
»Es hielt sich in Grenzen, Paps war auch wachsam. Ich glaube, insgeheim hoffte er längst, daß aus Daniel und mir ein Paar werden würde.«
»Wir können darüber sehr froh sein«, sagte Danny. »Ihr seid wundervolle Eltern.«
»Ich habe damals nicht gedacht, daß er ein so guter Vater werden würde.«
»Aber ein guter Arzt war er gleich.«
»Das kann man wohl sagen.«
*
Sogar Margit Fechner schätzte den Arzt Dr. Norden. Aber sie hätte auch gern solch einen Mann gehabt. Ihre Ehe war nicht so harmonisch gewesen, wie sie jetzt nach außenhin tat. Man mußte ja das Gesicht wahren und durfte Toten nichts Schlechtes nachsagen. Bastian wußte, welche Spannungen bestanden hatten. Es gefiel ihm nicht, daß seine Mutter jetzt alle Welt um sich selbst belog, weil es ihr auch nicht gefiel, eine alleinstehende Frau zu sein, denn Einladungen blieben aus.
Es gefiel ihr erst recht nicht, daß Bastian manchmal mit einem Mädchen zusammen war. Sie fand diese modernen Mädchen ganz schrecklich, ihr hätte es wirklich keine einzige recht machen können.
Aber jetzt jammerte sie Dr. Norden erst einmal vor, wie sehr sie sich um Bastian sorgte.
Ihm konnte sie keinen Nervenzusammenbruch vorgaukeln, er hatte sie gleich durchschaut und sehr energisch erklärt, sie solle sich nicht in so negative Vorstellungen hineinsteigern.
»Was hat er denn für eine Zukunft, wenn er das Abitur nicht besteht?« schluchzte sie.
»Warten Sie doch erst mal ab, wie er abschneidet.«
»Nur diese Mädchen wären schuld daran, daß er nicht intensiver gelernt hat«, erregte sie sich. »Was soll ich denn nur machen? Er hört nicht mehr auf mich.«
»Ich meine, daß Bastian sehr bemüht ist, Ihnen alles recht zu machen, Frau Fechner«, sagte Dr. Norden mahnend, »aber man
muß den jungen Leuten auch Freiheiten lassen. Ich habe nicht
vergessen, daß ich auch mal jung war, und meine Frau denkt ebenso.«
Margit Fechner setzte ihre Schmollmiene auf. »Niemand versteht mich«, klagte sie, »dabei will ich doch nur, daß Bastian eine gute berufliche Zukunft hat. Sie brauchen sich um Danny wirklich keine Sorgen zu machen. Er bringt ganz bestimmt ein Einser-Abitur heim.«
»Ihm ist das Lernen leichtgefallen, bei Felix geht es auch ein bißchen schwerer, aber ich bin überzeugt, daß Bastian seinen Weg machen wird.«
Allein schon deshalb, um bald unabhängig zu werden, dachte er für sich.
»Danny hat seine Freizeit auch mit Mädchen verbracht«, fuhr er fort, als Frau Fechner schweigend vor sich hinstarrte. »Er ist kein Streber und auch kein Musterknabe. Freuen Sie sich doch, daß Sie einen sehr anständigen Sohn haben. Andere Eltern müssen sich mit oft sehr schlimmen Dingen auseinandersetzen.«
»Sie meinen sicher Drogen und Alkohol. Es wäre mein Ende, wenn Bastian damit zu tun hätte.«
»Dann machen Sie sich und auch ihm das Herz nicht schwer mit negativen Gedanken.«
»Aber er sagte doch selbst, daß er kein gutes Gefühl hätte.«