Zärtliche Stunden in Rimini - Un Amore Italiano. Liza Moriani

Zärtliche Stunden in Rimini - Un Amore Italiano - Liza Moriani


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genug, selbst die ersten Schritte für deine Reise einzuleiten. Ich habe dann später alles Weitere organisiert.“

      Susanne schaute ihre Mutter nachdenklich an. „Für dich soll diese Reise ein kleiner Neuanfang werden und dich zugleich auch an die Vergangenheit erinnern. Papa hat mir gesagt, dass er auf keinen Fall möchte, dass du dich hier zu Hause nach seinem Tod in deiner Trauer um ihn verkriechst. Du hättest die letzten Jahre schon so viel auf dich genommen für ihn und auf so vieles verzichten müssen ...“

      „Aber das war doch selbstverständlich“, fiel dieses Mal Hella ihrer Tochter ins Wort. „Das waren doch keine Mühen für mich. Papa und ich haben uns doch einmal geschworen, dass wir in guten und in schlechten Tagen füreinander da sind. Wir hatten viele wunderschöne gemeinsame Jahre, für die ich ewig dankbar sein werde. Und selbst in den letzten drei Jahren hatten wir noch den ein oder anderen guten Tag, trotz seiner Krankheit.“

      „Das weiß ich doch, Mama. Papa wollte aber ganz bewusst, dass du nach seinem Tod den Weg zurück ins Leben findest. Du sollst die Jahre, die dir noch bleiben, genießen können. Er gönnt dir diese Freude und dieses Glück von ganzem Herzen. Genau das soll ich dir sagen. Das ist seine Botschaft für dich: Er möchte, dass du wieder lachen kannst und glücklich bist. Und deshalb hat er mit mir zusammen diese Reise organisiert. Sie ist sein letzter Gruß an dich, den ich dir in seinem Namen an Tag seiner Beerdigung überbringen soll.“

      Diese Worte bewegten Hella so sehr, dass sie in Tränen ausbrach. Natürlich hatte auch sie immer wieder mit Herbert über das Sterben und den Tod gesprochen, dass er dies aber auch so intensiv mit Susanne getan hatte, das hatte sie nicht gewusst und auch nicht mitbekommen. So waren ihr die Worte der Tochter nun umso mehr Trost in der schweren Stunde des Abschiednehmens.

      Eine Weile blickten sich Mutter und Tochter nur still an. Dann reichte Susanne ihrer Mutter den Umschlag. „In acht Wochen geht die Reise los. Das Busunternehmen fährt von Dortmund aus verschiedene Stationen im Ruhrgebiet an, um alle Reisenden einzusammeln. Am Hammer Busbahnhof geht es für dich los. Florian und ich werden dich natürlich an diesem Tag verabschieden.“

      Unzählige Tränen kullerten Hella bei diesen Worten über die Wangen. Sie nahm ihre Tochter fest in den Arm. „Vielen Dank, dir und Papa. Ich verspreche euch, dass ich das Beste aus Papas letztem Gruß machen werden.“

      ***

      Die acht Wochen bis zum Reiseantritt vergingen wie im Flug. Hella hatte sich natürlich über das Reiseunternehmen und die Trauerreise selbst informiert. Das Unternehmen veranstaltete diese Reisen schon seit einigen Jahren. Nicht zuletzt, um Hinterbliebenen eine Möglichkeit zum Gespräch zu bieten, denn auf jede Reise war ein ausgebildeter Trauerbegleiter mit von der Partie. Doch auch die Freude und das gemeinsame Miteinander sollten in den Tagen in Italien nicht zu kurz kommen.

      Je nachdem, in welche Stadt oder Region die Reise führte, standen zudem kulturelle Veranstaltungen, Restaurantbesuche und Wanderungen auf dem Programm. Florian hatte ihr auf seinem Laptop die Internetseite des Unternehmens geöffnet, die Hella intensiv studiert hatte. Dort war vermerkt gewesen, dass sowohl das Lachen als auch das Weinen Teil der Reise sein würden und sich jeder nur so in das Miteinander einbringen solle, wie es dem Stand seiner Trauerphase entsprach.

      Vieles von dem, was Hella im Internet gelesen hatte, war ihr bis dato fremd gewesen. Sie hatte noch zuvor nie etwas von Trauerreisen gehört und auch das Wort Trauerphase war ihr in ihrem Alltag bis dato nicht begegnet. Umso gespannter war sie auf all das, was ihr in Italien das erste Mal begegnen würde.

      Den Reiseunterlagen, die Susanne ihrer Mutter an Tag der Beerdigung übergeben hatte, lag auch eine ausführliche Broschüre für die Reise nach Rimini bei. Demnach standen ausgedehnte Strandspaziergänge auf dem Programm, ein Besuch Venedigs und wer mochte, konnte auch einen Besuch auf der Kinderbuchmesse in Bologna einplanen.

      „Das wäre doch etwas für mich“, hatte Hella gleich überlegt, als sie von dieser Messe gelesen hatte. Sie hatte in den vielen Tagen, in denen sie am Krankenbett ihres Mannes gewacht hatte, angefangen, Kurzgeschichten und Märchen zu schreiben, die sie in einer großen Kladde sammelte. Und in dieser Kladde hatten sich tatsächlich in den drei Jahren viele kurze und auch längere Geschichten zusammengefunden.

      Susanne hatte die Mutter schon mehrfach darin bestärkt, diese einmal einem Verlag zuzusenden. Doch diesen Mut hatte Hella bislang nicht gefunden. „Ich bin doch nur eine Hausfrau, die ein wenig ins Land der Fantasie reist“, hatte sie einmal zu Susanne gesagt. „Die Geschichten taugen für mich zur Unterhaltung, aber doch nicht für die Öffentlichkeit!“

      Susanne hatte das natürlich anders gesehen, ihre Mutter aber zu nichts drängen wollen. Als Hella ihr aber kurz vor Reiseantritt erzählte, dass sie sich gut vorstellen könne, mal zu dieser Kinderbuchmesse nach Bologna zu fahren, da hatte Susanne geschmunzelt und die Mutter in diesem Vorhaben nur bestärkt.

      *

      Fahrt nach Rimini

      „Mutti, wir müssen uns ein wenig beeilen“, rief Susanne jetzt aus dem Flur ins oberer Treppenhaus ihres Elternhauses. „Der Bus fährt in 45 Minuten vom Hammer Bahnhof aus los. Und ihr sollt alle mindestens eine Viertelstunde früher da sein.“

      „Bin schon fertig“, rief Hella zurück. „Ich musste nur noch meine Laufschuhe suchen. Die habe ich schon so lange nicht mehr angehabt und wusste ich gar nicht, in welcher Ecke des Schuhschranks sie sich versteckt hatten.“

      „Florian, geht mal zur Oma nach oben und hole den Koffer, sonst wird das heute nichts mehr“, wandte sich Susanne an ihren Sohn, der in dieser Herrgottsfrühe – es war gerade einmal 5.30 Uhr – die Großmutter ebenfalls zum Bahnhof begleiten wollte. In den letzten Wochen seit dem Tod des Großvaters waren seine Besuche bei ihr etwas seltener geworden, doch an diesem Tag wollte er dabei sein und ihr alles Gute wünschen, wenn sie, wie er hoffte, in ein neues Leben aufbrechen würde. Immerhin, so viel wusste er, war dies überhaupt die allererste Reise seiner Großmutter, die sie alleine antrat. Ohne Ehemann. Ohne Enkel oder Tochter.

      Ein kleines Stück Selbstständigkeit hatte sich Hella seiner Meinung nach dem Tod des Großvaters allerdings bereits erobert. Denn schon wenige Tage nach der Beerdigung hatte sie darauf bestanden, ihre Erledigungen und Einkäufe wieder selbst zu tätigen. „Genieße du deine Jugend, mein Junge“, hatte sie Florian gesagt. „Ich freue mich darauf, wieder ein wenig mehr unter die Leute zu kommen. Und sei es auch nur beim Einkaufen.“

      „Aber Oma“, hatte Florian erwidert, „ich helfe dir doch gerne.“

      „Das weiß ich doch, Flori, und ich werde deine Hilfe sicherlich noch oft genug brauchen. Aber die kleinen Erledigungen des Alltags würde ich gerne wieder selbst übernehmen. Das hilft mir ein wenig über die Trauer hinweg.“

      Dann hatte Hella ihren Enkel aufmunternd angeschaut. „Aber ich verspreche dir, dass ich dich immer anrufe, wenn ich deine Hilfe wirklich brauchen kann. Und glaube mir, das wird noch oft genug passieren.“

      So waren Großmutter und Enkel verblieben – und dieses kleine Abkommen funktionierte sehr gut zwischen ihnen. Denn natürlich war Hella froh, wenn sie Florian immer wieder mal um seine Unterstützung bitten konnte.

      Wenige Minuten nach der Aufforderung seiner Mutter stand Florian tatsächlich mit Großmutter und Koffer abfahrbereit im Flur. „Jetzt aber hopp hopp, sonst fährt der Bus noch ohne dich los“, trieb Susanne die kleine Gruppe an.

      ***

      Knapp eine Stunde später hatte die Reisegruppe bereits die Stadtgrenze Hamms erreicht.

      Hella hatte sich am Bahnhof unter Tränen von Tochter und Enkel verabschiedet, ein wenig mulmig war ihr nämlich schon in den letzten Minuten vor der Abfahrt geworden. So lange war sie noch nie alleine von zu Hause weg gewesen. Und ein bisschen Wehmut war natürlich auch aufgekommen – ohne Herbert eine Urlaubsreise nach Italien antreten zu müssen, bei dem Gedanken daran waren ihre Gefühle in den letzten Tagen tatsächlich Achterbahn gefahren. Aber immer dann, wenn sie drohte, in ein tiefes Loch zu fallen, hatte sie sich an die Worte ihres


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