Butler Parker Box 11 – Kriminalroman. Günter Dönges
schaute sich nach seinem Butler um.
Josuah Parker schwamm ruhig, kraftvoll und dennoch mit einer Würde, die fast ein wenig komisch wirkte. Auf seinem Kopf saß unverrückbar fest die schwarze Melone. Am Universal-Regenschirm hing der schwarze Spezialkoffer, den der Butler wie ein Beiboot hinter sich herzog. Selbst in dieser außergewöhnlichen Situation Saß Parkers schwarze Krawatte korrekt am richtigen Platz.
Rander und Parker landeten auf einer kleinen Landzunge, die mit blühenden Sträuchern und Büschen dicht bewachsen war. Rander ließ sich in den weichen, weißen Sand fallen und nickte seinem Butler zu.
„Das wäre erst mal geschafft“, sagte er dann aufatmend, „haben Sie eine Ahnung, wo wir sind?“
„Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, Sir, irgendwo westlich von Honolulu …
„Dafür aber wahrscheinlich abseits jeder Schiffahrtslinie.“
„Möglicherweise, Sir. Darf ich fragen, ob ich Ihnen einen Kaffee servieren soll?“
„Kaffee?“
„In der Tat, Sir. Vor Antritt der kleinen Seereise habe ich mir erlaubt, mein Spezialgepäck neu zusammenzustellen.“
„Kaffee später“, sagte Rander und erhob sich, „sehen wir lieber mal nach, wer außer uns diesen Orkan noch überstanden hat. Moment mal, wie war das mit der Kabinentür? Sagten Sie, daß sie von außen verriegelt worden war?“
„Dafür verbürge ich mich, Sir.“
„Wir wären ohne fremde Hilfe also nicht aus der Kabine ’rausgekommen?“
„Dies, Sir, wollte ich damit andeuten.“
„Aber wer könnte das denn getan haben? Und warum?“
„Darauf kann ich zur Zeit leider noch keine Antwort geben“, gab Josuah Parker zurück, „die Verriegelung muß während des Orkans vorgenommen worden sein. Wahrscheinlich erst, als die ‚Seejungfrau‘ bereits angeschlagen war.“
„Wollte irgend jemand an Bord uns absaufen lassen?“ Rander fand die richtigen, harten Worte für einen Mordversuch.
„Möglicherweise war dies geplant, Sir.“
„Das sind ja schöne Aussichten für den Fall, daß wir auf Überlebende stoßen. Dann könnte jeder von ihnen ein verhinderter Mörder sein.“
„So sollte man die Tatsachen sehen, Sir!“
„Und ich dachte an ein paar nette Urlaubstage“, seufzte Mike Rander, „ausgerechnet ich wollte mal völlig vergessen, daß es auf dieser Welt Gangster und Mörder gibt!“
„Ich bedaure außerordentlich, Sir, daß ich Ihnen diese nicht gerade fröhlichen Tatsachen unterbreiten mußte. Haben Sie bestimmte Wünsche, was die Durchsuchung dieser Insel anbetrifft?“
„Wir werden zusammenbleiben“, meinte Rander, „ich möchte nicht plötzlich meinem Mörder gegenüberstehen. Gehen wir!“
Der junge Anwalt und Josuah Parker machten sich auf den Weg. Sie schoben sich durch das dichte Strauchwerk der Landzunge und hielten auf die Palmen zu, die nach wie vor vom starken Wind gebeugt wurden.
„Ich kann mir nicht helfen, Parker“, meinte Anwalt Rander, als sie den eigentlichen Hauptstrand erreicht hatten, „ich habe das Gefühl, daß wir beobachtet werden!“
„Wenn Sie erlauben, Sir, möchte ich dieses Gefühl mit Ihnen teilen“, erwiderte Parker gerissen, „zumal ich mit einiger Sicherheit glaube, drüben hinter dem querliegenden Stamm eine junge Dame gesehen zu haben, deren Kleidung ich als derangiert bezeichnen möchte!“
*
Sie kam schnell näher und winkte aufgeregt.
„Haben Sie die junge Dame schon mal gesehen?“ fragte Rander seinen Butler leise …
„Mir scheint, Sir, es handelt sich um Pamela Clayton.“
„Ausgeschlossen, Parker, die sah doch ganz anders aus.“
„Gewiß, Sir, Sie sollten jedoch das Make-up abziehen, das Miß Clayton für gewöhnlich trug.“
„Miß Clayton?“ fragte Rander laut die junge Dame, die inzwischen herangekommen war.
„Genau“, sagte sie in einer Mischung aus Lachen und Schluchzen, „mein Gott, bin ich froh, Sie zu sehen. Ich dachte schon, ich war’ allein auf der Insel!“
Mike Rander war jetzt sicher, daß Pamela Clayton vor ihm stand. Er kannte sie nur flüchtig. Sie war ihm auf der „Seejungfrau“ vorgestellt worden. Zusammen mit anderen, attraktiven jungen Damen, die das Deck bevölkert hatten.
Aus der affektierten jungen Dame war ein nettes, natürliches Mädchen geworden. Der Sturm und die Brandung hatten das viel zu dick aufgetragene Make-up abgewaschen. Jetzt konnte Pamela Clayton sich ehrlich sehen lassen, zumal ihre Kleidung das war, was Parker als derangiert bezeichnet hatte. Die lange Jachthose mit dem weiten Matrosenschlag war an den richtigen Stellen zerschlissen und strich ihre schlanke Figur erfreulich heraus. Die teils eingerissene Bluse hatte Pamela geschickt unter der Brust verknotet. Das aschblonde Haar hatte sich gelöst und hing lang auf ihre schmalen Schultern herunter.
„Ich weiß, ich sehe nicht besonders aus“, sagte Pamela Clayton und musterte verlegen ihr Äußeres.
„Prächtig sehen Sie aus“, korrigierte Mike Rander ehrlich, „auf jeden Fall besser als …
„Haben Sie sich, falls ich unterbrechen darf, schon über die Größe dieses Eilandes vergewissert?“ fragte Parker dazwischen.
„Ich habe mich nicht getraut“, erwiderte Pamela und wurde ängstlich, „vielleicht treiben sich hier wilde Tiere herum …
„Damit ist wohl kaum zu rechnen“, gab Rander zurück und vergaß, daß man ihn und seinen Butler geschickt hatte umbringen wollen, „was halten Sie davon, Pamela, wenn wir uns gemeinsam umsehen?“
„Mich werden Sie jetzt nicht mehr los. Allein sterbe ich vor Angst. Meinen Sie, daß sich noch mehr Passagiere gerettet haben könnten?“
„Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich diesbezügliche Erkundigungen einziehen. Sie könnten ja vielleicht mit Miß Clayton hier am Strand Zurückbleiben.“
„Wäre tatsächlich besser.“ Rander war sofort einverstanden, „ich werde inzwischen so etwas wie eine Hütte bauen. Schließlich war ich ja mal bei den Pfadfindern. Viel Glück, Parker! Und passen Sie auf sich auf!“
Josuah Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und machte sich auf den Weg. Als er einige Meter im dicht verfilzten Unterholz war, blieb er stehen, öffnete seinen schwarzen Spezial-Lederkoffer, der übrigens wasserdicht war, und rüstete sich mit einigen Gegenständen aus, die er seiner bescheidenen Ansicht nach vielleicht brauchte. Erst danach schritt er aus und untersuchte die Insel.
Er brauchte nicht weit zu gehen.
Nach etwa einer Viertelstunde roch er den Rauch eines Feuers. Vorsichtig pirschte Parker sich an die Feuerstelle heran. Bevor er sich zeigte, wollte er erst einmal genau die Verhältnisse studieren.
Er nahm erleichtert zur Kenntnis, daß das improvisierte Feuer dicht umlagert wurde. Er sah Paul Broken, den Schiffseigner und Geschäftsmann, der sie zu dieser Ausfahrt eingeladen hatte, er sah dessen Partner Keswick und den Kapitän der „Seejungfrau“, Hank Curson.
Parker machte das Ehepaar Forest aus, einen Playboy namens Jeff Deering und dann die drei selbst jetzt noch reizend-aufreizend anzusehenden Playgirls, deren Namen er sich nicht gemerkt hatte. Damit schienen sich bis auf zwei Personen alle Passagiere gerettet zu haben.
Parker richtete sich auf und wollte hinüber zum Lagerfeuer gehen, um seinen jungen Herrn, Miß Clayton und sich selbst anzumelden. Er kam jedoch nicht weit, denn er stolpert fast über einen Körper, der schlaff und regungslos in einem Gebüsch lag. Nach einer Schnelluntersuchung fand Parker eindeutig heraus,