Butler Parker 173 – Kriminalroman. Günter Dönges
kam.«
»Er steht also unter Mordverdacht, wie?« schnappte die ältere Dame sofort zu.
»Nicht, was seinen Vater betrifft«, berichtete der Chief-Superintendent weiter, während Parker mit einem Silbertablett die große Wohnhalle des Hauses betrat, um Sherry anzubieten.
»Alkohol um diese Zeit?« staunte Lady Agatha und bedachte ihren Butler mit strafendem Blick. »Nun gut, Mr. Parker, ich werde ein Gläschen nehmen, doch Mr. McWarden sollten Sie nicht in Versuchung führen, er ist schließlich im Dienst.«
»Aber überhaupt nicht«, sagte McWarden genußvoll, »und selbst wenn, Mylady, ein Mann in meiner Stellung kann schon mal über gewisse Vorschriften hinwegsehen.«
»Die Gläser bitte nicht zu voll, Mr. Parker«, warnte die ältere Dame, deren bekannter Geiz wohl wieder durchbrach, »wir wollen hier ja schließlich keine Orgien feiern.«
»Ich habe mich voll unter Kontrolle.« McWarden nickte Josuah Parker aufmunternd zu, als er die Gläser füllte. Der Chief-Superintendent wußte, daß Lady Simpson Qualen litt.
»Darf man fragen, Sir, warum die hiesigen Behörden sich für Mr. Franco Taylor interessieren?« erkundigte sich Parker höflich.
»Franco Taylor ist ein Mafioso«, lautete McWardens Antwort, »wir haben von unseren Kollegen in den USA entsprechende Hinweise bekommen. Und Taylor ist mit Sicherheit kein Nachwuchsmann. Er ist bekannt als der sogenannte Zampano.«
»Das klingt nach Übertreibung«, stellte Lady Agatha fest, entschied sich wie selbstverständlich für das vollere Glas und kostete. Anschließend warf sie Parker einen leicht gereizten Blick zu.
»Das ist ja mein privater Sherry«, sagte sie dann erbost.
»In der Tat, Mylady«, gab der Butler zurück, »meine Wenigkeit setzte voraus, daß Mylady einen besonderen Gast des Hauses verwöhnen will.«
»Das finde ich aber sehr gut«, freute sich McWarden, »für Ihre normalen Gäste reichen Sie einen anderen Sherry, Mylady?«
»Natürlich«, meinte sie nachdrücklich, »Sie haben ja keine Ahnung, wie teuer guter Sherry ist, mein lieber McWarden. Aber fahren Sie endlich fort. Ich fürchte, Sie betrinken sich sonst noch.«
»Sie neigen zur Annahme, daß erwähnter Franco Taylor hierher nach London gekommen ist, um für die amerikanische Mafia tätig zu werden?«
»Als reiner Tourist dürfte er kaum nach London gekommen sein«, entgegnete McWarden, »dieser Zampano soll vielleicht etwas organisieren oder neu aufziehen. Wir sind da auf jede Überraschung gefaßt. Ich finde es allerdings erstaunlich, daß Sie, Mylady, bereits einen ersten Kontakt mit diesem Gangster schafften.«
Der Chief-Superintendent meinte selbstverständlich den Butler, doch er hütete sich, ihn direkt anzusprechen. Er kannte die stets wache Eifersucht der älteren Dame.
»Ich habe dieses Subjekt längst durchschaut«, erwiderte Agatha Simpson, »man hat ihn hierher geschickt, um mich zu erledigen. Das ist doch sonnenklar. Sehen Sie das etwa anders, Mr. Parker?«
»Meine Wenigkeit würde sich nie erlauben, einen anderen Standpunkt einzunehmen und dann sogar noch zu vertreten«, lautete Parkers Antwort, »Mylady stehen stets im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses.«
»Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben«, gab sie wohlwollend zurück, »schließlich bin ich eine Frau, die man fürchtet.«
»Das unterschreibe ich voll und ganz«, ließ der Chief-Superintendent sich vernehmen, »besser hätte ich’s gar nicht ausdrücken können.«
Nach dieser Feststellung wandte er sich um, musterte eine alte Ritterrüstung in der großen Wohnhalle und mühte sich ab, ein aufsteigendes Lachen zu verbeißen.
*
Horace Pickett hatte in früheren Jahren mal als Taschendieb gearbeitet und war so etwas wie ein Meister seines Fachs gewesen. Er hatte sich allerdings nur mit Klienten befaßt, die eindeutig einen Geldverlust verschmerzen konnten und sich als eine Art Robin Hood in eigener Sache gesehen. Eines Tages war es fast zu einer Katastrophe gekommen. Er war damals an einen Gangster geraten, der ihn um jeden Preis hatte ermorden wollen. Ohne Butler Parker wäre es mit Sicherheit zu diesem Mord gekommen, wie Pickett wußte. Seit dieser Zeit hatte er die Grenzlinie überschritten und war auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt. Er machte sich nun eine Ehre daraus, für Josuah Parker und Lady Simpson zu arbeiten.
Horace Pickett, ein ungemein seriös aussehender Mann, der sechzig sein mochte, ging ohne weiteres als pensionierter Offizier durch und verfügte über tadellose Manieren. Er kam aus einem dunklen Torbogen und nahm fast Haltung an, als er vor Lady Agatha stand.
»Taylor gibt drüben im Club eine Pressekonferenz«, meldete er dann, »es sind eine Menge Leute von Presse, Funk und Fernsehen gekommen. Die Konferenz soll in einer Viertelstunde beginnen.«
»Sehr schön, mein lieber Pickett.« Agatha Simpson nickte wohlwollend. »Sie sind wieder mal eine wertvolle Hilfe. Ich sollte Sie bei Gelegenheit zum Tee einladen. Mr. Parker, erinnern Sie mich daran.«
»Es wird nicht versäumt werden«, versprach der Butler, der Einladungen dieser Art nur zu gut kannte. Sie wurden ausgesprochen, aber kaum in die Tat umgesetzt.
»Dieser Taylor wird von fünf Leibwächtern abgeschirmt, Mylady«, berichtete Horace Pickett weiter, »und wie ich die einschätze, sind das clevere Leute.«
»Wie erfreulich«, meinte die ältere Dame, »das bringt mich schon jetzt in die richtige Stimmung.«
»Ich habe zwei Eintrittskarten besorgt«, sagte Pickett und überreichte dem Butler zwei etwas protzig wirkende Karten, »es sind nämlich nur geladene Gäste zugelassen.«
»Kann man davon ausgehen, daß die Namen stimmen?« fragte der Butler.
»Aber natürlich, Mr. Parker.« Pickett lächelte wissend. »Ich kenne zufällig den Drucker der Karten. Ich denke schon, daß ich an alles gedacht habe.«
»Kommen Sie, Mr. Parker«, drängte die ältere Dame, »ich möchte endlich meine Fragen los werden.«
»Soll ich in der Nähe bleiben?« wollte der ehemalige Eigentumsverteiler wissen.
»Mylady gehen davon aus, daß Sie nach dem zu erwartenden Eklat sich auch weiterhin um Mr. Taylor kümmern werden«, erwiderte der Butler, »darüber hinaus halten sich Mr. Rander und Miß Porter ebenfalls in der Nähe auf.«
Pickett grüßte kurz und verschwand dann in der Dunkelheit des noch frühen Abends. Josuah Parker schritt voraus und öffnete für seine Herrin die Tür zu einem Vestibül mit Treppenhaus. Unten an der Treppe standen zwei junge, drahtige Männer, die die Einladungskarten kontrollierten. Sie waren tadellos gekleidet, doch sie trugen Schulterhalfter, wie der Butler sofort bemerkte.
Vor Lady Agatha und Parker gab es einige Gäste, die inzwischen das Clubgebäude betreten hatten. Sie konnten die Sperre unten an der Treppe ohne weiteres passieren. Erst als diese Gäste oben hinter der Treppe verschwunden waren, brachte die ältere Dame ihre dynamische Fülle in Bewegung und schritt den beiden jungen Männern entgegen. Parker konnte sie sofort identifizieren.
Sie gehörten zu jenen drei Typen, die Franco Taylor in der Lounge des Hotels bewacht hatten. Und die beiden jungen Männer wußten ebenfalls, wer Parker war. Die Leute aus dem Fahrstuhl hatten wohl längst eine genaue Beschreibung seiner Person geliefert.
»Nur für Gäste«, sagte einer der beiden Männer und bemühte sich um Höflichkeit.
»Die Einladungskarten«, erwiderte Parker und überreichte sie. Der junge Mann nahm sie leicht verdutzt entgegen und las die Namen halblaut vor.
»Lady Simpson... Mr. Josuah Parker.«
»In der Tat«, meinte der Butler, »wenn Sie nun die Güte haben würden, die Treppe freizugeben.«
»Da müssen wir erst mal nachfragen«, sagte der junge Mann und baute sich leichtsinnigerweise vor dem Butler auf, »Sie