AD(H)S - Hilfe zur Selbsthilfe. Helga Simchen

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und Handeln können nicht zukunftsorientiert ausgerichtet werden

      • Sich zu entscheiden, fällt schwer

      • Lernen und Verhalten können sich nur sehr schwer automatisieren

      Die Wahrnehmung von Informationen erfolgt nur oberflächlich, weil das Gehirn mit Informationen überflutet wird und dadurch der Arbeitsspeicher überlastet ist. Viele Informationen gehen so verloren und werden nicht zum Langzeitgedächtnis weitergeleitet. Manches wird auch an anderer Stelle abgespeichert und ist schon deshalb nicht schnell genug abrufbar.

      Weil die Lernbahnen nicht dick und stabil genug sind, können sich Lernen und Verhalten nicht automatisieren, dadurch wird beides für die Betroffenen anstrengender und zeitaufwendiger. Deshalb gelingt ihnen meist nicht, schnell und sozial angepasst zu regieren, sich schnell genug auf eine neue Situation einzustellen und kurzfristig Entscheidungen zu treffen. Auch motorische Handlungsabläufe, die Dosierung der Kraft und die Schrift können beeinträchtigt sein.

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      Abb. 2.3: Gehirnlängsschnitt mit Verlauf einiger Lernbahnen, die vom Arbeitsgedächtnis (Hippocampus) zum Langzeitgedächtnis führen (schematisch)

      Vom Stirnhirn aufgenommene Informationen werden über den Balken zum Arbeitsgedächtnis (Hypokampus) geleitet. Dieser sortiert die Informationen und leitet sie über Nervenbahnen weiter in die entsprechenden Zentren des Langzeitgedächtnisses. Dort werden sie abgespeichert und können bei Bedarf wieder abgerufen werden. Je dichter die entsprechenden Nervenbahnen sind und über je mehr Nervenverbindungen (Synapsen) sie verfügen, umso schneller können Informationen weitergeleitet werden.

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      Abb. 2.4: Schematische Darstellung der neuronalen Vernetzung im Gehirn, ohne AD(H)S (links) und bei Vorliegen von AD(H)S (rechts).

      Die Struktur der Vernetzung der Nervenbahnen ist entscheidend für die Lernfähigkeit. Links: das Makronetz mit normalen, dichten Lernbahnen, die eine schnelle Weiterleitung von Informationen und eine Automatisierung von Lernen und Handlungsabläufen ermöglichen. Rechts: beim AD(H)S die feinmaschige wabenartigen Mikrovernetzung der Nervenbahnen infolge von Reizüberflutung; Informationen werden auf Umwegen und Nebenstraßen weitergeleitet und sind nicht sofort abrufbar. (Spitzer 2002, Braus 2004)

      Diese besondere Art der neuronalen Vernetzung verursacht eine genetisch bedingte Reifungsstörung des Stirnhirns, das für die folgenden Funktionen eine »Cheffunktion« ausübt. Das Stirnhirn

      • blendet alle unwichtigen Informationen der Umgebung aus

      • speichert Erfahrungen, mit deren Hilfe man Handlungsfolgen abschätzen kann

      • ermöglicht, Prioritäten zu setzen

      • hilft, Angefangenes zu beenden, Impulse zu steuern und zu unterdrücken

      • hilft, abwarten zu können

      • hilft, ein Mitgefühl zu entwickeln

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      Abb. 2.5: Darstellung einer Nervenverbindungsstelle (Synapse)

      Über die Synapse leiten die Botenstoffe alle Informationen weiter. Bei AD(H)S herrscht dort ein Mangel an Botenstoffen. Dieser wird durch Stimulanziengabe verringert, wodurch sich die Weiterleitung der Informationen beschleunigt.

      Für AD(H)S typisch ist ein Botenstoffmangel in den Verbindungsstellen der Nervenbahnen (Synapsen) als Folge einer genetisch bedingten Transporterstörung. Ein wichtiger Grund, warum bei AD(H)S das Lernen viel anstrengender ist und man immer, wenn Üben allein keinen Erfolg bringt, die Gabe von Stimulanzien erwägen sollte (Krause 2011).

      Trotz Beeinträchtigungen sollte sich niemand entmutigen lassen, an den Erfolg einer Therapie zu glauben. Eine positive Veränderung ist in jedem Fall in allen Altersgruppen möglich, vorausgesetzt die Betroffenen arbeiteten aktiv mit. Bleiben alle Anstrengen erfolglos, sollte man ein seit mehr als 50 Jahren erprobtes Medikament anwenden, das die Unterfunktion des Stirnhirns, die Reizüberflutung des Gehirns und den Botenstoffmangel weitgehend ausgleicht. Es wirkt umso besser, je intensiver dem Gehirn in Form von Selbstinstruktionen vermittelt wird, worauf es sich im Augenblick konzentrieren soll. Diese Selbstkommandos gemeinsam mit dem Medikament in richtiger Dosierung helfen, Reizüberflutung und Ablenkbarkeit zu verringern und die Konzentration zu verbessern Wiederholtes Üben aktiviert und festigt dann die entsprechenden Lernbahnen, was das Lernen erleichtert. Lernen und Verhaltensweisen können sich mit der Zeit automatisieren und werden dadurch besser abrufbar. Eine therapeutische Option, die von Betroffenen, die trotz massiver Anstrengung keine wesentliche und anhaltende Verbesserung ihrer AD(H)S-Problematik verspüren, unbedingt genutzt werden sollte. Medikamente, die auf der Substanz Methylphenidat basieren, sind heute feste Bestandteile eines wissenschaftlich fundierten Therapieprogramms für AD(H)S und verbessern nachweislich Funktion und Zusammenarbeit von wichtigen Gehirnabschnitten, die für Lernen und Verhalten und damit für die gesamte Entwicklung von entscheidender Bedeutung sind.

      Eine wichtige Rolle für die Entwicklung unseres Verhaltens kommt vom frühesten Kindesalter an den Spiegelneuronen zu: Jede Beobachtung, die wir bei unseren Mitmenschen machen, jede Geste eines anderen löst in unserem Gehirn Handlungsparallelen aus. Besagte Spiegelneuronen aktivieren die entsprechenden Zentren in unserem Gehirn so, als würden wir die Handlungen selbst ausführen. Immer wieder bewusst und auch unbewusst registrierte Handlungen können dadurch in das eigene Handlungsschema übernommen werden.

      Spiegelneuronen tragen entscheidend dazu bei, dass vorgelebtes Verhalten erziehen kann, ohne viele Worte zu machen. Gerade bei AD(H)S-Kindern ist diese Art der Erziehung, die positive Vorbildwirkung, besonders wirksam (Spitzer).

      Spiegelneuronen ermöglichen auch, dass wir uns über die Körpersprache der anderen in deren Empfinden hinein versetzen und schließlich ein Mitgefühl entwickeln können.

      Voraussetzung einer erfolgreichen Behandlung des AD(H)S ist zunächst immer eine sichere Diagnose und damit der Nachweis von dessen Kernsymptomen Hyperaktivität, Konzentrationsmangel, emotionale Steuerungsschwäche und beeinträchtigte Wahrnehmungsverarbeitung.

      Für die Therapie bedeutet dies, die entsprechenden Defizite möglichst früh zu erkennen und gezielt zu beüben, am besten täglich mit Hilfe der Eltern, die, wenn erforderlich, durch professionelle Therapeuten einer sorgfältigen Anleitung bedürfen. Sollten sich dennoch keine Erfolge einstellen und ein Lernzuwachs ausbleiben, muss nach den Ursachen hierfür gesucht werden. Sind diese AD(H)S bedingt, sollte eine Erweiterung der Therapie durch Zugabe von Methylphenidat erwogen werden. Methylphenidat, ein Stimulans, beschleunigt die Nachreifung des Stirnhirns, wodurch intensives Üben dann erfolgreicher wird.

      Übungen, um Lernen und Verhalten zu verbessern, können je nach Bedarf individuell zum täglichen Gebrauch zusammengestellt werden. Kinder und Studenten benutzen als Grundlage den von Schule oder im Studium geforderten Lernstoff, Erwachsene ihre Schwachstellen bei der täglichen Bewältigung der von ihnen erwarteten Leistungen.

      Wie sich Lernen und Verhalten ab sofort verbessern lassen:

      • Trainieren der Gedächtnisbahnen durch wiederholtes Lernen und Abfragen

      • Sich immer wieder selbst motivieren, seine positiven Fähigkeiten einsetzen

      • Anfangen können, Rituale, Struktur und Zeitplan einführen

      • Dranbleiben, Angefangenes auch beenden

      • Ordnung halten

      • Störendes und Ablenkendes ausschalten

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