Fiona - Reloaded. Zsolt Majsai
dreht sich um, ohne die Zügel loszulassen. Mit einer Hand ergreift sie blitzschnell den Hals der Dienerin, die erschrocken aufschreit, ansonsten aber nicht viel unternimmt. Eigentlich gar nichts.
„Würdest du dich auch so verhalten, Kyo?“
„Versuch es gar nicht erst. Ich müsste dir wehtun.“
„Genau. Du wehrst dich sofort und du kannst es auch. Aber auch bei dir ist es nicht die Kraft. In einem reinen Kräftemessen würde ich gegen dich gewinnen. In einem Kampf zwar auch, aber nicht so leicht.“
„In einem Kampf würdest du gegen mich gewinnen? Hast du Wein getrunken?“
Gaskama grinst. „Ach, Kyo, wir wollen das gar nicht erst herausfinden, einverstanden?“
„Einverstanden. Und die Frauen auf der Burg, was machen die?“
„Das sollen sie dir lieber selbst erzählen. Ich mache dich gleich mit jemandem bekannt, in Ordnung?“
„Woher soll ich denn wissen, ob das in Ordnung ist, wenn ich sie noch gar nicht kenne? Das beantworte ich dir nachher, in Ordnung?“
„Ich liebe deinen Humor“, murmelt Gaskama.
„Aber nur den! Der Rest gehört Askan!“
„Ja, ja.“
Auf der Burg überlässt Gaskama die Kutsche und die Pferde zwei Dienern und führt mich im Schloss nach oben. Siana folgt uns schweigend. Sie sieht nachdenklich aus. Vermutlich ist ihr bewusst geworden, dass sie mich falsch eingeschätzt hast. Sie hat ja auch nicht wissen können, wie ich dem König begegnet bin und dass ich auch kämpfen kann.
Wir begeben uns diesmal und für mich das erste Mal auf die zweite Etage. Ich höre entfernt Stimme, Frauenstimmen. Gaskama hält auf eine etwas größere Tür zu und öffnet sie.
Sofort verstummen die Stimmen und etliche Augenpaare richten sich auf uns.
Der Raum ist groß und hell. Vor den Fenstern hängen Stoffe. Stühle mit Stoffen stehen überall herum,und Tische, kleine Tische, auf ihnen Gläser und Karaffen. Die meisten Stühle sind besetzt. Frauen aller Altersgruppen, zumeist aber jüngere, in meinem Alter, sitzen auf ihnen, in Gruppen.
Jetzt sehen sie uns an, insbesondere mich. Aber auch an Gaskama hängen einige Blicke, manche nur verstohlen. Eigentlich wundert es mich nicht, als Mann ist er sicher interessant. Für mich nicht, aber vielleicht erleben manche der Frauen zur Zeit keinen Akt der Liebe und würden es gerne mit ihm. Das könnte ich verstehen.
„Meine Damen“, sagt Gaskama mit seiner tiefen, kräftigen Stimme. „Darf ich Euch Lady Kyo vorstellen?“
„Aber natürlich!“, ruft jemand, andere lachen. Einige stehen auf und kommen näher.
„Wir haben schon auf Euch gewartet“, sagt eine andere.
„Ich … ich muss mich noch an die vielen neuen Eindrücke gewöhnen“, erwidere ich verwirrt.
„Das ist nachvollziehbar, nach dem, was so erzählt wird“, bemerkt eine Rothaarige. Sie hat nicht so leuchtend rote Haare wie Siana, eher etwas ins Bräunliche gehend, und hellblaue Augen. Die haben viele, das ist mir bereits aufgefallen. Sie hält mir ihre Hand entgegen. „Ich bin Shaka, Askans Cousine.“
„Eine Cousine!“, ruft eine andere und alle lachen.
„Genau, Askan hat ja eine große Familie“, bemerkt Shaka.
Ich sehe Gaskama an. Er nimmt meine Hand, legt meine Handfläche an Shakas Hand und als diese ihre Finger um meine Hand schließt, mache ich das genauso.
„Was ist eine Cousine?“, erkundige ich mich und konzentriere mich auf Shaka, denn sonst müsste ich schreiend wegrennen. Die vielen Augen, die mich betrachten, die Geräusche der Kleider, all das hallt in meinem Kopf wider.
„Askans Mutter und meine Mutter waren Geschwister.“
„Waren?“
„Askans Mutter ist schon verstorben“, erklärt Gaskama.
„Ich verstehe. Also, ich bin Kyo.“
„Wissen wir“, sagt Shaka grinsend. Sie gefällt mir. Sie scheint etwas größer als ich zu sein und ist weiblicher, was durch ihr Kleid durchaus betont wird. Ich wundere mich, dass mir das als Erstes auffällt. Auch die Berührung ihrer Hand empfinde ich als angenehm. Dennoch bin ich froh, als sie meine Hand loslässt.
„Ich könnte mir vorstellen, dass Lady Shaka die Richtige ist, dir deine Fragen zu beantworten“, sagt Gaskama.
„Welche Fragen hast du denn?“ Es gefällt mir, dass Shaka mich wie einen Menschen anspricht, nicht wie viele. Ich beschließe, dass sie wirklich die Richtige ist.
„Ich war noch nie auf dem Hof eines Königs und würde gern alles über den Hofstaat erfahren.“
„Das mache ich gerne“, erwidert sie. „Aber wir wollen auch alles über dich wissen. Wir haben schon viel über dich gehört. Es wird darüber geredet, wie Askan dir verfallen ist.“
Ich muss an unsere Beschäftigung vor dem Einschlafen denken und werde rot.
Gaskama lacht auf. „Das hast du nicht ganz so verstanden, wie es gemeint war, Kyo.“
„Ich … ich glaube auch.“
Shaka hält sich die Hand vor den Mund und ruft: „Bei Elixa, nein, so meinte ich das wirklich nicht! Entschuldige, ich wollte dich nicht verlegen machen.“
„Ist gut.“ Nur ich verstehe, warum Gaskama schon wieder lacht. „Ich freue mich schon. Wäre es dir recht, wenn wir morgen beginnen?“ Ich freue mich, dass es mir gelungen ist, diese Formulierung zu verwenden, von der ich den Eindruck habe, dass man sie gerne hier verwendet.
„Das wäre mir sehr recht“, erwidert Shaka. „Wollen wir uns morgen zum Frühstück treffen?“
„Vor dem Sum... Sumba?“
„Das macht man für gewöhnlich so mit dem Frühstück“, nickt sie.
„Ist gu... in Ordnung. Mir wäre es recht.“ Ich werfe einen strafenden Blick auf Gaskama, dessen Heiterkeitsausbrüche den anderen sehr seltsam anmuten müssen. Überhaupt, Heiterkeitsausbruch. Ich würde das Lachen nennen, aber von Askan weiß ich, dass viel und langes Lachen ein Heiterkeitsausbruch ist. Na, meinetwegen.
„Dann machen wir es doch so“, sagt Shaka. „Grüßt meinen Cousin von mir, er verirrt sich sehr selten hierher.“
„Wieso sollte er sich verirren? Er kennt sich in seinem Schloss sicher sehr gut aus.“
Warum lachen jetzt denn alle? Ich blicke verwirrt zu Siana, aber selbst sie ist am Lachen.
„Du sagst gerne lustige Sachen, das gefällt mir gut“, erklärt Shaka schließlich. „Bis morgen dann.“
Ich nicke und gehe mit Siana und Gaskama wieder nach unten. Gaskama ist immer noch am Grinsen.
„Was war zuletzt eigentlich so lustig?“, erkundige ich mich.
„Nun ja, das ist nur so ein Spruch, dass sich jemand irgendwohin verirrt. Damit ist nicht gemeint, dass sich jemand nicht auskennt, sondern dass man so selten irgendwohin kommt, als wüsste man nicht, wo der Ort ist, obwohl man es eigentlich doch weiß.“
„Oh!“, erwidere ich und werde wieder rot. Für wie blöd müssen die mich jetzt halten?
„Gräme dich nicht, Wildkatze. Die Damen gehen davon aus, dass du einen gekonnten Scherz gemacht hast. Wirklich gekonnt, denn du hast bis zum Schluss mit keiner Miene verraten, dass es nur ein Scherz war.“
„War ja auch kei...!“ Ich halte inne, als mir bewusst wird, was er meint. Dann sage ich nur: „Du kannst das übrigens auch ziemlich gut.“
„Das ist wohl wahr. - So, Wildkatze, ich denke, für heute hast du genug von meiner Gesellschaft. Vielleicht möchtest du