Wendland. Nicolas Scheerbarth

Wendland - Nicolas Scheerbarth


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und ich bin sehr glücklich, dass du ... "

      Er unterbrach sich selbst.

      "War es dir peinlich ... hinterher?" fragte er nach einem Moment.

      "Ich weiß nicht. Es war ... neu. Es war eine ganz neue Erfahrung, ist es immer noch. Ich habe es getan, heute morgen die Wäsche weggelassen und dann im Wasser getanzt, aber ich weiß nicht wieso. Es fühlt sich einfach so ... richtig an. Peinlich? Naja, im ersten Moment schon. Doch du hast so toll reagiert, keinen Spruch, kein blödes Geglotze ..."

      "Also, tot und vermodert bin ich noch nicht! Ich habe keine Sekunde vergessen, dass du meine Enkelin bist, aber ein Mann, der bei so einem Anblick behauptet, nichts gesehen zu haben, ist entweder blind, ein Lügner oder stockschwul."

      "Jaah, so meinte ich das nicht! Du hast hingeschaut, aber nicht gegeiert. Ich empfand es nicht als unangenehm ... eher schmeichelhaft."

      "Da bin ich aber froh. Du brauchst das! Du hast dich nie frei fühlen dürfen. Sag nichts, ich kenne deine Mutter! Immerhin war sie meine Tochter. Schon ihre Mutter, meine liebe Helene, war ein harter Brocken. Aber sie hatte wenigstens Humor. Deine Mutter dagegen ... mein Gott, wie oft hab ich mir in den letzten Jahren gewünscht, ich hätte sie nehmen und schütteln können, bis die ganze Scheiße aus ihr herausfällt und sie ein Mensch wird und andere auch Menschen sein lässt. Vor allem dich. Ich habe dir so gewünscht, etwas mehr leben zu dürfen! Und jetzt ... ja, befreie dich! Lebe und sei, wie du willst. Ich freue mich so für dich ..."

      Feuchtigkeit glitzerte in seinen Augen. Mit einer knappen Geste wischte er sie weg. Helena stand auf, beugte sich zu ihm und umarmte ihn.

      "Danke! Du bist toll. Und ich bin so froh, dass ich hergekommen bin!"

      1.2 - Helena befreit sich

      Am folgenden Tag stand ein Einkaufsausflug ins nahe Dannenberg auf dem Programm. Etwa alle zwei Wochen fuhr der Großvater dort hin, um Vorräte zu kaufen und "mal wieder unter Menschen zu kommen", wie er es nannte. Es war Mittag, die Zeit der größten Hitze, als sie in ankamen.

      "Hunger hab ich nicht, aber es ist noch viel zu früh. Wir könnten etwas trinken und ein Eis essen gehen," schlug er vor. "Dort drüben ist übrigens ein Modegeschäft. Du hast doch gesagt, du hättest kaum etwas Passendes dabei für diese Hitze. Ich kenn mich mit diesen Dingen ja nicht aus, aber sie haben leichte Sommerkleider. Willst du nicht mal schauen, ob dort etwas für dich dabei ist?"

      "Das ist lieb, aber ich denke, ich brauch erst mal nichts. Ein paar Sachen hab ich ja noch, und vielleicht brauch ich ja gar nicht so viel in nächster Zeit ..."

      "Wie du meinst."

      Weiter sagte er nichts, doch er betrachtete sie von der Seite, während sie an dem Modegeschäft vorbei auf die Eisdiele zu gingen, und ein leises Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Er hatte nicht umhin gekonnt zu bemerken, dass sie auch heute keine Wäsche trug. Das Fehlen eines Büstenhalters unter ihrem hellen Top war offensichtlich. Die Brustwarzen zeichneten sich deutlich ab, und bei schnellen Bewegungen schwangen die Brüste auf eine Weise mit, die von keinem Halt gedämpft wurde. Und morgens hatte sie in ihrem halblangen Rock oben an der Kellertreppe gestanden, als der Großvater die leeren Pfandflaschen heraufschaffte.

      Anschließend flohen sie in ein klimatisiertes Kino und freuten sich zusammen wie die Kinder über die harmlosen Scherze eines Zeichentrickfilms. Als sie das Kino verließen, brütete die Hitze noch immer in den Straßen, doch es war nun Zeit, die Einkäufe zu erledigen. Zwei Stunden später war alles in dem alten, großen Kombi verstaut, und der Großvater beschloss spontan, dass sie den Tag mit einem Abendessen bei seinem Stamm-Italiener beenden konnten. Auf einer laubüberdachten Terrasse verging der Abend bei einem langen Gespräch über Mutter respektive Tochter, Familie, Studium, Zukunft, Gott und die Welt, und es wurde spät, bis sie zurück waren im Märchenland.

      ***

      "Ich wollte jetzt gleich ein Sonnenbad nehmen," verkündete Helena beim Frühstück am nächsten Morgen. "Es wäre doch zu doof: Da haben wir einen so tollen Sommer, und ich werde nicht braun, weil es in der Sonne zu heiß ist!"

      "Sicher, warum nicht. Du kannst tun und lassen, was du willst hier - jedenfalls innerhalb gewisser Grenzen," setzte er mit einem leichten Grinsen dazu.

      "Grenzen?" fragte sie, den indignierten Ton einer Jugendlichen imitierend. "Was meinst du mit 'Grenzen'?"

      "Nun, sagen wir mal, wenn du zum Beispiel das Haus anzünden willst, dann sollten wir darüber vielleicht vorher reden."

      "Ach schade, genau das wollte ich heute auch noch tun!"

      "Schon klar. Haus anzünden. Was auch sonst. Und Sonnenbaden. Noch was?"

      "Naja ... eigentlich ..."

      "Was denn?"

      "Ich wollte fragen ... würde es dich stören, wenn ich ... also nur so ... also nur oben herum ... zum braun werden ... wenn ich mich da ganz ausziehe?"

      Er schwieg einen Moment und schaute sie an. Irritiert blickte sie an ihm vorbei. Dann lachte er laut auf.

      "Na also!" rief er fröhlich und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. "Es wird ja! Natürlich stört mich das nicht. Solange du nicht erwartest, dass ich jedesmal erschrocken tue und wegschaue wie eine alte Jungfer, wenn wir uns über den Weg laufen, kannst du hier so nackt sein, wie du willst. Halb nackt, ganz nackt, Tag und Nacht, das ist mir schnurz. Nein. Es ist mir nicht gleichgültig, sondern ich freue mich. Du befreist deinen Körper, und damit befreist du dich. Ich freue mich vor allem, weil du diesen Weg allein gefunden hast. Und weil es ein guter Weg ist. Wie viele in deinem Alter suchen die Freiheit mit ganz beschissenen Mitteln, mit Drogen oder anderen Sachen, die sie kaputt machen! Vielleicht müsste man Nacktbaden als Therapie einsetzen ... egal! Mach, worauf du Lust hast!"

      Nach dem Frühstück stand sie völlig nackt in ihrem Zimmer vor dem hohen, alten Spiegel mit dem dunkel gebeizten Rahmen und den gedrechselten Spindeln an den Ecken. In diesem Spiegel hatte sich schon ihre Großmutter betrachtet, vielleicht sogar die Urgroßmutter. Was hätten sie wohl gesagt, wenn sie Helena so gesehen hätten?

      Helena musterte ihren Körper. Eigentlich war sie damit zufrieden. So viel hatte die strenge Erziehung zumindest bewirkt: Sie war fit und gesunde Ernährung gewohnt. Die Mutter hatte sie zum Volleyballtraining nicht zwingen müssen. Helena hatte sehr schnell verstanden, dass ihr die Stunden mit den Kameradinnen dort ein höchst angenehmes Schlupfloch aus der mütterlichen Obhut ermöglichten. Und als Helena dann ins Beach-Volleyball-Team berufen wurde, sah ihre Mutter sich in ihrer eigenen Falle gefangen und hatte zähneknirschend zulassen müssen, dass Helena in denkbar knapper Kleidung Punktspiele vor begeisterten Zuschauern absolvierte. Nein, an ihrem Körper war nichts auszusetzen, solange einem der Hang zum Muskulösen nicht störte.

      Sie war schlank, 1,72 groß und ihre Muskeln an Armen, Beinen, Oberkörper und Bauch waren nicht übertrieben ausgebildet, doch in vielen Haltungen und Bewegungen gut erkennbar. Ihr blondes Haar fiel in leichten Wellen bis auf die Schultern, umrahmte ein ovales Gesicht, in dem allenfalls die leichte Stupsnase hätte stören können, sofern man diese Form nicht gerade als besonders sympathisch ansah. Ihre Brüste verlangten Körbchengröße D und hingen nun in ungewohnter Freiheit rund und voll ein Stück herab. Manche flachbrüstigen Kameradinnen aus dem Volleyballteam hatten sie beneidet, andere hatten ihre Brüste insgeheim als eigentlich zu groß für einen Sport bezeichnet, in dem "die Möpse den Zuschauern ja förmlich entgegensprangen."

      Gedankenverloren fuhr sie mit den Fingern der rechten Hand durch das nur leicht gestutzte Gebüsch auf ihrem Venushügel. Irgendwann hatte sie heimlich angefangen, die Kanten etwas zu glätten und die äußeren Schamlippen frei zu legen, nachdem ihre Mutter bei einer damals fast Achtzehnjährigen schlechterdings noch intime körperliche Kontrollen durchführen konnte. Ohne Haare, so vermutete sie, würde sie sich noch freier fühlen, doch soweit war es noch nicht.

      Mit einem Ruck nahm sie das große Badetuch und ihr Buch vom Bett. Daneben lag auch das Bikinihöschen bereit, und ihre Hand zögerte ganz kurz, doch dann ging sie weiter und umfasste mit einem Ruck die Türklinke. Es war ein entscheidender Moment in ihrem Leben, das spürte


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