Fürstenkrone 179 – Adelsroman. Louisa Rosenhagen

Fürstenkrone 179 – Adelsroman - Louisa Rosenhagen


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ja nun überhaupt nicht! Sofort schaltete sie auf besorgte, hochkonzentrierte Mitarbeiterin um und unterstützte Hagen mit aufmunternden Blicken.

      *

      Caroline Stegen war heute als erstes der Geschwister zu Hause. Sie leerte den Briefkasten. Eine blöde Werbezeitschrift, die Rechnung des Telefonanbieters, eine Postkarte von einer Freundin ihrer Mutter, die gerade in Frankreich war – und ein Brief vom Melchior Verlag!

      Jetzt musste Caro sich setzen! Sie drehte den großen Umschlag aufgeregt zwischen den Händen. Dass Kitty angeschnurrt kam und zärtlich ihr Köpfchen unter Caros Kinn rieb, half auch nicht viel. Die Versuchung, den Umschlag zu öffnen und nach dem Inhalt zu schauen, war einfach riesengroß! Das Mädchen schloss ihre Augen und setzte sich auf die Hände, um nicht in Versuchung zu geraten. Die Geschwister hatten sich gegenseitig das Versprechen gegeben, den Brief ganz bestimmt nur zu öffnen, wenn wirklich alle mit dabei waren.

      Also wartete Caroline gefühlte drei Ewigkeiten, bis endlich auch Hanna und die Jungen durch die Tür kamen, ihre Rucksäcke fallen ließen und bereit waren, ihr zuzuhören. »Guckt mal, was ich habe!«, verkündete sie triumphierend und hielt den braunen Umschlag in die Höhe.

      Für einen Augenblick herrschte absolute Stille, und dann brach der große Trubel los! Ob sie den Umschlag tatsächlich öffnen sollten, wie sie es besprochen hatten? Ob das mit dem Wasserdampf wohl wirklich so eine gute Idee war? Wie man den Brief wieder gut verschließen konnte? Ob ihre Idee tatsächlich so toll war, wie sie gemeint hatten?

      Vor einigen Wochen hatten sie in einer Zeitschrift von einem Autorenwettbewerb gelesen, den der Melchior Verlag ausschrieb. Es gab tolle Preise, und dem Hauptgewinner winkten die Veröffentlichung, sagenhafte fünftausend Euro und ein Urlaub auf dem Reiterhof Eichenhof, wo auch die Preisverleihung stattfinden sollte.

      Hanna, welche den Artikel zuerst gelesen hatte, war wie elektrisiert und steckte mit ihrer Begeisterung sofort ihre Geschwister an. Daran musste ihre Mutter sich unbedingt beteiligen!

      Aber Sina lehnte ab und ließ sich auch nicht überreden. Sie fand, sie habe sowieso keine Chance, ihre Sachen seien nicht anspruchsvoll genug, das wäre alles nur für den Hausgebrauch und Ende der Diskussion!

      Die Kinder drängelten noch ein bisschen und gaben dann scheinbar auf. In Wirklichkeit suchten sie Sinas bestes Manuskript heraus, vervollständigten es mit den persönlichen Daten ihrer Mutter und sandten die Geschichte ein. Was konnte schon passieren?

      Entweder es kam überhaupt keine Antwort, dann hatte sich die Sache von allein geregelt.

      Oder es kam ein Brief, und den mussten sie abfangen und vorsichtig öffnen. Wäre er eine schriftliche Ablehnung der Geschichte, würden sie ihn vernichten, und ihre Mutter hätte keine Enttäuschung erlebt.

      Wäre er aber eine Gewinnbenachrichtigung, gäbe es für Sina eine große Überraschung.

      Vier Augenpaare saugten sich an dem großformatigen Schreiben fest. Ein vierstimmiger Jubelschrei brachte die Gläser zum Klirren! Vor dem ausgelassenen Gekreische floh Kitty entsetzt unter die Küchenbank. Die Rucksäcke blieben an der Garderobe liegen, jetzt hatte niemand Zeit für Hausaufgaben! Die Geschwister warfen ihr Geld zusammen, und Hanna lief durch die kleine Holzpforte im Hofgarten zu ihrer Nachbarin und Freundin Marie Weidenthal. Ihre beiden Grundstücke grenzten aneinander, und man war ganz schnell im ›Fleur de Lys‹, dem traumhaft schönen Blumengeschäft Maries. Hier kaufte Hanna für ihre Mutter einen fantastischen Blumenstrauß aus hellen Rosen, Ranunkeln, Anemonen und Freesien, alles in zartem Rosé und Crème. Marie vervollständigte den Strauß mit filigranen Gräsern und wand ein Atlasband zwischen den Blüten hindurch. Das Gebinde sah aus, als sei es aus einem kostbaren Gemälde zum Leben erwacht.

      Inzwischen hatten die drei anderen den Brief wieder verschlossen, den Tisch gedeckt und das Essen gewärmt. Jetzt musste bloß noch ihre Mutter kommen!

      Und die ließ auf sich warten.

      Nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen. Eine Kundin konnte sich überhaupt nicht für ein Kleid entscheiden und redete und redete und drehte sich vor dem Spiegel und wollte nun doch noch einmal das mit den rosa Perlen anziehen, bitte schön!

      Sina blieb freundlich und rüschte und räumte und zupfte und wünschte sich nichts sehnlicher als den wohlverdienten Feierabend gemeinsam mit ihren Kindern! Endlich fiel der Kundin ein, dass sie sich heute noch gar nicht entscheiden musste, die Hochzeit war ja erst in einem Jahr, und Sina konnte endlich nach Hause eilen.

      Als sie die Tür öffnete, schlug ihr der einladende Duft nach Essen entgegen. »Hallo, ihr Lieben!«, rief sie, schleuderte ihre Schuhe von den Füßen und ließ sich mit einem erleichterten Seufzer in den Korbsessel am Küchentisch fallen. »Ist das schön, bei euch zu Hause zu sein! Meine Kundin eben hat mir den letzten Nerv geraubt, ich wollte nur noch weg! Wie schön, dass ihr alle hier seid und das Essen gemacht habt.«

      Sina machte sich im Bad frisch, tauschte ihre Arbeitskleidung gegen ein bequemes Sommerkleid und setzte sich wieder an den Tisch. Sie wollte sich gerade aus der großen Salatschüssel bedienen, als Caro meinte: »Mama, willst du nicht erst mal einen Blick auf die Post werfen?«

      »Och, nö, das sind bestimmt alles nur Rechnungen, die können bis nach dem Essen warten«, sagte sie und bediente sich mit Feldsalat und geröstetem Brot.

      »Ja, aber deine Freundin Lena ist doch in Frankreich, vielleicht hat sie dir eine Karte geschickt? Mir war so, als hätte ich da was Buntes zwischen der Post gesehen«, warf Jonathan ein.

      »M-mh«, machte Sina und aß seelenruhig weiter.

      Es war zum Verzweifeln! Die Kinder wechselten beredte Blicke. »Erwartest du nicht Post vom Finanzamt? Vielleicht kriegst du eine dicke Steuerrückzahlung«, schlug Maximilian vor.

      »Na, höchstens eine Steuernachzahlung!«, meinte Sina und nahm sich das nächste Brot. Dann schaute sie ihre Kinder an. Lauter erwartungsfreudige Gesichter! Jetzt wurde sie hellhörig. »Sagt mal, woher kommt eigentlich euer plötzliches Interesse an meiner Post?«

      »Och, nur so«, antwortete Caro gedehnt. Sie stand kurz vorm Platzen!

      »Na gut, meinetwegen«, antwortete Sina und griff nach den Briefen, die neben ihrem Teller lagen. »Tatsächlich, Lena hat geschrieben.« Sie überflog die Karte. »Ich soll euch grüßen.«

      Jetzt nahm sie den großen Umschlag und schaute auf den Absender. »Ach, der Melchior Verlag. Wahrscheinlich ein Katalog mit Lesetipps für die Ferienzeit«, meinte Sina und legte den Umschlag ungeöffnet aus der Hand.

      »Mama, kann ich mal reingucken? Ich liebe Bücherkataloge!«, erklärte Caroline.

      »Klar!« Ihre Mutter schob ihr den Umschlag zu, den sie jetzt ganz offiziell öffnete, aber dann wusste sie nicht weiter.

      Hanna sprang ein, indem sie ihrer Schwester über die Schulter schaute und dann sagte: »Nein, das sind keine Buchempfehlungen, das ist ein persönliches Schreiben an dich.«

      »So? Was wollen sie denn von mir?«, fragte Sina, mäßig interessiert, und nahm den Brief entgegen.

      Und das war höchstwahrscheinlich der Moment, in dem zum ersten Mal in ihrem Leben Feenstaub unsichtbar über ihr in der Luft tanzte.

      Sina las den Brief. Und las ihn noch einmal. Und runzelte verwirrt die Stirn. Und schaute ihre Kinder an. »Ich versteh das nicht!«, sagte sie. »Hier steht, ich hätte an einem Schreibwettbewerb teilgenommen. Das habe ich aber gar nicht!«

      »Doch, Mama, hast du!«, antwortete Hanna.

      »Mit der Kurzgeschichte ›Nebelfrau‹«, erklärte Caroline.

      »Deiner besten Erzählung«, ergänzte Maximilian.

      »Aber ich verstehe immer noch nicht! Woher haben denn die meine Geschichte?«, fragte Sina.

      »Weil, äh, wir sie unter deinem Namen eingereicht haben«, antwortete Jonathan.

      Jetzt hielten alle Kinder die Luft an.

      »Ihr habt – was getan?« Sina wurde laut.


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