Der Mullimutspumper ... reist um den Bodensee. Dietmar Timmer
war noch allerlei, was man zum Wohnen brauchte, vorhanden, auch eine gut ausgestattete Küche, denn der Mullimutspumper kochte leidenschaftlich gern.
Um den großen Saal herum waren die Schlafräume für ihn und seine Gäste angeordnet. Jeder Schlafraum hatte sein eigenes Bad und ein Bullaugenfenster, von wo aus der Seegrund betrachtet werden konnte wie in einem Unterseeboot.
In der Küche gab es alles, was man brauchte, allerlei Kräuter und auch ein Labor, wo all die Salben, Tees und Elixiere hergestellt wurden, die vielen Leute halfen, ihre Krankheiten zu kurieren. Ja, es war ein kleines, aber feines Unterwasserschloss.
Der Mullimutspumper
... und der Bankraub
in Uttwil bei Romanshorn
In Uttwil bei Romanshorn war ein Getöse, Gewusel, Krach und Lärm, ein wildes, chaotisches Durcheinander. Der ganze Ort musste auf den Beinen sein, da war etwas nicht in Ordnung, irgendwas war da schiefgelaufen.
Man muss wissen, zwischen Uttwil in der Schweiz und Friedrichshafen in Deutschland ist der Bodensee am breitesten (14 Kilometer) und tiefsten (254 Meter).
Der Mullimutspumper beschloss, sich die Sache näher anzuschauen. Er schlüpfte in seine grüne Lederhose, die aus kleinen Schuppen (wie die von Fischen) genäht war, zog seine kastanienbraune Lederjacke an, schloss die großen bronzenen Knöpfe, setzte seinen schwarzen Hut auf (wie ein Fischkopf geformt, mit breiter Krempe und einer roten Feder obendrauf) und los ging es. Halt, er hatte vergessen, seine schwarzen Stiefel anzuziehen. Schnell hineingeschlüpft und schon eilte er ans Ufer zu seinem Wagen.
Sein Auto war ein Morgan Threewheeler. Der hatte vorne zwei und hinten ein Rad, war dunkelgrün und ein Geschenk von seinem Freund Snoby aus England. Der Mullimutspumper liebte das Fahrzeug und pflegte es voller Hingabe. Der Motor war vorne, zwei Zylinder wie bei einem Motorrad, man konnte ihn richtig arbeiten sehen, die Teile waren allesamt verchromt und blitzten sauber geputzt in der Sonne. Das Ganze sah aus wie bei einem alten Doppeldeckerflugzeug.
In Uttwil angekommen, stellte er sein Auto am Rathausplatz ab, gefolgt von einer Schar Kinder, die sich über seine Kleidung lustig machte. „Schuppenhase, Fischkopf, Hosenwurm, Knochenständer, Mägerlimucki“, riefen sie ihm nach. Er sah ja auch putzig aus.
„Ihr seid rotzfrech“, antwortete er ihnen. Da der Mullimutspumper Kinder liebte, hatte er immer eine Handvoll Bonbons in der Hosentasche, die er gerne verteilte. Nachdem er dies getan hatte, drängte er sich mitten in die Menschenmenge an der Uferpromenade hinein. Dort herrschten eine große Aufregung, ein wildes Durcheinander und lautes Reden, er verstand kein Wort, die Leute waren hektisch und aufgeregt.
Endlich konnte der Mullimutspumper in der Menschenmenge eine ältere Dame ansprechen, die ihm über das schreckliche Ereignis Auskunft gab. „In der kleinen Bank von Uttwil wurde eingebrochen und das ganze Geld der Uttwiler gestohlen“, berichtete sie. Daher die Aufregung, das war natürlich verständlich.
„Das ist ja furchtbar, richtig boshaft“, antwortete der Mulli, bedankte sich bei der Dame und ging zur Bank, um sich das Ganze näher anzusehen. Vor dem Gebäude waren bereits die Polizei aus Romanshorn, der Bürgermeister Ratschisch und der Ortspolizist Stringel versammelt. Ratschisch war ein großer, kräftiger Mann, nicht zu verwechseln mit einem Terminator, er war mit einem dunklen, etwas verbeulten Anzug bekleidet und trug einen kleinen schwarzen Hut mit schmaler Krempe. Sein Gesicht war geprägt von einem ausladenden Schnurrbart, einer Popelbremse.
Stringel war klein, gedrungen und etwas dicklich. Er trug seine Polizeiuniform, die schon etwas zu klein geworden war und aus allen Nähten zu platzen drohte. Er hatte einen ausgeprägten Stiernacken und sehr schwülstige Lippen. Der Mullimutspumper sprach die beiden an. „Können Sie mir bitte nähere Auskünfte über die Vorkommnisse hier geben?“
Doch die Männer wiesen ihn sehr barsch ab. „Du siehst doch, dass wir jetzt keine Zeit für dich haben“, antwortete Stringel mit scharfer Stimme.
Komisch, sonst waren die beiden immer sehr freundlich und zuvorkommend ihm gegenüber gewesen.
Über die Dröppelgasse (das sind kleine, enge Gässchen zwischen den Häusern, die im Mittelalter zum Brandschutz frei gelassen wurden) konnte man in den Hof der Bank sehen. Das Fenster zum Büro war eingeschlagen, die Scherben lagen verstreut auf dem Hofpflaster herum. Eine sehr nette, freundliche Polizistin aus Romanshorn sprach ihn an. „Was machen Sie denn hier?“, fragte sie ihn. Er stellte sich ihr vor und bekundete sein Interesse an den Uttwiler Bürgern, daraufhin gab sie ihm nähere Informationen. „In der Nacht wurde in das kleine Büro der Bank eingebrochen. Ein Hacker hat alle Kontodaten aus dem Computer gestohlen und dann sämtliches Geld der Uttwiler aus dem Geldautomaten gezogen. Wir wissen aber schon, wer es war. Der ortsbekannte Landstreicher Utzerup ist gestern im Ort gesehen worden und seitdem spurlos verschwunden“, berichtete sie.
Der Mulli bedankte sich bei ihr und fragte noch nach dem Bankdirektor Zirngibel.
„Der ist im Urlaub und kann nicht erreicht werden“, antwortete die Polizistin.
Nun musste der Mulli erst mal in ein Café gehen und sich stärken. Im Ortskern lag das kleine Lokal von Frau Rüffele. Dort angekommen ließ er sich über einer heißen Tasse Kaffee grübelnd die ganze Geschichte noch mal durch den Kopf gehen. Wenn man ein Fenster von außen einschlug, würden die Glasscherben nach innen und nicht in den Hof fallen. Der Utzerup als Hacker (das sind Leute, die sich unerlaubt in fremde Computer einloggen und darauf mitunter großen Schaden anrichten), das konnte nicht sein. Auch wenn er ein übler Gesell war, grimmig, böse und unbeherrscht, der Hellste war er schon in der Schule nicht gewesen, kurz: eine Blimse. Computer zu hacken, das konnte man ihm nicht zutrauen.
Hm ... hm ... Es half nichts, der Mulli musste ihn finden und mit ihm sprechen.
Als er den Ort verließ, sah er schon ein Plakat: Der Bankräuber Utzerup wurde gesucht, und wer ihn fasste, würde 1.000 SFR Belohnung erhalten.
„Das ging ja schnell“, dachte er, bevor er dem leicht geschwungenen Weg die sanfte Hügelkette hinauf in Richtung Wald folgte. Er kam an mehreren Bauernhöfen vorbei, wo er nach dem Utzerup fragte, doch keiner hatte ihn gesehen.
Am Waldrand angekommen fragte er einige Waldarbeiter, doch auch diese wussten nicht, wo sich der Landstreicher aufhielt.
Der Mulli kam am Waldgasthof vorbei und ging immer tiefer in den Wald hinein. Er kannte den Utzerup und auch das ein oder andere Versteck von ihm, doch er konnte ihn nicht finden.
Der Mulli machte oft ausgedehnte Wanderungen und kannte sich deshalb gut in der Gegend aus. Endlich kam er ganz oben am Bergkamm an, wo es eine Höhle mitten im Wald gab. Doch Vorsicht, lieber unsichtbar die Höhle betreten, schließlich sollte der Utzerup überrascht werden.
Unsichtbar, langsam wie eine Schnecke und ganz leise schlich er sich in die Höhle, immer tiefer hinein, es wurde düsterer und dunkler, er konnte schon fast nichts mehr sehen, als er über einen Stein stolperte, hinfiel und sofort wieder sichtbar wurde. Er holte seine Taschenlampe aus seiner Hosentasche, um sich einen Überblick zu verschaffen. Da entdeckte er eine Feuerstelle, die noch warm war.
Plötzlich huschte eine schwarze Gestalt über ihn hinweg. Durch das Licht der Taschenlampe wurde sie an die Höhlenwand projiziert, wodurch dort der riesige Schatten eines Vampirs mit ausgebreiteten Flügeln erschien. Das war dem Mullimutspumper unheimlich und er bekam eine Gänsehaut. Da ertönte ein Kreischen und Flattern über ihm. Er rannte, so schnell er konnte, aus der Höhle hinaus und fiel, draußen angekommen, der Länge