Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz. Ödön von Horváth

Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz - Ödön von Horváth


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      [18]Szene Nummer 9

      OBERPRÄPARATOR (nähert sich langsam dem Präparator und hält dicht vor ihm). Schon wieder? Sie füttern schon wieder die Tauben? (Er fährt ihn plötzlich an.) Jetzt schauens aber, dass Sie verschwinden! (zu Elisabeth). Verstanden!

      ELISABETH. Gewiss. (ab).

      Szene Nummer 10

      OBERPRÄPARATOR (sieht Elisabeth nach). Na das sind ja saubere Zustände. Statt die Tumors endlich zu katalogisieren, treiben Sie sich da mit dem schönen Geschlecht herum!

      PRÄPARATOR. Irrtum, Herr Oberpräparator! Das Fräulein ist eine verarmte Zollinspektorstochter.

      OBERPRÄPARATOR. Zollinspektor?

      PRÄPARATOR. Jawohl. Und wenn jetzt diese Zollinspektorstochter hundertfünfzig Mark hätte, dann hätte sie auch ihren Wandergewerbeschein und die Welt würde sich ihr wieder öffnen -- Ich weiss, dass Sie mich für unfähig halten, Herr Oberpräparator, weil ich ein Aquarium habe und weil ich die Tauben füttere und weil ich ein gutes Herz habe --

      OBERPRÄPARATOR. Zur Sache!

      PRÄPARATOR. Zur Sache: Ich werde dieser Zollinspektorstochter unter die Arme greifen. Das steht bei mir felsenfest. Hundertfünfzig Mark.

      OBERPRÄPARATOR. Hundertfünfzig?

      PRÄPARATOR. Das Fräulein wird es mir schon zurückerstatten.

      OBERPRÄPARATOR. Mir scheint, Sie glauben noch an Wunder, Sie leichtsinniger Patron. Sie sollten meine Frau sein, Sie schlaget ich ja tot -- (er droht ihm neckisch mit seinem dickverbundenen Zeigefinger).

      [19]PRÄPARATOR. Was haben Sie denn da mit dem Finger? Verletzt?

      OBERPRÄPARATOR. Infiziert.

      PRÄPARATOR. Doch nicht an einem Leichnam?

      OBERPRÄPARATOR. Natürlich. Eben zuvor. An diesem komplizierten Fall aus Brünn.

      PRÄPARATOR. Passens nur auf, Herr Oberpräparator!

       (Stille.)

      OBERPRÄPARATOR (betrachtet seinen dickverbundenen Zeigefinger). Es tut nicht weh, das ist verdächtig --

      PRÄPARATOR. Wenn ich mir zum Beispiel meine Schmetterlingssammlung betrachte, dann denk ich immer, es dreht sich halt alles nach einer höheren Ordnung.

      OBERPRÄPARATOR. Zur Sache: Kommens, die Pflicht ruft! (ab mit dem Präparator in das Anatomische Institut).

       (Dunkel.)

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      [20] Zweites Bild

      Szene Nummer 1

       Schauplatz: Kontor der Firma Irene Prantl.

       Die Prantl ist besonders in ihrem geschäftlichen Leben eine geschwätzige Person. Jetzt hantiert sie auf ihrem Schreibtisch mit Abrechnungen, und zwar hat sie es recht wichtig . Vor ihr sitzt eine Frau Amtsgerichtsrat. Im Hintergrunde stehen Wachspuppen mit Korsett , Hüfthalter, Büstenhalter und dergleichen – in Reih und Glied, ähnlich wie die Köpf im Anatomischen Institut.

      DIE PRANTL. Allerhand Hochachtung, Frau Amtsgerichtsrat! Sieben Hüfthalter, sechs Korsetts, elf Paar Straps in knapp drei Tagen -- gratuliere, gratuliere! Sie haben es los! Besser als manche Berufsverkäuferin! Ein Talent!

      FRAU AMTSGERICHTSRAT. Mein Gott, unsereins hat halt so seine bestimmten gesellschaftlichen Bekanntenkreise, die wo einer Frau Amtsgerichtsrat kaum einen Korb geben wollen ---

      DIE PRANTL. Zu bescheiden, zu bescheiden! Das Verkaufen ist heutzutage kein Kinderspiel, die Leut schlagen einem die Tür vor der Nase zu!

      FRAU AMTSGERICHTSRAT. Aber es bleibt doch dabei: Wenn jemand fragen sollte, dann sagen Sie selbstredend, ich verkaufe das nur von wegen persönlicher Zerstreuung und so --

      DIE PRANTL. Ist doch sonnenklar, wollte sagen: bleibt unter uns!

      FRAU AMTSGERICHTSRAT. Bei diesen schweren Zeiten muss man auch dem eigenen Manne unter die Arme greifen, der verdient jetzt noch ganze sechshundert Mark. Da wird abgebaut und abgebaut, aber die Herren Landgerichtsdirektoren und Ministerialräte -- (sie stockt, da das Telefon klingelt).

      DIE PRANTL (am Telefon). Ja. Soll nur gleich herein! -- Nur eine Sekunde, Frau Amtsgerichtsrat, wir sind gleich quitt!

      [21]Szene Nummer 2

      ELISABETH (tritt ein).

      DIE PRANTL. Grüss Gott, tritt ein zeigens her - habens Ihr Pensum hinter sich?

      ELISABETH. Hier -- (sie überreicht der Prantl ihr Bestellbuch).

      DIE PRANTL (blättert). Was? Zwei Paar Straps, einen Hüfthalter und ein Korsett, das ist doch radikal nichts!

      ELISABETH. Das Verkaufen ist heutzutage kein Kinderspiel, die Leut schlagen einem die Tür vor der Nase zu.

      DIE PRANTL. Also nur keine Gemeinplätze! Sie als Vertreterin müssen bei der Kundschaft den Schönheitssinn entwickeln! Jetzt wo das ganze Volk Gymnastik treibt und wo man überall nackerte Weiber sieht, das ist doch für unsere Branche die beste Reklame! Sie müssen Ihnen halt mehr an die Herren der Schöpfung halten, mir ist noch kein Mannsbild begegnet, das wo keinen Sinn für Strapsgürtel gehabt hätte! Wie war es denn in Kaufbeuren?

      ELISABETH. In Kaufbeuren war nichts.

      DIE PRANTL. Wieso hernach nichts? Kaufbeuren war doch immer phänomenal!

      ELISABETH. Ich war aber nicht in Kaufbeuren.

      DIE PRANTL. Sondern?

      ELISABETH. Ich wollte nämlich Zeit sparen und bin mit einem Auto gefahren und zwar direkt in der Luftlinie - aber plötzlich hat die Ölzufuhr ausgesetzt und ich habe in einer Scheune im Walde übernachtet.

      DIE PRANTL (fährt sie an). Im Wald? Meinens ich zahl umsonst?! Wenn Sie da mit derartigen Luftlinien weitermachen, haben Sie bis zum jüngsten Gericht die hundertfünfzig Mark noch nicht hereingearbeitet, die wo ich Ihnen für Ihren Wandergewerbeschein vorgestreckt habe!

      ELISABETH. Aber das war doch eine höhere Gewalt.

      [22]DIE PRANTL. Wenn die Angestellten jetzt auch noch mit der höheren Gewalt anfangen, dann höre ich auf! Dann bring ich mich um! Eine Blutvergiftung


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