Familie Dr. Norden 733 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Familie Dr. Norden 733 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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mit hübschen Gesichtern und Figur. Keine Bretter.«

      »Schon gut, schon gut, ich habe verstanden. Aber das ist momentan nicht so einfach.«

      »Wenn es einfach wäre, bräuchte ich dafür keine Agentur«, konterte Verheyen gnadenlos. »Also, wie sieht es aus? Können Sie mir noch ein paar richtige Mädchen anbieten, oder muß ich meine bisher so erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ihnen beenden?«

      Miriam Wolters schwieg einen Augenblick und dachte angestrengt nach. Viele Gesichter bekam sie Tag für Tag zu sehen, viele Mädchen castete sie, die sich glichen wie ein Ei dem anderen. Oder doch nicht? War da nicht eine junge Frau bei ihr gewesen, die eine ganz besondere Ausstrahlung gehabt hatte?

      »Einen Augenblick, Herr Verheyen. Vielleicht habe ich da doch noch was für Sie.« Miriam hob den Telefonhörer, um mit ihrer Sekretärin Nancy zu sprechen. Ein erleichtertes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie auflegte. »Alles klar. Nancy druckt die Bilder schnell aus. Sie ist gleich bei uns. Kann ich Ihnen inzwischen eine Tasse Kaffee anbieten?«

      »Sie meinen, damit mein Besuch bei Ihnen nicht reine Zeitverschwendung ist.« Simon Verheyen lächelte kühl und strich sich das dunkle halblange Haar aus der Stirn. »Also gut, einverstanden.« Der Espresso war noch nicht ganz durch die hochmoderne Maschine gelaufen, als Nancy das Büro betrat und mit einer leisen Entschuldigung auf den Lippen eine Mappe auf den Tisch legte.

      Hastig griff Verheyen danach.

      »Ich darf doch, oder?« Noch ehe Miriam etwas erwidern konnte, blätterte er durch die Bilder. Eine Weile sagte er gar nichts, doch als sie ihm den Kaffee servierte, bemerkte sie das zufriedene Lächeln, das seine Augen umspielte. »Na also, es geht doch«, bemerkte er trocken. »Ein außergewöhnliches Mädchen. Wer ist sie?«

      »Ein Neuling im Geschäft, aber zweifellos sehr talentiert. Romina Gnade ist ihr Name. Sie hat sich erst vor ein paar Tagen hier vorgestellt.«

      »Sehr schön. Ich denke, sie ist es. Wir brauchen sie für ungefähr drei Tage. Modeaufnahmen vor verschiedenen Kulissen der Innenstadt, Honorar wie üblich. Bitte veranlassen Sie alles nötige.« Zufrieden leerte er seine Tasse und stand dann auf. »Ich freue mich, daß es doch noch klappt. Die Zusammenarbeit mit Ihrer Agentur verläuft immer sehr zufriedenstellend.« Zum ersten Mal während der Dauer seines Besuchs machte er einen zufriedenen Eindruck. Miriam seufzte erleichtert. Der Verlag, für den Simon Verheyen fotografierte, war ein wichtiger Kunde, der zuverlässig und gut bezahlte. Und in diesen schwierigen Zeiten konnte es sich selbst eine Agentur wie Wolters & Partner nicht leisten, einen solchen Klienten zu verlieren.

      Als das Telefon im Hause Gnade zum wiederholten Male ins Leere läutete, saß Romina in der Schule und hatte ganz anderes im Sinn als ihre Modelkarriere. Mit strenger Miene marschierte ihr Englisch-Lehrer vor seinem Leistungskurs auf und ab, ohne seine Schüler aus dem Blick zu lassen.

      »Bei manchen von Ihnen wundere ich mich ehrlich, wie um alles in der Welt sie auf die Idee gekommen sind, ausgerechnet den Leistungskurs Englisch zu belegen«, schnarrte er in einem Tonfall, der seinen Schülern durch Mark und Bein ging. »Ein Kurs in Deutscher Grammatik wäre vorteilhafter gewesen. Zumindest lassen Ihre Übersetzungen darauf schließen.«

      »Ach du meine Güte, das klingt nicht gerade vielversprechend«, flüsterte Romy ihrem Freund Benedikt zu, mit dem sie die Bank teilte.

      »Das gilt besonders für Sie, Romina«, knallte es wie ein Peitschenhieb durch die Klasse. Romy wurde feuerrot und sank in sich zusammen. »Wenn das so weitergeht, fallen Sie mit Pauken und Trompeten durch das Abitur. Hier ist das, was von Ihrer Arbeit übrig ist.« Ein Blatt Papier, auf dem Romys Schrift vor lauter roter Tinte kaum mehr zu erkennen war, flatterte auf ihren Schreibtisch, ehe sich Lee seinen anderen Schülern zuwandte. Sie seufzte bedrückt.

      »Wenn das mein Vater zu sehen bekommt, ist alles aus«, seufzte sie und steckte die Arbeit, ohne sie eines Blickes zu würdigen, in ihre Mappe.

      »Ich verstehe das gar nicht. Du warst doch früher nicht so schlecht«, gab Benni flüsternd zurück. »Woran liegt’s denn?«

      »Akuter Zeitmangel. Ich hab’ dir doch von meinen Aufnahmen erzählt. Seit ich sie in der Tasche habe, tingele ich jeden Nachmittag von Agentur zu Agentur. Da bleibt einfach keine Zeit zum Lernen.«

      »Jetzt weiß ich endlich, warum du keine Zeit mehr für mich hast.« Benedikt grinste anzüglich. »Und ich dachte schon, du hättest einen anderen.«

      »Unsinn. Es gibt keinen besseren Kumpel als dich. Das weißt du genau.«

      »Manchmal wäre ich gern mehr als das«, gab Benni leise zurück und mied Romys Blick. Vor Verlegenheit brannten seine Wangen.

      »Wenn ich mich in dich verlieben würde, würde ich glatt meinen besten Freund verlieren.« Sie stieß ihm freundschaftlich mit dem Ellbogen in die Seite. »Und das will ich nicht. Außerdem habe ich im Moment genug Probleme an der Hacke.« Benedikt erwiderte nichts, denn der Englischlehrer ging gerade an der Bank der beiden vorbei, ohne seine Moralpredigt zu unterbrechen. Wie nebenbei legte er Bennis Arbeit auf den Tisch. Wieder die volle Punktzahl.

      Romina bedachte das Blatt mit einem neidischen Blick. »Du Glücklicher.«

      »Bei mir zu Hause schert sich kein Mensch um meine Noten«, gab er trocken zurück. »Hast du schon was von deiner Mutter gehört?«

      »Nein, nichts. Aber gestern kam ein merkwürdiger Brief von einem Notar. Es sieht ganz danach aus, als hätte sie sich irgendwo ein kleines Haus gekauft.«

      »Heimlich und mit der Kohle deines Vaters?« Benni schnappte vor Überraschung nach Luft. Fast beneidete er seine Freundin um ihr aufregendes Leben. »Ich wette, damit hättest du nie gerechnet.«

      »Nein, wirklich nicht.« Müde strich sich Romina über die Augen. Ganz anders als Benedikt dachte, fühlte sie sich erschöpft und ausgelaugt und sehnte sich insgeheim nach ihrem früheren Leben, nach Ruhe und Ordnung.Nach der Zeit, in der es noch keine Heimlichkeiten gegeben hatte. Als ihr Leben wie ein kleiner, munterer Bach vor sich hingeplätschert war.

      Unsanft wurde Romina vom Schulgong aus ihren Träumen gerissen. »Jetzt muß ich mir aber erst mal Gedanken darüber machen, wie ich das hier«, sie deutete auf ihre Mappe, »meinem Vater beibringe.«

      »Da wünsche ich dir schon mal viel Glück.« Benedikt lächelte aufmunternd. »Wie sieht’s aus, hast du heute nachmittag Zeit?«

      »Wir könnten uns zum Lernen treffen«, schlug Romy vor, um ihren Jugendfreund nicht zu verprellen. »Vielleicht kapier ich die Grammatik endlich, wenn du sie mir erklärst.«

      »Also abgemacht. Bis später dann!«

      Auf ihrem alten Herrenfahrrad fuhr Romina langsam nach Hause. Eine leere, viel zu große Villa erwartete sie, mit vereinsamten Räumen und kalten Kaminen, die vergeblich auf ein munteres Feuer warteten. Unwillkürlich fröstelte Romina und meinte, ein Stechen im Hals zu spüren. Hypochonder, schalt sie sich selbst. Inzwischen war sie zu Hause angekommen und schloß die Tür auf. Kein warmes Mittagessen wartete auf sie, keine angenehmen Düfte zogen durchs Haus. Zum ersten Mal in ihrem Leben vermißte Romy die ungeliebte Adoptivmutter. Aber noch ehe sich Tränen des Selbstmitleids einen Weg über ihre Wangen bahnen konnten, klingelte das Telefon im Arbeitszimmer ihres Vaters. Wenigstens ein Zeichen, daß sie nicht ganz vergessen war! Mit wenigen Schritten war Romy am Apparat und zog erschrocken die Luft durch die Zähne, als sich Miriam Wolters meldete.

      »Hier ist die Agentur Wolters & Partner. Spreche ich mit Romina Gnade?«

      »Ja klar. Sind Sie es, Frau Wolters?«

      »Ganz recht. Wo haben Sie denn die ganze Zeit gesteckt? Ich wollte schon aufgeben.«

      »In der Schule, das wissen Sie doch. Ich habe es auf dem Personalbogen eingetragen.«

      »So? Dann muß ich das übersehen haben.« Miriam überging ihre Nachlässigkeit geflissentlich. »Also, ich habe einen Auftrag für Sie. Was sagen Sie dazu?«

      »Einen Auftrag?« japste Romy ungläubig. »Einen richtigen Auftrag?«


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