Im Sonnenwinkel Classic 45 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Classic 45 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Lothar Dressler. Eva wusste es. Sie glaubte nun, dass Claudius eifersüchtig gewesen sei und lächelte versöhnlich.

      »Herr Dressler ist das, was du vor

      ein paar Tagen gern sein wolltest,

      Claudius«, erklärte sie sanft. »Kunstmaler.«

      Aber Claudius war gereizt. Sandra Münsters kühle Abweisung hatte ihn arg verletzt, und noch mehr, dass man von Eva mehr Notiz genommen hatte als von ihm.

      »Solltest du ihm Modell stehen?«, fragte er ironisch.

      »Davon kann keine Rede sein«, widersprach Eva. »Im Übrigen war ich nicht allein mit ihm, sondern in Gesellschaft sehr geistreicher Menschen.«

      »Eva macht in Geist«, witzelte er. »Wie putzig.«

      »Du hältst mich für dumm? Du siehst wohl nur die Tänzerin in mir, die ihre Glieder verrenkt. Zu mehr reicht es deiner Ansicht anscheinend nicht bei mir«, begehrte sie auf.

      Sie wunderte sich selbst, dass sie dazu fähig war, aber in dieser Nacht hatte sie an Claudius manches entdeckt, was ihr bisher verborgen geblieben war. Es war ihr nicht entgangen, wie abschätzend er Sandra gemustert hatte, und dann auch Ricky. So, als wollte er sich vergewissern, wie weit man bei ihnen gehen könnte. Sie hatte auch bemerkt, dass Ricky wie Sandra kühl und eisig wurden.

      »Wenn wir streiten wollen, sollten wir uns lieber trennen, Ev«, sagte Claudius da.

      Sie war wie gelähmt. So schnell ging das bei ihm? Konnte man sich über gewisse Dinge nicht vernünftig auseinandersetzen?

      »Entschuldige, Claudius«, äußerte sie beklommen. »Deine Worte haben mich verletzt.«

      »Mich deine auch.«

      Sie hatte ihm noch sagen wollen, dass es sie auch verletzt hatte, dass er sich so wenig um sie kümmerte, aber sie ließ es. Plötzlich hatte sie Angst, dass sie ihre Liebe einem Mann geschenkt hatte, dem sie nicht viel bedeutete, für den sie nur eine Episode war. Aber wie immer er sie auch kränkte, ihre Liebe für ihn blieb.

      »Felix Münster hat mir ins Gewissen geredet, dass ich Papa jetzt unterstützen müsse. Anscheinend ist er ernstlich krank«, fuhr Claudius fort. »Es ist wohl besser, wenn ich heimfahre.«

      Evas Augen begannen zu brennen.

      War das schon das Ende dieses Traumes? Aber vielleicht war es nur ein Traum gewesen, und irgendwann kam das Erwachen. Manchmal schneller, manchmal langsamer.

      Sie hatte Menschen kennengelernt, zu denen sie sich hingezogen gefühlt hatte. Hatte sie deshalb Claudius verloren? Ihre Gedanken verwirrten sich, ihr Herz begehrte auf, aber sie bemerkte an Claudius keine Gemütsbewegung.

      »Felix Münster schätzt meinen Vater sehr«, sagte er jetzt. »Ich glaube, dass ich mich tatsächlich mal um die Geschäfte kümmern muss. Du kannst ja zu deinen Eltern fahren. Ich bringe dich hin, und bevor du dann nach Amerika abdampfst, treffen wir uns noch einmal in Hamburg. Einverstanden, Ev?«

      Ob er sich ernste Sorgen um seinen Vater machte? Sie suchte nach Entschuldigungen. Sie war bereit, diese anzuerkennen, aber sie fragte doch: »Ist das der Abschied, Claudius?«

      Ihre Stimme bebte, ihre Augen wurden feucht. Irgendwie rührte ihn das.

      Er legte seine Hand unter ihr Kinn und erwiderte: »Was du gleich denkst, Schäfchen. Natürlich werden wir uns noch treffen.«

      *

      Eva hatte Claudius nicht mehr zu bitten gewagt, ihren Eltern wenigstens guten Tag zu sagen. Im Gegenteil, sie ließ sich nicht einmal bis vor das Haus bringen, weil ihr ganz plötzlich bewusst wurde, welch eine Kluft sie von der Herkunft her trennte. Er, der Sohn aus reichem Hause, der sich nie Einschränkungen aufzuerlegen brauchte, sie, die Tochter eines bescheidenen Angestellten, der es gerade zu einer Vierzimmerwohnung in einem einfachen Mietshaus gebracht hatte.

      Deswegen hatte Eva nie an Minderwertigkeitskomplexen gelitten, aber der Stimmungsumschwung bei Claudius machte sie unsicher.

      Claudius hielt auf ihren Wunsch in einer Seitenstraße an.

      »Es sind nur noch ein paar Meter«, sagte Eva leise.

      Er sah die grauen Häuser, die alle gleich aussahen, und war nun doch ein wenig betroffen, dass Eva in einer solchen Umgebung aufgewachsen war. Eigentlich passte sie nicht in ein solches Milieu.

      Unwillkürlich tat er jetzt das, was er bei manchem anderen Mädchen auch schon getan hatte, wenn der Abschied nahte. Er griff in seine Brieftasche und nahm ein Bündel Hunderteuroscheine heraus.

      »Kauf dir noch etwas Schönes, Kleines«, meinte er gönnerhaft, sie an sich ziehend.

      Entsetzt sah sie ihn an. Dann stemmte sie ihre Hände gegen seine Brust.

      »Ich brauche kein Geld!«, stieß sie hervor. »Überlegst du dir eigentlich …« Sie konnte nicht weitersprechen. Ihre Stimme erstickte in Tränen.

      »Ev, sei doch nicht albern!«, rief Claudius, aber sie war schon aus dem Wagen gestiegen. Ihr Gesicht war bleich.

      »Adieu, Claudius«, sagte sie leise.

      Er war, verwirrt und bestürzt, ebenfalls ausgestiegen. Unbehagen erfasste ihn. Es war ein ganz merkwürdiges Gefühl, das ihm bisher unbekannt gewesen war.

      »Dein Koffer, Ev«, bemerkte er stockend. »Musst du wirklich nicht weit gehen?«

      »Nein.«

      Er wollte nach ihren Händen greifen, aber sie wich noch weiter zurück.

      »Ich dachte nicht, dass ich ein Objekt für dich bin, Claudius«, erklärte sie bebend. »Das hättest du nicht tun dürfen.«

      »Rede doch keinen Unsinn, Ev! Ich verstehe dich nicht.«

      »Nein, du verstehst mich nicht.« Und dann eilte sie auch schon davon.

      Sekundenlang stand er da, bewegt von dem unguten Gefühl, dass er etwas sehr Schönes, dessen er sich gar nicht so recht bewusst geworden war, zerstört hatte. Aber Niederlagen konnte Claudius Röttgen nur schwer hinnehmen.

      Vielleicht ist es gut so, redete er sich ein, als er weiterfuhr.

      Vielleicht ist es gut so, dachte auch Eva, als sie vor der Wohnungstür ihrer Eltern stand und nun einigermaßen die Fassung wiedererlangt hatte. Ich habe etwas in ihn hineingelegt, was nicht vorhanden ist. Ich war für ihn nur ein Abenteuer wie viele andere. Ich wollte ja die Ohren vor all den Warnungen verschließen.

      *

      Claudius Röttgen erreichte am späten Nachmittag die prachtvolle Villa, die den Röttgens bereits in der dritten Generation gehörte. Innen war sie modernisiert worden, aber der herrliche Bau, einst der Landsitz eines Fürsten, war nicht verunstaltet worden.

      Ludwig Röttgen liebte die Fassade mit den Stuckverzierungen, er liebte die hohen, weitläufigen Räume, den Blick aus den Fenstern seines Arbeitszimmers über den herrlichen Park.

      Er leitete seit einigen Wochen sein Unternehmen von diesem Zimmer aus. Es war ihm zu anstrengend geworden, Tag für Tag in die Fabrik zu fahren. Hier war Stille um ihn. Er hatte auch den Wagen nicht kommen hören.

      Der Butler unterdrückte einen erstaunten Ausruf, als Claudius in der Halle erschien.

      »Ich bin es, Julius«, sagte Claudius, »kein Geist.« Julius machte eine kleine steife Verbeugung. Vor Überraschung konnte er noch immer nichts sagen.

      »Ist mein Vater zu Hause?«, fragte Claudius.

      »Herr Röttgen hat seit drei Wochen das Haus nicht verlassen«, erklärte Julius. »Sie wollten doch erst Ende der Woche zurückkommen.«

      »Wollte ich, aber ich habe es mir anders überlegt. Bei meinem letzten Besuch schien mir Vater nicht ganz auf dem Posten zu sein. Wie geht es ihm?«

      Julius zuckte die Schultern.

      »Er klagt nicht«, erwiderte er.

      »Ist


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