Dr. Laurin Classic 52 – Arztroman. Patricia Vandenberg
verbreitete aromatische Düfte.
Auf ihren fragenden Blick sagte Michael: »Morgen wird das Mädchen wieder mobil sein, sofern die Kopfverletzung keine Komplikationen mit sich bringt.«
»Was für eine Verletzung?«, fragte Moni nachdenklich.
»Sie muss irgendwo angeschlagen sein, aber vielleicht hatte sie die Verletzung auch schon vorher. Man weiß ja noch nichts, da sie bewusstlos ist. Nicht mal ihren Namen. Wir haben uns schon erkundigt, aber eine Vermisstenmeldung ist noch nicht eingegangen. Nun, morgen werden wir schon mehr erfahren. Aufregungen hatten wir jetzt genug, nun wollen wir den Tag mal friedlich ausklingen lassen.«
»Aber dein schönes Auto, ärgerst du dich gar nicht?«, fragte Angelika.
»Wenn die Polster nicht mal klares Wasser aushalten, taugen sie eh nichts«, sagte Michael mit einem flüchtigen Lächeln. »Aber darüber machen wir uns jetzt keine Gedanken. Hauptsache, euch geht es gut.«
»Und dir auch«, sagte Dieter.
»Dann zum Wohl«, lächelte er.
Wenn es nach Dieter und Angelika gegangen wäre, hätten sie noch lange zusammen gesessen, aber Moni sprach ein Machtwort. Sie war schon ein bisschen heiser, aber vielleicht kam das auch von der Befangenheit, weil es ganz so gewesen war, als gehöre Michael richtig zu ihnen.
Sie hatte ihn zur Tür begleitet, aber ganz so schnell ging er doch nicht.
»Morgen habe ich ja leider Dienst, Moni«, sagte er, »aber vielleicht können wir am Abend mal ein Stündchen zusammen sein.«
»Dr. Petersen hat uns eingeladen. Er wollte uns am frühen Nachmittag abholen. Sie sind auch immer so nett.«
Michaels Gesicht überschattete sich, und da überwand sie schnell ihre Hemmungen. »Aber wir werden nicht lange dort bleiben.«
»Ich möchte dir so vieles sagen«, flüsterte er. Und dann beugte er sich ganz schnell vor und küsste sie auf die Wange.
»Bis morgen Abend«, hatte er gesagt, und sie flüsterte: »Michael«, aber das hörte er nicht mehr, denn nun war er doch ganz schnell gegangen.
*
Dr. Uhl hatte Dr. Sternberg telefonisch Bericht erstattet, wie es bei außergewöhnlichen Ereignissen üblich war.
»Da nimmt Hillenberg endlich mal wieder einen freien Tag«, sagte Dr. Sternberg zu seiner Frau Corinna, »und dann muss so was passieren. Fortuna ist ihm wahrhaftig nicht wohlgesonnen.«
»Läufst du mir jetzt noch mal davon?«, fragte Corinna, die sich endlich mal wieder auf einen geruhsamen Abend mit ihrem Mann gefreut hatte.
»Nein, Uhl macht das schon.«
Wenig später kam Dr. Petersen nach Hause. Er wurde von seiner Frau Dagmar und den beiden Kindern Ronald und Nikki empfangen. Er kam nicht gleich dazu, seiner Frau Bericht zu erstatten. Die lebhaften Trabanten mussten erst zu Bett gebracht werden, und das nahm viel Zeit in Anspruch. Endlich konnten sie es sich dann auch gemütlich machen. Lars Petersen erzählte, und wie er es erwartet hatte, da er seine Frau kannte, hatte sie nichts dagegen, wenn Moni und ihre Geschwister den Sonntagnachmittag bei ihnen verbringen würden.
Der Abend nahm für sie einen friedlichen Verlauf. Nicht so für Dr. Laurin.
Er wurde in die Klinik gerufen zu einer Geburt, die erst eine Woche später erwartet worden war.
An der Beschleunigung war wohl der schnelle Wetterwechsel schuld.
Schon eine halbe Stunde später schrie sich das Baby, das Komplikationen nicht zu lieben schien, lauthals ins Leben, war kerngesund und mit seinen sieben Pfund auch ganz hübsch beieinander.
Die Eltern waren zufrieden und glücklich, und Dr. Laurin hätte wieder heimfahren können, aber Schwester Marie berichtete ihm nun von Dr. Hillenbergs Abenteuer.
»Jemine, ich hätte der jungen Mannschaft wahrhaftig einen sonnigen, fröhlichen Tag gewünscht«, sagte Dr. Laurin. »Ich gehe mal rüber und schaue nach dem Mädchen.«
»Sie scheint auch im Traum mit den Wellen zu kämpfen«, sagte der lange Dr. Uhl nachdenklich, als er mit Dr. Laurin an das Bett des Mädchens trat.
»Was ist das für eine Kopfwunde?«, fragte Dr. Laurin.
»Eine Prellung mit Platzwunde. Ich würde sagen, dass sie irgendwo aufgeschlagen ist, vielleicht auf einem Bootsrand, aber wenn sie über Bord gegangen wäre, hätte man sie doch wohl wieder hereingeholt.
Vermisst scheint sie nicht zu werden. Man hat bisher auch keine Sachen am Ufer gefunden. Ich habe mich schon bei der Polizei erkundigt. Wir müssen abwarten, was sie uns zu erzählen hat.«
Dr. Laurin betrachtete das Mädchen nachdenklich. Sie hatte ein feines Gesicht, nicht landläufig hübsch zu nennen, und jetzt war es von einem Ausdruck gezeichnet, den man nur als Angst bezeichnen konnte, denn Schmerzen konnte sie kaum haben nach der Spritze, die sie bekommen hatte.
Nun hatte er daheim auch etwas zu erzählen. »Komisch, wir haben von dem Unwetter doch kaum etwas gespürt«, stellte er fest.
»Wir haben uns eine ganz besonders günstige Wohnlage ausgesucht«, meinte Antonia. »Ist dir das noch nicht aufgefallen? Ganz selten geht es bei uns auch so wild her wie drüben auf der anderen Seite.«
»Dafür geht es sonst wild genug her«, sagte Leon mit einem Seufzer, des Trubels eingedenk, der sich am Nachmittag mal wieder bei ihnen abgespielt hatte.
Antonia allerdings meinte, dass sie sonst auch nicht anders wären, dass Leon nur überarbeitet sei. Es war wieder einmal eine sehr anstrengende Woche gewesen.
»Karin hat das Wetter jedenfalls wieder gespürt«, sagte Antonia. »Sie muss jetzt mal eine Kur machen. Du musst ganz energisch mit ihr sein, Leon. Ein paar Wochen kann ich auch mal allein fertig werden«, erklärte Antonia.
»Nein, das kannst du nicht, dann bist du auch reif fürs Sanatorium.«
»Teresa nimmt mir die Kinder ab, und ihre Zugehfrau hilft auch bei uns mal aus.«
»Und was doch alles an dir hängen bleibt, habe ich heute wieder gesehen. Kyra ist ein richtiges Temperamentsbündel. So schnell kann man gar nicht schauen, wie sie herumflitzt. Und Dummheiten machen die anderen drei auch schon genug.«
Es stimmte schon.
Die vier Laurin-Kinder konnten die ganze Familie mitsamt Großeltern in Atem halten. Für Leon stand es jedenfalls fest, dass Karin erst zur Kur fahren konnte und damit auch nur dann einverstanden sein würde, wenn Antonia eine ständige Hilfe im Hause hatte.
Aber noch ahnten sie nicht, woher diese dann kommen sollte.
*
Gleich nachdem er am Sonntagmorgen seinen Dienst angetreten hatte, ging Dr. Hillenberg in das schmale Krankenzimmer, in dem sein Schützling lag.
Gegen Morgen war sie ruhiger geworden und hatte auch fest geschlafen, wie Dr. Uhl ihm berichtet hatte.
Sie lag mit geschlossenen Augen da, aber er spürte, dass sie nicht schlief.
»Wie geht es Ihnen heute?«, fragte er freundlich.
»Danke«, murmelte sie.
»Da haben Sie ja noch mal Glück gehabt. Fast hätte ich Sie nicht mehr erwischt.«
Schnell schlug sie die Augen auf. »Sie?«, fragte sie.
»Sie haben Glück gehabt, dass ein Arzt und ein Junge, der schon als Rettungsschwimmer trainiert war, zur Stelle waren. Sie waren ziemlich weit draußen im See«, erwiderte Michael.
»Es tut mir Leid, wenn ich andere in Gefahr gebracht habe«, flüsterte sie, und Tränen quollen aus ihren Augenwinkeln.
»Man merkt manchmal nicht, wie weit man sich vom Ufer entfernt und in welche Gefahr man sich begibt«, sagte Michael freundlich. »Aber jetzt geht es Ihnen wieder besser, und wir würden nun gern Ihren Namen erfahren und welche Angehörigen wir