Frauenmorde. Remo Kroll
dass Hilmar Switalla die Tür aufgebrochen hätte.
Grundrissskizze des Tatorts in der Brehmstraße in Berlin-Karlshorst
Frau Hagemeister, die die Polizei über den Notruf verständigt hatte, gab zu Protokoll, dass sie die Tochter von Rosemarie Switalla gegen 13.30 Uhr auf der Straße getroffen hätte, die sie bat, die Polizei anzurufen, da der »Onkel« wieder da sei, die Tür eingeschlagen und die Mutter Angst habe. Von Frau Hagemeister erfuhren die Kriminalisten zudem, dass sich Hilmar Switalla im Februar 1968 mit einem Seziermesser die Pulsadern aufgeschnitten hatte und in die Wohnung der Familie Kirchhoff/Switalla eingedrungen war. Rosemarie Switalla hatte Frau Hagemeister auch erzählt, dass ihr Mann sie im Dezember 1968 aus Eifersucht mit einem Seziermesser bedroht und ins Gesicht geschlagen hatte, so dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben musste.
Die Tatortuntersuchung begann um 17.30 Uhr und dauerte bis circa 23 Uhr. Alle tatrelevanten Spuren wurden kriminaltechnisch gesichert und dem Kriminalistischen Institut der Deutschen Volkspolizei zur Auswertung zugesandt.
Das Opfer Rosemarie Switalla
In der Zwischenzeit wurde der Mörder zur Blutalkoholbestimmung in das Krankenhaus der Volkspolizei in die Scharnhorststraße gebracht, dort wurde auch eine Speichelprobe genommen. Die Bestimmung des Blutalkoholgehalts ergab null Promille. Danach wurde er wieder zur VPI Lichtenberg verbracht, wo er durchsucht wurde. Seine Bekleidung beschlagnahmte man als Beweismittel, da sie Tatspuren in Form von Blutverschmierungen aufwies. Die von Switalla mitgeführten Gegenstände, unter anderem ein Sperrhaken, ein an ihn gerichteter Brief seiner Frau, eine gerichtliche Ladung in der Ehesache für den 25. Februar 1969, eine Krankenhauseinweisung vom 15. Januar 1969 für ihn mit der Diagnose »schwere Psychopathie, existentielle Suizidtendenzen«, die Ehescheidungsklage und ein Notizheft mit persönlichen Eintragungen, wurden ebenfalls als Beweismittel eingezogen und beschlagnahmt.
Von den Verletzungen an seinem Körper sowie den Fremdblutverschmierungen fertigten die Kriminaltechniker Farbfotos an. Der sich teilweise unter den Fingernägeln befindliche Schmutz wurde entfernt und gesichert. Die am Körper befindlichen Fremdblutanhaftungen konnten mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln nicht in entsprechender Qualität gesichert werden. Da Hilmar Switalla nun ständig schlug, randalierte und zu keiner vernünftigen Zusammenarbeit bereit war, wurde er gefesselt.
Am 14. Februar 1969 erfolgte gegen 21.30 Uhr im PdVP durch zwei Ärzte des Instituts für Gerichtliche Medizin der Charité die körperliche Untersuchung des Beschuldigten. Switalla machte nun einen schläfrigen Eindruck, war aber zeitlich und örtlich voll orientiert. Auf Fragen, die seine Opfer betrafen, reagierte er zunächst mit einem fast albern wirkenden Lachen. Er wurde kurz zu seinem persönlichen Werdegang und zu den Taten befragt. Er gab an, seine Frau ein bisschen gewürgt und dann »seziert« zu haben, da er sie liebe. Auf die Frage, ob er noch jemanden »seziert« habe, antwortete er: »Nur so zum Spaß, nur zur Probe. Das Material war Ausschuss (…) wollte mich auf die Prüfung vorbereiten (…) ich wollte sogar dekapitieren, ist aber nicht gelungen (…) hatte nur unzulängliches Werkzeug.« Wobei angemerkt werden muss, dass er den Vorgang der Dekapitation meinte, was einfach Köpfung bedeutet.
Weiterhin gab Switalla an, dass er vor der Tat noch Geschlechtsverkehr mit seiner Frau haben wollte, und bevor er die drei Frauen gewürgt habe, hätte er allen die Frage gestellt, wie alt sie seien und wie alt sie noch werden wollten und ob sie beten könnten. Bei der körperlichen Untersuchung fanden sich bei Switalla an Kopf, Hals, Brust, Oberarmen, Oberschenkeln und Unterschenkeln zahlreiche blutverkrustete Riss- und Kratzverletzungen. Beide Hände waren blutverschmiert.
Er wurde am 15. Februar 1969 gegen 0.45 Uhr ausführlich zum Sachverhalt vernommen. Dabei war er sehr um eine wahrheitsgemäße Darstellung seiner Taten bemüht und diktierte seine Vernehmung in die Maschine.
Fast zeitgleich erging die Anordnung zur Durchsuchung und Beschlagnahme der Wohnräume des Beschuldigten und seiner Mutter in der Linienstraße. Da die Mutter zu allen Räumlichkeiten gleichermaßen Zutritt hatte, bestand Gefahr im Verzuge. Mit der Durchsuchung wurde am 15. Februar 1969 um 0.10 Uhr im Beisein der Mutter und eines Staatsanwalts begonnen.
Nach Beendigung der ersten Vernehmung brachte man ihn in die Untersuchungshaftanstalt in die Keibelstraße in Berlin-Mitte in der Nähe des Alexanderplatzes. Die Inhaftierung erfolgte unter besonderer Bewachung, da eine große Suizidgefahr bestand.
Die jeweils zu den einzelnen Taten von Amts wegen gefertigten Anzeigen wegen des Verdachts des Mordes wurden in einem Ermittlungsverfahren zusammengefasst. Hilmar Switalla war geständig und überführt, am 14. Februar 1969 drei Frauen jeweils in ihren Wohnungen durch Messerstiche, Halsschnitte und Würgen vorsätzlich getötet zu haben.
Natürlich wurde weiter intensiv ermittelt. Zur Verstärkung der Einsatzkräfte bei der Durchführung des »Ersten Angriffs« bildete die Berliner Kriminalpolizei eine Erweiterte MUK in Stärke von dreißig Kriminalisten, denn Switalla hatte in seinen Vernehmungen sehr detaillierte Angaben gemacht, die alle überprüft werden mussten.
Vom St. Joseph Krankenhaus und vom Städtischen Krankenhaus Wuhlgarten ließ sich die Kriminalpolizei die Krankengeschichte des Hilmar Switalla aushändigen. Er war dort mehrfach wegen Suizidversuchen behandelt worden. Am 25. Februar 1969 beauftragte die Staatsanwaltschaft das Haftkrankenhaus Waldheim mit seiner psychiatrischen Begutachtung. Switalla wurde am 27. Februar 1969 nach Waldheim verlegt.
Auch die Kriminaltechnik arbeitete intensiv an der Beweisführung. Die an den drei Tatorten gesicherten daktyloskopischen Spuren wurden mit den Vergleichsfingerabdrücken von Hilmar Switalla und den mittels Daktyloskopiefarbstein und Prenaband angefertigten Vergleichsabdrücken der Opfer einzeln verglichen. Dabei stellten die Sachverständigen für Daktyloskopie an zwei Spuren Übereinstimmung mit individuellen Merkmalen von Hilmar Switalla fest. Die am Tatort des Mordes an Ursula Kaschube in Berlin-Mitte gesicherte Spur an der äußeren Seite der Wohnzimmertür wurde durch den linken Mittelfinger und die Papillarleistenspur auf der blutbehafteten Zigarettenschachtel vom Tatort des Mordes an Rosemarie Switalla in Karlshorst durch den rechten Zeigefinger des Täters verursacht.
Die am Tatort in der Linienstraße, Opfer Inge Schubert, aufgefundenen verbrannten Reste eines Textilprodukts untersuchten die Experten auflicht- und durchlichtmikroskopisch. Dabei stellte man fest, dass es sich um Baumwollgewebe handelte, das in Leinenwandbildung verarbeitet war. Mindestens drei Kanten besaßen einen Saum, der maschinell gefertigt worden war. Eine Größenbestimmung war aufgrund des starken Zerstörungszustands nur annähernd möglich. Es konnte sich um das Format eines handelsüblichen Taschentuchs gehandelt haben. Die am Textilprodukt festgestellten Merkmale (Material, Gewebe, Saum) wurden mit den in der Sammlung des Kriminalistischen Instituts befindlichen Taschentüchern verglichen. Es ergaben sich keine Unterschiede. Ob es sich tatsächlich um ein Taschentuch gehandelt hatte, konnte aber aufgrund der starken Zerstörung nicht mehr festgestellt werden.
Die im Institut für Gerichtliche Medizin der Charité nach der Sektion vorgenommene Blutgruppenbestimmung der Geschädigten brachte folgende Ergebnisse:
– Inge Schubert: 0 Gm (a+) (x-) (f+),
– Ursula Kaschube: 0 Gm (a-) (x-) (f+),
– Rosemarie Switalla: 0 Gm (a-) (x-) (f+).
Da zwei Blutgruppen vollständig übereinstimmten und auch die dritte nur in einem Merkmal Unterschiede aufwies, waren die Differenzierungsmöglichkeiten der Spuren sehr begrenzt. Die Untersuchung der Vergleichsblutprobe des Beschuldigten Hilmar Switalla ergab 0 Gm (a-). Was heißt, dass alle vier Personen, ein Täter und drei Opfer, dieselbe Blutgruppe besaßen. Das ist in der Kriminalgeschichte wahrscheinlich einmalig.
Das am Tatort der Tötung von Inge Schubert an der Türklinke der Küchentür gesicherte Handtuch sowie der Staublappen aus der Wohnung der Ursula Kaschube wiesen kein Blut in nachweisbarer Form auf. Am gesicherten Handtuch aus dem Küchenschrank