Familie Dr. Norden 734 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Familie Dr. Norden 734 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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war teuer, und Fabian erkannte, daß er sich wirklich etwas einfallen lassen mußte, wollte er in der harten Geschäftswelt überleben.

      Diese Hürde hatte Charlotte Pattis längst und mit Leichtigkeit genommen. In ihrer Weinhandlung summte es immer wie in einem Bienenstock. Die verhaltenen Stimmen und das anerkennende Gemurmel, das durch das eindrucksvolle Kreuzgewölbe hallte, war wie Musik in ihren Ohren. Die Kunden standen an alten Weinfässern, fachsimpelten, während sie edle Tropfen verkosteten, und hatten dabei auch noch die Gelegenheit, ausgefallene Gemälde und Kunstwerke zu bewundern. Nicht zu Unrecht galt sie als eiskalte Geschäftsfrau, doch diese Härte hatte ihr den Weg zu den besten Restaurants der Stadt geebnet, die inzwischen zu ihren Stammkunden zählten.

      All diese Details, die er bereits sorgfältig recherchiert hatte, ehe er Charlotte Pattis den Gewinn überbracht hatte, gingen Joseph Reischl durch den Kopf, als er durch die weitläufigen Hallen wanderte und an seinem Plan feilte. Er war kein Mann, der lange fackelte. Statt wie versprochen ins Büro zurückzukehren, packte er den Stier bei den Hörnern.

      »Oh, Frau Pattis, ich hatte gar nicht erwartet, Sie hier anzutreffen.« In gespielter Überraschung verbeugte er sich vor Charlotte, die ihm geradewegs in die Arme gelaufen war.

      »Herr… ach ja, Reischl, meine Glücksfee«, spottete Charlotte, als sie sich von ihrer Verwirrung erholt hatte. »Sind Sie auf der Suche nach einem guten Tröpfchen? Soll ich eine Verkäuferin kommen lassen?«

      »Ich glaube nicht, daß mir eine Ihrer Damen behilflich sein kann. Außerdem sprech ich lieber mit der Chefin persönlich.«

      »Darf ich das als Kompliment auffassen?«

      »Wie Sie wollen. Wo können wir ungestört reden?« Jost sah sich forschend um. Für seinen Geschmack konnten zu viele ungebetene Gäste seinen Worten lauschen.

      Charlotte Pattis musterte ihr Gegenüber einen Augenblick skeptisch, doch dann siegte ihre Neugier.

      »Also gut, hier entlang. Aber ich warne Sie, meine Zeit ist teuer.«

      »Sie werden zufrieden sein.« Joseph lächelte verschmitzt, und zum zweiten Mal innerhalb einer Woche folgte er der erfolgverwöhnten Geschäftsfrau. Diesmal fragte sie ihn nicht nach seinen Wünschen, bot ihm keinen Kaffee an und kam gleich zur Sache.

      »Wenn Sie hier sind, um meine Million zu verschleudern, können wir uns dieses Gespräch sparen«, herrschte sie ihn ungnädig an, als sie Joseph gegenüber Platz genommen hatte.

      »Von Verschleudern kann keine Rede sein. Ich habe Ihnen einen höchst seriösen Vorschlag zu machen. Gewinnträchtig…«

      »Um was geht es?« Charlottes Jagdfieber war geweckt.

      »Kennen Sie den kleinen Feinkostladen in der Fußgängerzone?«

      »Gegenüber dem Kaufhaus? Ja, der ist mir schon aufgefallen. Phantasievolle Auslagen, gute Ware. Diese Qualität findet man heute nicht mehr allzu häufig.« Frau Pattis nickte anerkennend, fair war sie.

      »Freut mich, das zu hören. Ich suche nämlich einen Teilhaber für das Geschäft.«

      »Es gehört Ihnen?«

      Joseph lächelte siegessicher. Er hatte den ersten Punkt gemacht. Es war ihm gelungen, Frau Pattis zu überraschen.

      »Nicht direkt. Mein Sohn betreibt es. Ein sehr geschickter junger Kaufmann. Das Geschäft blüht.«

      »Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Seit das Kaufhaus Feinkost führt, kaufen die Leute doch sicher da.«

      »Da irren Sie sich gewaltig, die Umsätze sind sehr ansehnlich.«

      »Warum will Ihr Sohn dann einen Teilhaber?« Charlotte wurde mißtrauisch.

      »Ja, sehen Sie, er hat Pech mit dem Weinlieferanten. Immer kommt die Ware zu spät, ist mal zuviel und mal zu wenig, die Qualität mitunter nicht das, was man von einem Feinkostladen erwartet.«

      »Und da dachten Sie, ich könnte das Sortiment mit meinem Wein attraktiver gestalten«, führte sie seinen Gedanken laut fort. Dabei ging ihr Blick an Joseph vorbei ins Leere, und zu seinem Vergnügen bemerkte er, wie schnell der Fisch angebissen hatte.

      Charlotte kalkulierte bereits. »Wie groß ist denn der Laden?«

      »Gut und gern achtzig Quadratmeter, angefüllt mit dem Feinsten, was Europa zu bieten hat. Und vergessen Sie nicht diese Lage. Einmalig.«

      »Doch so groß? Von außen wirkt er viel kleiner.«

      »Das liegt an der aufgeteilten Schaufensterfläche. Aber kommen Sie doch mal vorbei und sehen sich unverbindlich um. Ich werde inzwischen mit weiteren Interessenten sprechen«, bluffte Jost gekonnt.

      »Das ist vielleicht nicht nötig.« Frau Pattis fiel auf seine Falle herein. »Heute nachmittag kann ich mich bestimmt ein Stündchen freimachen.« Ein Geschäft mitten in der Fußgängerzone, zentral gelegen, der ideale Ort, um erlesene Weine unter das gewöhnliche Volk zu bringen. Denn obschon Charlotte sehr gute Geschäfte mit den Restaurants machte, fehlte ihr die Laufkundschaft, die sich selten in das in einem ruhigen Hinterhof gelegene Gewölbe verirrte. Was für eine Chance wurde ihr da geboten. Die Sterne schienen gut zu stehen, zuerst der Gewinn und dann dieses sagenhafte Angebot. Alles schien sich zur rechten Zeit am rechten Ort abzuspielen. Doch Charlotte Pattis wäre keine gute Geschäftsfrau gewesen, wenn sie sich nicht ein gutes Stück Mißtrauen bewahrt hätte. Sie musterte Joseph Reischl argwöhnisch, der wortlos vor ihrem Schreibtisch saß. »Ihre Karte habe ich ja zu Hause. Wenn mir das Geschäft zusagt, melde ich mich wegen der Details. Bitte bereiten Sie schon mal die Unterlagen vor, Umsatzlisten, Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen. Eben alles, was sich so im Laufe der Zeit angesammelt hat, damit sich mein Wirtschaftsprüfer ein Bild von der Lage machen kann.«

      »Ich erwarte Ihren Anruf.« Ohne auf ihre Aufforderung einzugehen, erhob sich Joseph mit einem feinen Lächeln. Er deutete eine Verbeugung an, ehe er Frau Pattis mit ihren Gedanken und Plänen allein zurückließ.

      *

      Von solchen knallharten Geschäften hatte die junge Krankenschwester Johanna Rehwald keine Ahnung. Ihr erschien München wie das Paradies, verlockend schön, aber ebenso unerreichbar dank der Sturheit ihrer Eltern.

      »Hanna, jetzt sei doch nicht so bockig.« Das war die flehende Stimme ihrer Mutter, die an der verschlossenen Tür rüttelte. »Laß uns noch mal darüber reden.«

      »Ich wüßte nicht, was es da noch zu reden gibt«, gab Johanna patzig zurück. »Ich gehe nach München in die Behnisch-Klinik. Aus, basta, Schluß!«

      »Kannst du die Bedenken von Papa nicht verstehen?«

      »Mama, ich bin zwanzig Jahre alt und kein Kind mehr. Wenn ihr glaubt, ich habe Lust, in diesem Nest zu versauern, dann täuscht ihr euch.«

      »Aber Kind, wir haben doch immer nur dein Bestes gewollt.«

      »Woher wollt ihr wissen, was gut für mich ist? Ich weiß es ja selbst nicht mal. In diesem Kaff kann man ja keine Erfahrungen sammeln.« Verbittert trommelte Johanna mit der Faust auf ihre geblümte Tagesdecke ein, und ihre Mutter gab seufzend auf.

      Johanna konnte hören, wie sie die knarrende Holztreppe im Haus langsam hinunterstieg. Kurz darauf klapperten Töpfe in der Küche, Wasser rauschte. Margarethe Rehwald begann, das Abendessen für Mann und Tochter vorzubereiten, während Johanna im Geiste Abschied von dem Zuhause ihrer Kindheit nahm. Seit sie denken konnte, wohnte sie in dem putzigen, kleinen Haus am Rand des Tausend-Seelen-Dorfes mitten auf dem Land, kilometerweit von der nächsten Stadt und noch weiter von München entfernt.

      Hügelige Wiesen und weite Felder umgaben das Dorf, dessen Mitte ein spitzer Kirchturm zierte. Auch das Haus der Familie Rehwald war von einer großen Wiese gesäumt, wilde Rosen schmückten den Garten. Obstbäume gaben dem Bild einen romantischen Anstrich.

      Viele Jahre hatte Johanna ihre

      idyllische Heimat über alles geliebt, doch je älter sie wurde, um so beengter fühlte sie sich zwischen Mutter und Vater und deren einfachen Vorstellungen. Nach Freiheit


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