Dr. Norden Extra 10 – Arztroman. Patricia Vandenberg
das ist gut so, Paps. Ich habe grad festgestellt, daß du gesunder aussiehst. Es ist ja auch ein himmlisches Fleckchen. Ich habe schon eine Loipe gezogen.«
»Ist ja auch besser, als die Raserei auf der Piste«, meinte Jacob.
»Ich gehöre nicht zu den Rasern, aber es ist auch schön, mal einen langen Hang hinunter zu wedeln.«
Jacob warf seinem Sohn einen schrägen Blick zu. »Aber am Meer hat es dir doch anscheinend auch ganz gut gefallen. Du hast gar nicht viel davon erzählt.«
»Der Bub war ja seither noch gar nicht bei uns«, warf Dorle ein. »Ich bin froh, daß er sich wenigstens ein paar Wochen Urlaub gegönnt hatte, bevor er sich in die Arbeit stürzte.«
»Es war ein schöner Sommer, auch im Norden«, sagte Jobst. »Das Meer hat auch seine Reize.«
»Die Luft ist ja auch sehr gesund«, meinte Jacob, »und es gibt hübsche Mädchen.«
»Du mußt es ja wissen«, wurde er von seiner Frau geneckt.
»Schließlich hab’ ich dich ja auf Amrum kennengelernt, oder hast du das vergessen, mein Schatz?«
»Wie könnte ich das. Und wie ist Amrum jetzt, Jobst?«
»Schön«, erwiderte er gedankenverloren. Er meinte ein lachendes Mädchengesicht vor sich zu sehen.
Dorle und Jacob tauschten einen bedeutsamen Blick. Sie konnten im Gesicht ihres Sohnes lesen und machten sich nun Gedanken, wohin sein Blick sich verirrt hatte. Aber sie dachten nicht daran, ihm neugierige Fragen zu stellen.
Sie hatten nur den einen Wunsch, daß Jobst die richtige Frau finden würde, eine, die ihn verstand und mit der auch sie sich verstehen würden. Sie wollten nur, daß er glücklich wurde.
*
Donata Rohden wurde von ihrem Mann in die Behnisch-Klinik gebracht. Sie wirkte sehr erschöpft, er bemühte sich umsonst, ruhig zu wirken. Ihr Zimmer war bereit. Dr. Jenny Behnisch kümmerte sich um sie, aber Donata reagierte kaum, versuchte nur ein Lächeln, das aber gleich wieder verschwand.
»Du brauchst nicht zu bleiben, Vico«, hauchte sie nur. »Ich bin müde.«
Er sah Jenny an, und in seinen Augen lag ein verzweifelter Ausdruck.
Jenny bedeutete ihm, draußen zu warten. Er küßte Donata auf die Stirn und dann ihre Hände. »Ich hoffe sehr, daß es dir bald bessergehen wird, Darling«, sagte er leise.
»Mach dir nicht so viel Sorgen«, erwiderte sie stockend.
Jenny folgte ihm nach fünf Minuten, während Schwester Hanna der Patientin beim Entkleiden half.
»Ich verstehe nicht, daß Donata so schwach ist«, sagte Vico Rohden erregt. »Ihr Zustand hat sich in den letzten Tagen auffallend verschlechtert.«
»Deshalb hielt es der Kollege Norden auch für angebracht, sie in klinischer Behandlung zu wissen. Es ist nicht so einfach, eine genaue Diagnose zu stellen. Können Sie mir sagen, ob Ihre Frau schon einmal eine Hepatitis hatte?«
Vico Rohden sah sie irritiert an. »Sie meinen, weil ihre Haut so gelblich wirkt? Meine Frau ist gebürtige Brasilianerin. Sie hat normalerweise einen bräunlichen Teint. Jetzt ist sie blaß. Sie sehen doch auch, daß sie krank ist.« Er sprach schnell und leise, und seine Stimme war heiser.
»Ja, man kann es sehen, daß sie krank ist, aber für uns wäre es auch wichtig, etwas über frühere Krankheiten zu erfahren.«
»Wir sind seit drei Jahren verheiratet, und meine Frau war nie krank in dieser Zeit, bis vor sechs Wochen. Sie hat ihre Angehörigen in Rio besucht und kam fiebrig zurück.«
»Dr. Norden hat uns von der Anamnese informiert. Es handelte sich um eine Pyelitis.«
»Um eine Nierenbeckenentzündung, ich kenne mich mit den Fachausdrücken nicht aus«, sagte er.
»Was können sie mir über frühere Erkrankungen sagen?« Jenny sah ihn erwartungsvoll an. Doch er zuckte die Schultern.
»Nichts, wir haben über Krankheiten nie gesprochen. Meine Frau hat sehr solide gelebt, ist sehr ernährungsbewußt und keineswegs wehleidig. Sie lebt auch gern hier, nicht daß Sie denken, daß sie von Heimweh geplagt wird.«
»Kinder haben sie nicht?«
»Nein, vielleicht bereitet ihr das insgeheim Kummer. Sie hatte eine Fehlgeburt vor zwei Jahren. Ich denke, daß man auch ohne Kinder eine glückliche Ehe führen kann.«
Vielleicht denkt sie anders, ging es Jenny durch den Sinn, denn Vico Rohden war beruflich sehr engagiert und sicher auch häufig abwesend. Manche Krankheit war psychisch bedingt. Daniel Norden hatte so etwas auch angedeutet.
»Wir werden Ihre Frau gründlichst durchchecken und sicher auch zu einer genauen Diagnose kommen. Wenn sie operiert werden muß, brauchen wir jedoch ihre Einwilligung.«
»Meine?« fragte er rauh.
»Die Ihrer Frau.«
»Ich denke, sie wird einverstanden sein.«
Stimmt etwas nicht in dieser Ehe, ging es Jenny durch den Sinn. Sie wurde nicht ganz klug aus diesem Mann, der seine Frau aber anscheinend doch liebte.
»Tun Sie alles für Donata«, sagte er leise. »Sie ist doch noch so jung.«
Donata Rohden war zweiunddreißig Jahre, das erfuhr Jenny aus den Personalien. Und wenn sie seit drei Jahren mit Vico Rohden verheiratet war, war sie kein Teenager mehr gewesen, sondern bereits neunundzwanzig und wohl schon eine reife Frau. Um sich ein richtiges Bild von einer Patientin machen zu können, brauchte man auch etwas von ihrer Vergangenheit, von früheren Krankheiten, von möglichen Erbanlagen. Viel schien Vico Rohden davon nicht zu wissen, oder er wollte es nicht sagen.
Jenny betrachtete Donata als sie schlief und stellte fest, daß sie ein edles Gesicht hatte, ein klassisches Profil, und ihre Hände waren feingliedrig. Von Vico Rohden wußte Jenny auch nicht viel. Von einer früheren Ehe war nichts bekannt, auch nicht von Affären.
*
Vico Rohden wurde bereits erwartet, als er sein Haus betrat, ein wunderschönes, geschmackvoll eingerichtetes Haus, die beste Visitenkarte für einen sehr gefragten Architekten.
»Da bist du ja, Janine«, begrüßte er die schlanke, junge Frau. »Lieb von dir, daß du gekommen bist.«
Janine, fünfundzwanzig Jahre jung und seine Stiefschwester, sah ihn forschend an.
»Was ist mit Donata?« fragte sie.
»Ich habe sie eben in die Behnisch-Klinik gebracht. Dr. Norden hielt es für besser. Donata ist sehr schwach.«
»Könnte sie nicht einen Virus mitgebracht haben? Es schwirren so viele herum, die man nicht in den Griff bekommt. Du weißt doch, was mit Jens passiert ist.«
Er sah sie entsetzt an. »Donata darf nicht sterben!« stieß er hervor.
»Sorry, Vico, so hätte ich das nicht sagen sollen. Ich wollte dich nicht erschrecken. Donata ist bei guten Ärzten, für Jens war es zu spät. Er wollte ja nicht wahrhaben, daß er wirklich krank war. Wer hätte auch gedacht, daß ein so kräftiger junger Mann so schnell sterben könnte.« Ihr Blick schweifte in die Ferne.
»Ihr wolltet heiraten«, sagte Vico tonlos.
»Dazu wäre es nicht gekommen, auch nicht, wenn er gesund geblieben wäre.«
»Warum nicht? Ihr habt euch doch immer gut verstanden.«
»Zu einer Ehe gehört mehr, das hatte ich erkannt. Liebe ist eben nicht nur ein Wort.«
»Wem sagst du das. Du weißt, wie sehr ich Donata liebe. Es hat lange gedauert, bis ich die Frau fand, mit der ich mir ein gemeinsames Leben vorstellen konnte. Donata ist diese Frau, und ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Du kennst sie zu wenig, um mich verstehen zu können.«
»Aber ich kenne dich,