Glücklich der Mensch. Titus Müller

Glücklich der Mensch - Titus Müller


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in einer Woche erreichen, macht das nichts.“

      „Gott hat zu mir gesprochen.“

      Das Blut schoss Matteo ins Gesicht. „Mann, was soll diese Spinnerei! Seit Jahren liegst du mir in den Ohren, du willst Ritter werden, du willst dich beweisen, du musst weg aus diesem Nest. Und jetzt ziehe ich los und nehme dich mit, und du lässt mich im Stich? Erzähl mir nichts von Gott! Du hast Angst, du hast die Hosen voll, so sieht’s aus!“

      „Wenn ich Angst hätte, dann würde ich mich davor fürchten, meinem Vater unter die Augen zu treten. Meinst du, ich weiß nicht, wie peinlich das ist? Ich bin als Kreuzfahrer aufgebrochen, alle haben uns gefeiert. Und jetzt komme ich zurück und habe noch nicht mal Italien verlassen. Aber ich muss Gott gehorchen. Er hat im Traum zu mir geredet.“

      „Du glaubst das wirklich, oder?“

      Franziskus hielt mit Mühe seinem Blick stand. Matteos Enttäuschung schmerzte ihn zutiefst. Seit der Kindheit waren sie Freunde. Diese Reise ins Heilige Land hatte ihre Freundschaft auf immer festmachen sollen.

      „Dann verschwinde doch! Meinst du, ich will im Kampf einen an meiner Seite haben, der sich plötzlich überlegt, dass er doch keine Lust hat? Auf dich ist kein Verlass! Hau bloß ab, geh nach Hause zu deinem Vater und schneide Stoff zurecht.“

      „Ich lasse dir meinen Diener da, Matteo.“

      „Der Kerl hat eindeutig mehr Mumm als du. Geh mir aus den Augen!“

      Er schlich nach draußen. Sattelte sein Pferd. Das Panzerhemd zog er nicht an, wozu sollte er jetzt noch üben, es zu tragen? Er band es hinter sich auf den Sattel und machte sich auf den Heimweg.

      Das Klirren des Panzerhemds erinnerte ihn fortwährend an die abgebrochene Reise. Der Helm, den er an der Seite des Sattels befestigt hatte, war nutzlos geworden. Unterwegs machte er halt an einer Schmiede und verkaufte Rüstung und Helm weit unter Wert, nur um sie los zu sein.

      Er fühlte sich erbärmlich, wie damals vor dreieinhalb Jahren, als er schon einmal zu kämpfen versucht hatte. Sie waren von Assisi losgezogen, um die verfeindete Nachbarstadt anzugreifen. Perugia hatte ihnen wegen des Schlosses von Sasso Rosso den Krieg erklärt, das wollte man nicht auf sich sitzen lassen. Hoch zu Ross war er neben dem Altar hergeritten, der von weißen Ochsen aufs Schlachtfeld gezogen wurde, das goldene Kreuz leuchtete, angestrahlt von der Sonne, und er fühlte sich wie ein Held. Sie überquerten den Tiber, Assisis Armee, ein unbezwingbares Heer. Dann waren die Peruginer über sie hergefallen, besser ausgebildet, besser bewaffnet, und hatten sie zurückgetrieben bis in die Wälder oberhalb von Collestrada. Das Fußvolk Assisis war dahingeschlachtet worden, und ihn, den Reiter, hatte man zusammen mit den anderen Reitern gefangen genommen, weil man glaubte, er sei adlig wie sie.

      Monatelang lag er daraufhin im Kerker im feuchten Stroh. Seine Freunde traten vor Wut gegen die Wände, als sie noch Kraft besaßen, und lagen später apathisch da wie er und hörten dem Festjubel der Peruginer zu, das gedämpft von draußen durch die dicken Mauern hereindrang.

      Erst als er nicht mehr gekonnt hatte, als er bereit gewesen war, inmitten von Ratten und Schmutz auf dem kalten Steinboden sein Leben auszuhauchen, hatten ihn die Peruginer gegen ein hohes Lösegeld freigelassen. Krank und schwach war er heimgekehrt. Als Versager war er zurück nach Assisi gekommen, und genauso kehrte er auch jetzt heim, gescheitert, müde. Er würde ein Schwächling sein in den Augen der Leute.

      Der Abend dämmerte, als er durchs Stadttor nach Assisi hineinritt. Verwirrt sah man ihn an. Man tuschelte.

      Er stieg vor dem Tuchgeschäft vom Pferd, band es an und betrat den Verkaufsraum. Vater erklärte gerade einem Kunden einen neuen Samtstoff und strich werbend darüber. Als er Franziskus erblickte, stutzte er. Das Verkaufsgespräch wurde plötzlich kühl, er zählte dem Kunden noch ein paar Vorzüge auf und entließ ihn dann, er solle morgen noch einmal wiederkommen, wenn er über die Sache geschlafen habe.

      Kaum hatte der Mann den Laden verlassen, fragte Vater: „Was machst du hier? Wolltet ihr nicht zu Walter von Brienne reisen und euch mit seinem Heer nach Jerusalem einschiffen?“

      „Ich hab die Reise abgebrochen.“

      „Wie meinst du das, abgebrochen? Hast du Fieber? Ist Matteo etwas zugestoßen?“

      „Er fährt ins Heilige Land. Nur meine Pläne haben sich geändert.“

      „Den Diener habe ich für eine Woche im Voraus bezahlt! Und was ist mit der Rüstung?“

      Er übergab den Beutel mit Münzen, die ihm der Schmied gegeben hatte.

      Vater sah hinein, dann schrie er: „Das ist nicht mal die Hälfte meines Geldes! Ich arbeite hier Tag um Tag, damit du’s zu was bringen kannst, und du verschleuderst unseren Besitz, als gäbe es kein Morgen. Ein Nichtsnutz bist du! Und ein Feigling obendrein!“

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      Originalformat 56,5 x 77 cm, entstanden 2011

      Franziskus wurde heiß im Gesicht. Alles, was er sich zur Erklärung zurechtgelegt hatte, war plötzlich weg. Er wusste, der nächste Satz würde sein Leben verändern. Nachdem er sich kurz gesammelt hatte, sagte er: „Gott hat zu mir gesprochen.“

      „Gott!“ Vater schrie noch lauter. „Das wird ja immer schöner. Du machst uns zum Gespött der ganzen Stadt, mich machst du zum Gespött! Willst du uns ruinieren? Wer kauft bei den feigen Bernardones noch Stoffe? Wer treibt Handel mit einer Familie, die ihr Kreuzzugsgelübde gebrochen hat? Glaub ja nicht, das schöne Leben mit Festen und Mädchen und Tanzgelagen geht jetzt für dich weiter. Du wirst schuften, jeden Tag, bis die Ehre der Familie wiederhergestellt ist!“

      „Ja, Vater.“ Er machte kehrt. Die Tränen verschleierten ihm die Sicht, aber irgendwie schaffte er es nach draußen.

      „Wo willst du hin?“, brüllte der Vater ihm nach. „Es gibt Tuch abzumessen! Und in Foligno wartet ein Schneider auf eine Lieferung!“

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