Der Garten ist geöffnet. Beverley Nichols

Der Garten ist geöffnet - Beverley Nichols


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wir die unvergleichliche Familie der Rhododendren. Der »gewöhnliche« Rhododendron, von dem die ganze lange Linie der Aristokraten abstammt, ist natürlich der pontische Rhododendron, Rhododendron ponticum, der unsere Wälder im Juni lila färbt. Der ein oder andere Gartensnob rümpft vielleicht die Nase über die Ponticums, und es gibt ein paar alberne Frauen, die die Farbe für »vulgär« halten – was nur beweist, aus welch grobem Holz sie selbst geschnitzt sind, denn was könnte schöner sein als das Gestöber dieser Blüten zwischen dunstverhangenen Silberbirken. Es ist, als hätte Manet sich ein Gemälde von Corot vorgenommen und es mit dem Feuer seines energischeren Pinsels aufgefrischt.

      Aber ob »gewöhnlich« oder nicht, meine Ponticums zeigten nichts von der Zähigkeit, die man von denen, die sozusagen bäuerlicher Herkunft sind, erwartet hätte. Überall auf den britischen Inseln wurden gerade sie am stärksten in Mitleidenschaft gezogen. Einige wurden gänzlich hingemeuchelt, andere sahen so braun und verdorrt aus, dass sie den ganzen Sommer über eine Beleidigung für das Auge darstellten. Währenddessen schüttelten ihre blaublütigen Verwandten, insbesondere die großartige Familie der x Loderi, den Schnee mit arroganter Herablassung von ihren Zweigen.

      Hier ein Paradebeispiel. Als ich den Garten im vergangenen Mai für Besucher öffnete, stahl ein sehr schön gewachsener Rhododendron x Loderi ›King George‹ allen anderen die Show. Kurz vor dem Besucheransturm standen Mr Page und ich bewundernd davor, und er sagte: »Hätte jemand in Februar gesagt, dass dieser Strauch heute so aussehen würde, hätte ich gelacht. Noch vor vier Monaten waren die Blätter so fest zusammengekrampft wie eine Faust, die Zweige bogen sich unter Unmengen von Schnee, der dann auch noch fror … Es konnte einem das Herz brechen. Und sehen Sie ihn sich jetzt an!«

      Die Aufforderung war überflüssig. Man konnte gar nicht anders, als ihn sich anzusehen. Auch jetzt bogen sich die Zweige unter Schneemassen, aber es war der Schnee ihrer Blüten, weiß wie mondbeschienene Seide; und die Blätter, die sich mit tropischer Üppigkeit entfalteten, glänzten wie Weintrauben. Der Strauch war so schön wie eine Braut, und wieso er ausgerechnet nach König George V. benannt wurde, gehört zu den Rätseln der gärtnerischen Namensgebung. Denn dieser Monarch, wenn auch im Privaten untadelig und im öffentlichen Leben gewissenhaft, hatte nur wenig Romantisches. Vielmehr denkt man bei ihm an Bärte und Schlachtschiffe, und die wenigen Echos seiner Stimme, die uns überliefert blieben, besitzen nicht viel Melodisches. Während dieses berückende Pflanzenwesen die ganze Luft um sich herum zum Klingen brachte. Eines Tages sollte irgendwer eine Abhandlung über die Benennung von Pflanzen schreiben, wenn auch nur, um die Tatsache zu beklagen, dass viele wunderbare Blumen die Namen von Frauen tragen, die klingen, als hätten sie ihr ganzes Leben am Spülbecken verbracht.

      Unsere praktische Stimmung lässt allmählich nach. In ein paar Minuten werden wir sie wieder einfangen, aber erst möchte ich mich dem Luxus hingeben, einen der vielen Gründe zu erläutern, weshalb die Rhododendren für mich einen so einzigartigen Zauber besitzen. Wir alle wissen – oder sollten zumindest wissen –, dass die Blüten, sobald sie welken und vergehen, abgeknipst werden müssen, um die Blütenbildung fürs nächste Jahr anzuregen. Dieses Vorgehen nennt man »ausbrechen«. Aber manchmal greife ich dem Prozess des Verblühens ein wenig vor und rüttele an den Zweigen, sodass einige der Blütenblätter vor ihrer Zeit abfallen. Tut man das, eröffnet sich einem auf der Stelle eine magische Welt. Die Blütenblätter lösen sich und breiten sich in rosigen, weißen, elfenbeinfarbenen und scharlachroten Mustern auf dem Boden aus. Dann bückt man sich und arrangiert sie vorsichtig um, so als knie man zu Füßen einer wunderschönen Frau und ordne die Falten ihres Kleides, während sie für ihr Porträt posiert. In den Monaten Mai und Juni finden sich überall im Garten diese kleinen Farbtümpel, und obwohl die Sonne ihnen allmählich den Glanz raubt und es den Anschein hat, als verblassten sie in den Boden hinein, auf dem sie liegen, kann einen das kaum traurig stimmen. Denn sie kehren nur nach Hause zurück, in die gute Erde unter den schützenden Armen der Mutter, die sie gebar.

      Nun können wir dieses Kapitel mit einer Liste jener Pflanzen und Sträucher aus meinem eigenen Garten beenden, die dem Wüten des Winters zum Opfer fielen. Die Liste ist nicht lang, aber vielsagend und gelegentlich überraschend. Vielleicht hat sie einen gewissen Wert für alle, die noch am Anfang ihres gärtnerischen Lebens stehen und sich von dem, was sie in den Gartenkatalogen lesen, entweder in die Irre führen lassen oder aber – was wahrscheinlicher ist, denn Versandgärtnereien sind absolut ehrenwerte Institutionen – die in ihnen geäußerten Warnungen störrischerweise missachten.

      Die Liste ist alphabetisch geordnet und beginnt mit …

      Azara microphylla, ein eher seltener, eleganter kleiner Winterblüher, dessen Loblied ich schon einmal gesungen habe. Angepflanzt haben wir die Azara wegen des süßen Vanilledufts ihrer kleinen weißen Blüten, die sich normalerweise ab Januar öffnen. An sonnigen Vormittagen gibt es nichts Aufregenderes als diesen exotischen Duft, der durch die schneidend kalte Luft wabert. Gerade habe ich nachgesehen, was ich damals über dieses betörende Geschöpf schrieb: »Die Azara ist nicht sehr robust, aber auch nicht über Gebühr empfindlich. Ihre eine Grundbedingung ist eine Mauer, falls möglich sogar eine Mauerecke, weil sie Wind hasst.«

      Anscheinend war diese Einschätzung einigermaßen zutreffend. Um auf der sicheren Seite zu sein, hatten wir zwei Azaras gepflanzt, im Abstand von einem guten Meter voneinander. Eine von ihnen gab den Geist auf; die andere verlor zwar die meisten Blätter, trieb im April aber munter aufs Neue aus. Falls Sie also im nächsten Januar zufällig die Ham Gate Avenue entlangspazieren und von einem unerwarteten Vanilleduft betört werden, wissen Sie, wo er herkommt. Und vielleicht finden Sie es das Risiko wert, in Ihrem eigenen Garten auf das Überleben der Azara zu setzen.

      Ceanothus. Wir hatten zweieinhalb verschiedene Säckelblumen, manchmal auch kalifornischer Flieder genannt, von denen nur eine überlebte. Bitte wundern Sie sich nicht über die angegebene Zahl: Die »halbe« Pflanze wuchs im kleinen Vorgarten meiner Nachbarin Mrs Poyser, hatte ihre hübschen Arme aber so zuvorkommend in meinen Garten hineingereckt, dass ich sie zum Teil als mein eigen betrachtete. (Es sollte mehr dieser erfreulichen nachbarschaftlichen Kooperation geben.) Jedenfalls wurde dieser schöne alte Strauch von den eisigen Winden, die über den Common fegten, zu Tode gepeitscht. Falls Sie sich also eine Ceanothus zulegen wollen, würde ich diese Sorte von meiner Liste streichen, es sei denn, Sie können ihr eine sehr geschützte Ecke bieten. Der korrekte Name lautet Ceanothus dentatus, gezähnte Säckelblume.

      Selbst wenn Sie eine geschützte Ecke zu bieten haben, können Sie auch Ceanothus x Burkwoodii von Ihrer Liste streichen. Meine stand in einer der begehrtesten Ecken des Gartens und schied trotzdem dahin, schnell und unwiderruflich.

      Bleibt nur … Ceanothus ›Autumnal Blue‹. Sie begrüßte den Frühling mit allen Anzeichen eines floralen Katers, obwohl sie im Schutz einer Mauer wuchs. Aber im Lauf des Jahres bewies das energische Wachstum, das sie an den Tag legte, dass sie triumphierend aus einer Prüfung hervorgegangen war, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder wird ertragen müssen. Ja – Autumnal Blue ist auf jeden Fall Ihre beste Wahl.

      Cryptomeria japonica elegans, eine wunderschöne Sicheltanne, deren fiedrige Nadeln das herbstliche Feuer so intensiv einfangen, dass man das Gefühl hat, sich die Hände daran wärmen zu können. Ich hielt sie für robust; offensichtlich ist sie das nicht. Der Winter ließ ihr Feuer erlöschen und meuchelte sie ein für alle Mal dahin. Trotzdem glaube ich, dass sie mit einem Minimum an Schutz überlebt hätte.

      Übrigens verhielten sich sämtliche Koniferen irgendwie unerwartet. Einige der Lawsons Scheinzypressen, auch Oregonzeder genannt, von denen ich gedacht hatte, sie seien so abgehärtet wie königliche Leibgardisten, sahen bis weit in den Sommer hinein frostverbrannt und jämmerlich aus, während die aristokratischeren Goldzypressen, Chamaecyparis Lawsoniana lutea, alles relativ unbeschadet überstanden.

      Escallonia. Allmählich glaube ich, dass nur die Iren perfekte Escallonias hinbekommen. Ob sie das verdienen, ist eine andere Frage. Wenn man sich mit Geschichte beschäftigt, kann man nie entscheiden, was dieses irritierende, paradoxe, unberechenbare und bewundernswerte Völkchen verdient, und kann nur bestätigen, dass sie nie bekommen, was sie verdienen und umgekehrt. Irgendwann habe ich mal geschrieben: »Frauen, Elefanten und Iren vergessen niemals eine Kränkung.« Diese tiefgründige Bemerkung möchte ich hier ergänzen


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