SKULL 3: Die Würfel fallen. Stefan Burban
war sich nicht sicher, ob sich das überhaupt realisieren ließ. Soweit sie wussten, befand sich das Condor-System nun theoretisch unter direkter Kontrolle des Vereinigten Kolonialen Königreichs. Praktisch aber übte das Konsortium die Kontrolle aus und die taten Gott weiß was auf Condor. In ihrem derzeitigen desolaten Zustand war es weder für Skulls noch für die Condorianer eine praktikable Möglichkeit, nach Condor zurückzukehren. Jedenfalls nicht, wenn man vorhatte, noch eine Weile zu leben.
»Was kann ich für Sie tun, Captain?«, fragte Melanie. Sie mochte den Mann nicht. Er war zwar jetzt ein Verbündeter, doch in ihrem Gedächtnis waren die Umstände ihres ersten Aufeinandertreffens noch sehr lebendig. Der Mann hatte sie bei einem Abendessen in einem Restaurant angepöbelt und die Angelegenheit war dann ein klein wenig eskaliert. Sie warf Red einen kurzen Blick zu. Ihr Begleiter schien entspannt. Er genoss aufgrund seiner Herkunft bei den Condorianern einen besonderen Status. Red war zum lebenden Symbol für den Widerstand Condors geworden.
Dunlow wirkte ein wenig verwirrt, Redburn anzutreffen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, erschien Sergeant Wolfgang Koch hinter ihm und drängte ebenfalls in den Raum.
Lincoln Dunlow runzelte die Stirn. »Ich sollte mich hier bei Ihnen melden.«
»Genau wie ich«, schloss Koch sich an.
Melanie erhob sich und glättete ihre Uniform. »Auf wessen Anordnung?«
»Auf meine«, erklärte eine tiefe Stimme. Eine Gestalt kam hinter Dunlow zum Vorschein.
Admiral Oscar Sorenson schob sich ungefragt in den Raum. Sein Blick wanderte von einem zum anderen. Schließlich nickte er zufrieden. »Schön, Sie sind alle hier.«
Melanie neigte leicht den Kopf zur Seite. »Sir? Darf ich fragen, was hier vor sich geht?«
Sorenson ignorierte die Frage. Seine Aufmerksamkeit blieb zuallererst auf Dunlow und Redburn gerichtet. »Sie beide wollten sich doch nützlich machen. Steht dieses Angebot noch?«
Dunlow und Red wechselten einen vielsagenden Blick. »Allerdings, Admiral«, antwortete Red für sie beide.
Sorensons Mundwinkel hoben sich leicht. Er trat einen Schritt näher, sodass sich die Tür hinter ihm schließen konnte. »Ausgezeichnet. Wenn das so ist, dann habe ich einen Auftrag – für Sie vier.«
Teil II
Drei Missionen – ein Ziel
4. August 2645
Der Kommlink gab einen Strom beständiger, nervtötender Laute von sich. Lieutenant Colonel Carl Randazotti bemühte sich nach Leibeskräften, sie zu ignorieren – bis er die Hand seiner Frau im Gesicht spürte.
»Du musst da rangehen«, ermahnte sie ihn sanft.
Er grinste mit immer noch geschlossenen Augen. »Muss ich nicht. Wenn ich es lange genug ignoriere, dann hört es von selbst auf.«
»Wenn du es lange genug ignorierst, steht bald jemand vor unserer Tür und klingelt Sturm. Der Anruf ist dienstlich. Das höre ich schon am Ton.«
Carl seufzte und richtete sich halb auf. Er schaltete das Licht ein und warf einen Blick nach draußen. Es war stockfinster. Pollux, die Hauptstadt des Vereinigten Kolonialen Königreichs auf dem Hauptplaneten Castor Prime, lag in völliger Stille da. So gut wie jeder auf der Nachtseite des Planeten hatte sich zur Ruhe begeben. Nur ihn ließ man mal wieder nicht ausschlafen. Carl fragte sich, was nun schon erneut derart wichtig war. Er richtete sich zur Gänze auf und warf einen Blick auf seine auf dem Nachttisch liegende Armbanduhr.
Er verzog die Miene. »Es ist noch nicht einmal drei Uhr morgens.« Carl griff sich verärgert den Kommlink, befestigte ihn hinter dem linken Ohr und schnauzte den unbekannten Anrufer sogleich an: »Wehe, wenn das jetzt nicht wirklich wichtig ist!«
Carl war der Befehlshaber des 117. königlichen Raumlanderegiments. Er war mit seiner Einheit die letzten drei Wochen auf einem ausgedehnten Manöver gewesen und erst vor weniger als zehn Stunden nach Castor Prime zurückgekehrt. Alles, was er wollte, war einfach nur noch schlafen.
»Tut mir leid, Sie aus dem Bett zu klingeln, Carl«, sagte die Stimme Brigadegenerals Thomas Lassiters. Carl war von einer Sekunde zur nächsten hellwach. Lassiter war Carls Brigadekommandeur. Wenn sich dieser persönlich um diese nachtschlafende Zeit meldete, dann war der Anruf in der Tat wichtig.
Carl rieb sich die Reste des Schlafes aus den Augen. »Schon in Ordnung, Sir. Was kann ich für Sie tun?«
Der General zögerte. »Ich mache das wirklich nicht gern, aber ich muss Sie bitten, sich anzuziehen und das Regiment abmarschbereit zu versammeln. Sie haben dafür keine drei Stunden Zeit.«
Carl richtete sich stocksteif auf. »Sir? Wir sind doch gerade erst zurückgekommen. Ist das etwa schon wieder eine Übung?«
»Keine Übung.« Der Tonfall General Lassiters ließ Carl unwillkürlich aufhorchen. Der Mann klang ernst. »Was wissen Sie über Beltaran?«
Der Colonel runzelte die Stirn. »Eine Grafschaft. Militärisch eigentlich unbedeutend, aber wirtschaftlich ein starker Faktor. Soweit ich weiß, haben die dem Konsortium doch bei der Condor-Operation in die Suppe gespuckt.«
»Das ist in der Tat richtig. Und dafür erhalten Sie jetzt die Quittung.«
Eine eisige Klaue griff nach Carls Herz und drückte fest zu. »Wie darf ich das verstehen, Sir?«
»Beltaran wird derzeit als potenziell feindliche Welt eingestuft. Das Konsortium hat den Auftrag erhalten, Beltaran von der Außenwelt abzuschneiden und zur Aufgabe zu zwingen. Darüber hinaus sollen sie den derzeitigen Grafen festnehmen und zum Prozess nach Castor Prime überführen. Eine erhebliche Anzahl königlicher Truppen wurde zu ihrer Unterstützung abkommandiert.«
Carl runzelte die Stirn. »Wir sollen einer Bande von Söldnern helfen, einen Grafen des Königreichs festzunehmen? Ist das Ihr Ernst?«
Lassiters Tonfall gewann an Schärfe. »Mir gefällt das genauso wenig wie Ihnen, Carl. Aber Befehl ist Befehl. Und der kommt direkt von Prinz Calvin, unserem zukünftigen König. Beltaran hat sich gegen das Königreich gestellt, als sie den Condorianern halfen. Sie haben sich die Konsequenzen selbst zuzuschreiben.«
Carl wollte noch etwas einwenden. Es kursierten eine Menge Gerüchte und unbestätigte Geschichten, aber nach dem, was er gehört hatte, hatten die Beltaraner lediglich dabei geholfen, Zivilisten zu evakuieren. Er sah daran nichts Verwerfliches. Der Colonel war jedoch lange genug Soldat, um zu wissen, wann es besser war, die Klappe zu halten. Lassiter hatte recht: Befehl war Befehl. Er hatte eindeutige Anweisungen erhalten und würde sie buchstabengetreu befolgen. Eine Frage lastete ihm dennoch auf der Seele.
»Wer führt das Oberkommando bei dieser Operation?«, wollte er wissen.
Erneut zögerte sein Vorgesetzter. In diesem Augenblick erkannte Carl, dass ihm die Antwort auf diese Frage nicht gefallen würde. »Das Konsortium«, erwiderte Lassiter. Sein Tonfall war bar jeder Emotion.
»Königliche Truppen werden Söldnern unterstellt?«, knurrte er. »General, das ist ungeheuerlich.«
»Ich weiß«, meinte Lassiter. »Aber auch das geschieht auf direkten Befehl des zukünftigen Königs.«
Carl wurde nachdenklich. »Haben Sie persönlich mit dem Prinzen gesprochen?«
»Der Befehl wurde vom Premierminister übermittelt. Die Autorisation ist korrekt und der Befehlsweg wurde eingehalten. Wir haben keine andere Wahl, als der Anweisung zu folgen.«
Carl