SKULL 3: Die Würfel fallen. Stefan Burban
ihn Dombrowski.
»Einspeisen!«, ordnete Dexter an.
Die taktische Ansicht des Hologramms verkleinerte sich merklich. Es wurde ersetzt von dem Abbild eines schmächtigen Offiziers mit Halbglatze, aber dafür stechend blauen Augen.
»Captain Ortega? Wie ist die Lage?«
Captain Benito Ortega von der Perikles räusperte sich. »Wir nehmen schweren Schaden im Bereich der Antriebssektion. Die Panzerung hält bisher, aber wir wissen nicht, wie lange das noch gut geht. Mein Chefingenieur versucht, die Schilde wieder hochzufahren, aber auch das wäre lediglich eine Notlösung. Wie sollen wir weiter verfahren?«
Dexter wusste genau, was der Mann eigentlich fragen wollte: »Dürfen wir zurückschießen?« Am liebsten hätte er geantwortet: »Handeln Sie nach eigenem Ermessen.« Aber damit hätte er den Schwarzen Peter lediglich an Ortega weitergereicht. Das wäre bei keinem der Offiziere gut angekommen. Ganz davon abgesehen, dass sich Dexter damit selbst nicht wohlgefühlt hätte. Er wollte gerade antworten, als Dombrowski aufsah.
»Die Stolz verliert Geschwindigkeit.«
Dexter runzelte die Stirn. »Einen Augenblick, Ortega«, bat er und wandte sich erneut dem taktischen Hologramm zu. Bei der Stolz handelte es sich um das Großschlachtschiff, das nun als Flaggschiff der letzten condorianischen Streitkräfte fungierte. Es verlor tatsächlich an Fahrt.
»Hat das Schiff Schäden gemeldet?«
Dombrowski schüttelte als Antwort lediglich den Kopf. Dexter beobachtete unterdessen fasziniert den Vorgang, der sich vor ihm abspielte. Konteradmiral Irina Necheyev ließ ihr Großschlachtschiff elegant zurückfallen und setzte sich ans Ende der Kolonne – direkt in die Schusslinie zwischen die royalen Einheiten und die Skull-Nachhut. Die Geschosse prasselten nun auf die viel stärkeren Schilde des condorianischen Kriegsschiffes ein, die dem Beschuss zumindest im Moment problemlos standhielten.
»Ortega«, sprach Dexter den Captain der Perikles an, »bringen Sie Ihre Schilde wieder online. Die Stolz gibt Ihnen Deckung.«
Ortega nickte dankbar und beendete die Verbindung.
»Commodore? Da tut sich etwas«, meinte Dombrowski mit einem Mal.
Dexter sah auf. Die Stolz ließ unvermittelt ihre Heckschilde fallen und feuerte eine volle Breitseite aus den Hecktorpedorohren sowie ihren Raketenwerfern ab.
»Eine Verbindung zur Stolz!«, befahl Dexter. Er hatte kaum ausgesprochen, da erschien bereits das ernste Konterfei Konteradmiral Necheyevs auf seinem Hologramm. Die Frau wäre attraktiv gewesen, hätte sie auch mal gelächelt oder sich nicht dazu entschieden, ihre blonde Mähne zu einem Dutt am Hinterkopf zu frisieren. Auf diese Weise wirkte sie wie ein strenger Zuchtmeister. Auf manchen hätte das vielleicht anziehend gewirkt, nicht jedoch auf Dexter.
»Necheyev, was zur Hölle machen Sie da?«
»Meinen Job«, erwiderte die Frau schlicht und kappte die Verbindung ohne weiteres Wort.
»Die Stolz feuert erneut«, gab Dombrowski bekannt. Überraschenderweise fehlte dem Tonfall des Flagglieutenants der Anflug von Genugtuung, den Dexter eigentlich erwartet hatte.
Das condorianische Flaggschiff feuerte drei weitere Salven ab, die brutal auf die königliche Vorhut einhämmerten. Diese bestand aus einigen Eskortfregatten sowie einem Angriffs- und zwei Kampfkreuzern.
Die royalen Schiffe fuhren ihre Schilde hoch, um den Beschuss auszusitzen. Gleichzeitig schloss die übrigen TOG zügig auf, um ihre Einheiten unter Beschuss zu unterstützen. Es war jedoch zu spät. Necheyev konzentrierte ihr Bombardement auf die schwächsten feindlichen Schiffe. Die Schilde hielten zunächst stand, hatten aber der Feuerkraft eines Großschlachtschiffes kaum etwas entgegenzusetzen.
Mit der vierten Salve knackte die condorianische Admiralin die Schilde von drei Eskortfregatten. Drei weitere Salven reichten und zwei der Schiffe vergingen in grellen Explosionen, unter denen sie sich regelrecht auflösten. Das dritte Schiff entkam gerade noch rechtzeitig unter den Schutz des Angriffskreuzers, zog dabei aber einen Schwanz aus entweichender Atmosphäre und geborstener Panzerung hinter sich her.
Bevor Dexter auf den Verlust der Schiffe und den Tod so vieler königlicher Soldaten reagieren konnte, sah sein Flagglieutenant auf. »Wir haben L5 erreicht«, meldete er. »Bereit zum Sprung.«
Dexter schluckte. Sein Hals fühlte sich staubtrocken an. »Ausführen!«
Die Flaggbrücke und darüber hinaus das Universum verschwammen zu einem Sammelsurium an Farben, als die Normandy und ihre Begleitflotte durch den Lagrange-Punkt L5 sprangen – unsicher, was sie auf der anderen Seite erwarten würde.
Die Kräfte kehrten nur langsam zurück in Rodney MacTavishs Körper. Dabei spielten die zahlreichen Blutergüsse, die Schürfwunden und sogar die Knochenbrüche weniger eine Rolle als die Brandwunden. Doch die aufopferungsvolle Pflege des Krankenhauspersonals wirkte seinen zahlreichen Verletzungen entgegen und sorgte dafür, dass sein Verstand wieder halbwegs in gewohnten Bahnen arbeitete. Und mit jedem Tag, der verging, erkannte er eine unumstößliche Wahrheit: Er musste dringend verschwinden.
Die Behörden arbeiteten immer noch daran, seine Identität festzustellen. Und sobald sie damit Erfolg hatten, würden mehrere Alarmglocken läuten und man würde Männer schicken, um ihn umzubringen. Bestenfalls. Schlimmstenfalls würden sie ihn mitnehmen, unter Folter befragen und dann umbringen.
Er hatte eingehend darüber nachgedacht, wer wohl seine Daten aus dem Archiv gelöscht hatte, und mittlerweile eine Theorie entwickelt. Es konnte sich eigentlich nur um Connors handeln. Der Admiral hielt ihn höchstwahrscheinlich für tot und wollte auf diesem Weg verhindern, dass jemand seine Leiche identifizierte. Es wäre ein Leichtes für einen kompetenten Ermittler, Zusammenhänge festzustellen zwischen MacTavish und dem Geheimdienstchef, was für diesen äußerst peinlich wäre, um nicht zu sagen, lebensbedrohlich. Der Zirkel würde ihm danach wohl kaum gestatten, am Leben zu bleiben – nicht wenn der Admiral derart offen gegen sie opponierte.
MacTavish musste von hier verschwinden. Er richtete sich in seinem Bett auf und lockerte vorsichtig seine Muskeln. Sie schmerzten immer noch ein wenig angesichts der erzwungenen Untätigkeit, aber nicht mehr so sehr wie kurz nach seinem Erwachen. Das Gefühl gab sich allerdings nach ein paar Minuten. Die täglichen Lockerungsübungen der letzten Zeit machten sich bezahlt.
Vorsichtig löste er die Kanüle in seiner Armvene und zog sie schließlich sanft heraus. Er biss die Zähne zusammen. Die Einstichstelle brannte wie Feuer. Eilig kramte MacTavish ein Pflaster aus der Schublade seines kleinen Beistelltisches und klebte es auf die blutende Wunde.
Sein Blick zuckte zur Tür. Vor seinem Zimmer stand ein Polizist auf Posten. Dieser hatte den Befehl, MacTavish unter allen Umständen am Verlassen seines Zimmers zu hindern. Der ehemalige Geheimagent seufzte. Das würde nicht hübsch werden.
Er sah zur Uhr an der Wand. Es war neun Uhr abends. Die Besuchszeit war vorbei und die Schwestern hatten sich zur Übergabe an die Nachtschicht in ihr Schwesternzimmer zurückgezogen. Die Korridore des Krankenhauses mussten so gut wie menschenleer sein. Eine bessere Chance würde er nicht kriegen.
MacTavish schlug die Bettdecke zurück und erhob sich langsam. Seine Beine fühlten sich noch recht wacklig an, was kein Wunder nach dem Erlittenen war.
Er begab sich zur Tür und öffnete sie geräuschlos einen Spaltbreit. MacTavish lugte hindurch. Er presste seine Lippen so stark aufeinander, dass sie wie ein einziger blutleerer Strich erschienen. Vor der Tür stand tatsächlich immer noch ein Polizist. Ein Bulle von Mann, der Polizist war beinahe so breit wie hoch – übertrieben formuliert. Amüsiert fragte sich der Geheimagent, ob es sich bei dem Kerl vielleicht um ein Experiment handelte, das aus einem Regierungslabor entlaufen war. Er verdrängte den Gedanken sofort wieder.
Der Mann stand mit dem