Soul Surfer. Bethany Hamilton

Soul Surfer - Bethany Hamilton


Скачать книгу
anderen Surfern und Hippie-Typen, die an die Küsten Kauais gezogen waren.

      Marienkäfer und Thunfisch finden zueinander

      Mein Vater arbeitete als Kellner im Kauai Surf Hotel. Das Hotel war in der Stadt Lihue und somit weit entfernt von seinem Zelt am North Shore. Da er kein Auto hatte, trampte er zur Arbeit und zurück. Doch spät in der Nacht war es schwierig, nach Hause zu kommen. Bisweilen schaffte er nur die halbe Strecke. Er schlurfte nachts um zwei durch eine kleine Ortschaft, meilenweit entfernt von seinem eigentlichen Ziel, legte sich auch schon mal auf eine Kirchenbank und deckte sich mit dem Antependium zu, wenn ihm kalt wurde ...

      Der North Shore ist so etwas wie eine Kleinstadt. Hier kennt jeder jeden. Über kurz oder lang warf mein Vater also auch ein Auge auf die hübsche Blonde, die von den anderen Surfern den Spitznamen Marienkäfer erhalten hatte. (Er selbst hatte auch einen Spitznamen. Sie nannten ihn Thunfisch, da er in den Wellenpausen so häufig im Meer seine Bahnen schwamm, dass alle sagten, er sei wie ein Thunfisch.) Doch Mama war nicht interessiert. Sie hatte zu der Zeit einen festen Freund. Sie und mein Vater wurden lose Freunde, aber das wars auch. Bis zu dem Tag, wie meine Mutter sagt, „an dem ich meinen Freund nicht mehr hatte. Da kam alles ins Rollen ...“

      Am darauffolgenden Valentinstag, der auch der Geburtstag meiner Mutter ist, machte Papa ihr einen Heiratsantrag. „Deine Mutter brach in Tränen aus ... und sechs Monate später heiratete sie mich“, erzählt mein Vater. Und es begab sich, dass jedes Kind, das dieses Paar bekam, rasch in die Sportart eingeführt wurde, die ihre Eltern liebten.

      Schließlich hatten sie Salzwasser in den Adern.

      „Zwei Brüder!“

      Das gebe ich zur Antwort, wenn man mich fragt, warum ich so ehrgeizig meinen Sport ausübe. Wenn man schließlich das jüngste von drei Kindern und das einzige Mädchen ist, muss man schon lernen, sich zu behaupten. Aber abgesehen von dem üblichen „Alles was du kannst, das kann ich viel besser“ haben mich meine Brüder wirklich inspiriert. Sie sind sehr verschieden.

      Noah ist einundzwanzig und er surft im Stehen – genau wie Mama, Papa und ich. Er ist recht dünn und sehr schnell auf den Wellen. Außerdem macht er Standfotos. Von ihm stammen die meisten tollen Fotos von mir beim Surfen. Was ich an ihm am meisten bewundere? Wenn er etwas anfängt, bringt er es auch zu Ende. Er ist sehr entschlossen und zielstrebig.

      Mein Bruder Timmy ist siebzehn und er spielt gerne das fünfte Rad am Wagen – und den Klassenclown. Als Noah mit dem Surfen anfing, beschloss Timmy, sich auf Bodyboarding zu verlegen. Ein Bodyboard ist ein Schaumstoffbrett von knapp einem Meter Länge, das wie ein Surfbrett verwendet wird, außer dass man nicht darauf steht. Es hat keine Finnen auf der Unterseite, sondern harte Kanten, mit denen man die Kurven fährt. Bodyboarder tragen Schwimmflossen, damit sie mit ihren kleineren Brettern auch die Wellen erwischen.

      Viele, die im Stehen surfen, zollen Bodyboardern keinen Respekt. Sie ignorieren sie im Wasser oder versuchen sogar, ihnen die Welle zu nehmen. Doch ein guter Bodyboarder kann eine echt beeindruckende Show abliefern. Er gelangt tiefer in den als „tube“ bezeichneten Hohlraum als jeder Surfer, beginnt später mit dem Wellenritt und macht verrückte Luft-Manöver. Daher war Timmy also davon angetan – verrückte Stunts sind seine Spezialität!

      Timmy kann mich auch immer zum Lachen bringen – das schafft er mit jedem. Er hat ein natürliches Talent,genau zu wissen, was er tun oder sagen soll – genau das, was dir ein Lächeln hervorlockt, egal wie schwierig oder ernst die Lage ist. Er tut alles – und ich meine alles – für ein Lachen. Als er beispielsweise nach meinem Unfall in einer Fernsehshow interviewt wurde, benahm er sich total doof und fuhr sich andauernd vor laufender Kamera durchs Haar. „Wen stört’s, wenn mich alle für verrückt erklären?“, sagte er zu mir, als ich ihn damit aufzog. Er wollte unbedingt, dass seine Kumpels daheim über Timmy, den Fernsehkomiker, lachten!

      Aber Timmy ist mehr als nur lustig – er bearbeitet die stundenlangen Videoaufnahmen, die unsere Eltern von mir beim Surfen machen. Er ist dabei sehr kreativ und unterlegt die Bilder mit cooler Musik.

      Ein starkes Mädchen

      Meine Brüder treiben körperbetont aggressive Sportarten wie Rollhockey, Fußball und Paintball. Wenn die Mannschaften aufgestellt werden, will jeder meine Brüder bei sich im Team haben, weil sie so flink und wild sind!

      Als ich ihnen so beim Sport zusah, wollte ich natürlich auch mitspielen. Warum sollten schließlich nur sie so viel Spaß haben? Und ich muss ihnen zugutehalten, dass sie mich immer mitmachen ließen und mich nie wie ein kleines Mädchen behandelten. Ich gehörte zu den Jungen. Und wenn das bedeutete, dass ich angegriffen oder umgeschubst oder übel zugerichtet wurde, dann war das eben so.

      Außerdem war ich hart im Nehmen! Sie wussten, sie konnten mich dazu bringen, mich auf Inlinern oder einem Skateboard zu versuchen, ohne dass ich gleich wegrannte oder heulte, wenn ich mal hinfiel.

      Meine Brüder ließen mich Sachen ausprobieren, die ich von mir aus nicht gemacht hätte. So waren es denn auch Timmy und Noah, die mich dazu brachten, in Pauaeaka zu surfen. Damals hätte ich mich ohne ihre Ermutigung und ihren absoluten Glauben daran, dass ich es schaffen würde, niemals getraut, ehrlich!

      Meine Brüder feuern mich an und unterstützen mich tatkräftig, eine Top-Surferin zu werden. So ist meine Familie eben: Wenn einer von uns einen Wettkampf oder einen Preis gewinnt, ist es, als hätten wir alle gewonnen, denn jeder hat jeden unterstützt und dazu beigetragen, dass er oder sie an dem Platz stand, von wo aus er oder sie gewinnen konnte.

      Uns wurde auch beigebracht, gute Verlierer zu sein. Ganz gleich, wie gut jemand ist – früher oder später wird er oder sein Team auch mal verlieren. Papa pflegt dann zu sagen: „Es nützt doch nichts, sich aufzuregen oder sauer zu sein. Es gibt doch immer wieder eine Gelegenheit zu zeigen, dass du es kannst.“ Daran versuche ich mich zu erinnern, wenn ich einen Wettkampf vermasselt habe. Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Morgen kommt ein neuer Tag.

      Ich surfe zwar seit meinem sechsten Lebensjahr, habe jedoch auch noch anderen Sport betrieben. Ab dem ersten Schuljahr habe ich bei den Mädchen vom North Shore Team Fußball gespielt. Lange Zeit war ich „Ausputzerin“ in der Abwehr.

      Zuerst war ich enttäuscht. Ich wollte unbedingt eine sein, die während des Spiels das Tor macht. Dann merkte ich, dass mich der Coach aus einem bestimmten Grund an diese Position gestellt hatte. Ich hatte schnelle Reflexe und konnte gut abwehren.

      Eins habe ich über Teamsport gelernt: Keine Aufgabe ist viel, viel wichtiger als eine andere. Alle müssen zusammenarbeiten. Erst nach sechs Jahren Fußball bekam ich die Chance, dieses Tor zu schießen. Das ist eine lange Zeit, ich weiß, aber dadurch wurde das Toreschießen nur noch toller.

      Mein erster großer Sieg

      Meine Eltern fingen an, mich zu Surfwettkämpfen anzumelden, als ich noch in der Grundschule war. Bei den meisten Wettkämpfen wurden die Kids von einem Elternteil in eine Welle geschubst, anstatt dass das Kind selbst versucht hätte, die Welle zu erwischen.

      Als ich sieben Jahre alt war, konnte ich ohne die Hilfe meiner Eltern surfen und Wellen erwischen. Ich brauchte noch Anleitung, doch ich wurde mit jedem Tag besser. Unterstützt von meinen Eltern beschloss ich, am Rell Sun Wettbewerb auf der Insel Oahu teilzunehmen. Das war etwas Großes – vor allem für ein achtjähriges Kind.

      Auf den Inseln Hawaiis herumzureisen ist weder einfach noch billig. Wir mussten das Startgeld, den Flug, das Mietauto und das Hotel bezahlen. Und im Gegensatz zu Golf oder manchen anderen Sportarten bekommt man im Falle eines Sieges nur wenig oder gar kein Geld – insbesondere als Kind bzw. als Mädchen.

      Der Wettkampf fand am Makaha Beach statt. Es waren jede Menge tolle Surfer da und ich war mehr als aufgeregt, allein schon dabei zu sein. Surfer – vor allem in der Jugendabteilung – sind wie eine große glückliche Familie.

      Die Wellen waren riesig und ich spürte den Adrenalinstoß. Viele Kinder schüchtert es ein, wenn die Welle mächtig wird. Und ich? Ich gebe alles


Скачать книгу