Wyatt Earp Classic 45 – Western. William Mark D.

Wyatt Earp Classic 45 – Western - William Mark D.


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Wyatt Earp Classic – 45 –

      Über den zackigen rostroten Felsbastionen der Rocky Mountains spannte sich der azurblaue Coloradohimmel. Aus der Enge der Felsschlucht, die von lotrecht abfallenden Gesteinsklüften bedrängt wurde, schob sich der große Planwagen westwärts auf den Paßweg.

      Paßweg – darunter hat man sich einen geröllbedeckten Saumpfad vorzustellen, der teils von den Indianern und schließlich auch von den weißen Auswanderertrecks vor Jahrzehnten den Felsbergen abgerungen worden war.

      Vier Füchse stemmten sich in die Brustgurte, spannten die Stränge zum Zerreißen und gruben die Hufe in jede noch so kleine Gesteinslücke, in der sie einen Halt fanden.

      Der grauhaarige Mann stampfte vor den Gäulen her, immer im gleichen Abstand. Er hatte strähniges rotes Haar, ein hartes lederndes Gesicht, das von vielen Falten zersägt war und unter buschigen Brauen zwei grünschimmernde Augen.

      Jesse Hacatt war zweiundsechzig. Ein schweres, hartes Leben voller Enttäuschungen und Niederschlägen lag hinter ihm. Anno 1848, also vor dreißig Jahren, war er in dem scheußlichen Gewühl des Zwischendecks auf einem Auswandererschiff in Boston angekommen. Er hatte die Qualen der langen Seereise von Irland herüber gern ertragen, weil er ja in die Neue Welt fuhr. In Gottes eigenes Land, von dem man sich drüben im alten Europa Wunderdinge erzählte.

      Das aber, was ihn in der neuen Heimat empfing, war schlimmer als das, was er oben in Nord-Irland verlassen hatte. Aber er konnte nicht zurück. Er besaß keinen Dollar mehr, mit dem er die Seereise hätte finanzieren können. Monatelang hauste er in Barackenlagern draußen am verrufenen Nordstrand Bostons, bis er eines Tages mit einem Trupp von Männern mit Güterwaggons hinüber nach Pennsylvania gebracht wurde. In Pittsburg wurden sie ausgeladen und in ein großes Hüttenwerk gesteckt. Die Arbeit, die er dort zu leisten hatte, war Sklavenarbeit. Der nordische Bauer biß zwar die Zähne zusammen und war nicht von den Beinen zu bringen vor den glühenden Riesenmäulern der gewaltigen Öfen – aber es war kein Leben, es war die Hölle auf Erden. Ein herkulischer Aufseher trieb die Männer mit Fußtritten und Faustschlägen an die Arbeit. Eines Morgens traf ihn die eisenharte Faust des Iren und streckte ihn nieder. Im Sturz krachte der Antreiber mit dem Hinterkopf gegen eine Ofentür. Er war sofort tot.

      Jesse Hacatt floh. Seine Arbeitskameraden halfen ihm bei der Flucht. Tage- und nächtelang hastete er durch einsame Landstriche nach Süden. Als er die Grenze von Kentucky hinter sich hatte, war er so erschöpft, daß er am Schienenstrang nach Lexington wie tot zusammenbrach.

      Der Railroader Jonny Bird fand ihn am Schotter und brachte ihn in sein Haus. Da lernte Hacatt Wilma, seine spätere Frau, kennen. Sie zogen in die Nähe der damals stark aufblühenden Kentucky-Stadt Lexington, und Jesse arbeitete auf einer Farm. Aber das Schicksal war weiterhin gegen ihn. Der Farmer hatte mehrere Neger beschäftigt, die er in brutalster Weise drangsalierte. Hacatt haßte das und sagte es dem Boß. Da verlor er seinen Job. Er fand zwar bald einen neuen – aber keinen Kontakt zum Glück. Von einem Mißgeschick geriet er ins andere. Er schlug sich als Arbeiter von Hof zu Hof, von Farm zu Farm – und kam ungewollt immer weiter westwärts. Am Tennessee River, kaum fünfzig Meilen von Missouri, baute er sich mit dem Starrsinn des geborenen Inselmenschen eine eigene Farm auf. Aber das Leben blieb weiter schwer. Zweimal brannte ihm das Wohnhaus nieder, dann wurde er von einem Bandenüberfall heimgesucht. Die ersten beiden Kinder, ein Zwillingspaar, starben gleich nach der Geburt. Ein drittes Kind wurde mit sieben Jahren auf dem Fluß von einer Eisscholle weggetrieben und ertrank. Dann kam Bill auf die Welt, etwas später Mary. Vor zehn Jahren kam noch der kleine Tim nach.

      Es war ein hartes, bitteres, entbehrungsreiches und freudloses Leben, das die Hacatts bisher geführt hatten. Da fraß sich im vergangen Jahr die Rinderpest in den Hof des Iren. Der alte Mann verlor alles. Aber er zerbrach nicht. Er verkaufte sein kleines Stück Land und zog weiter nach Westen. Schon seit Monaten waren sie jetzt unterwegs. Jesse Hacatt hatte den unbeirrbaren Entschluß gefaßt, die Felsenberge zu überqueren. Obgleich er allenthalben unterwegs vor diesem Treck gewarnt wurde, beharrte er darauf.

      Denver hatte er umgangen, da er es haßte, größere Städte zu passieren. So war er schließlich nach der Ansiedlung Empire gekommen und hatte sich von dort nach Vincham gewandt.

      »Die Berge sind unpassierbar«, hatte ein alter Rancher bei Bilburry zu ihm gesagt. »Sie müssen schon hinauf nach Lindland oder aber südlich über Leadville. Es sei denn, Sie würden versuchen, über den Tecca zu kommen…«

      Da hatte er den Namen zum erstenmal gehört: Tecca!

      Yeah, er würde über den Tecca-Paß ziehen! Lindland und auch Leadville – das hätte in jedem Fall einen Umweg von wenigstens sechzig Meilen bedeutet. Ein gewaltiges Wegstück für einen Viererzug.

      In Vincham, der letzten kleinen Ansiedlung, sagte ihm der Sheriff: »Es ist Wahnsinn! Die Passage ist schon für einen einzelnenn Reiter schwierig, für zwei nebeneinanderreitende bereits gefahrvoll. Aber für einen Schooner… Heavens, es ist Wahnsinn!«

      Das hatte der Gesetzesmann von Vincham noch gesagt. Vor einer knappen Woche, als sie die kleine Stadt unten an den Hängen der Mountains verlassen hatten. Jesse Hacatt war seinen Weg gegangen. Unbeirrbar wie ein Büffel, der durch die Savanne strich. Aber schon die ersten Meilen bergan hatten dem Iren gezeigt, was ihn da oben in den Gesteinsschründen erwartete. Die vier Füchse hatten sich in den letzten fünf Tagen mehr plagen müssen als auf dem ganzen Trail.

      Jesse Hacatt hatte den Schluchtweg verlassen und den schmalen Paßpfad nach Westen eingeschlagen. Mit zusammengepreßten Lippen stampfte er vor den Gäulen her. Er wußte, daß man sie laufen lassen mußte, daß man ihnen nicht in die Augen sehen durfte, sie nicht vorwärtszerren konnte. Alles, was Jesse Hacatt auf dieser Welt noch aus dem Erlös von der Arbeit eines ganzen Menschenalters besaß, folgte ihm da mit dem Wagen den Paßpfad hinauf.

      Immer enger und enger wurde der Weg, bis er schließlich so schmal wurde, daß der Wagen rechts und links zu den himmelragenden Felswänden nur noch wenige Zoll Spielraum hatte.

      Aber auch dieses Bild verschleierte sich noch, als der Fels zur Rechten plötzlich wegblieb und sich statt dessen ein gähnender Abgrund auftat.

      Hacatt hielt nicht an, als die Füchse scheuten und nach links zur Wand hinüberdrängten. Er stieß einen heiseren Ruf aus, der die Pferde antrieb, und ging weiter. Es gab für ihn keinen Aufenthalt.

      Mit aschfahlem Gesicht saß die Frau auf dem Kutschbock und hielt die Zügelleinen. Ihr Gesicht war hart und verhärmt vom Elend vieler Jahre. Neben ihr hockte ein kleiner zehnjähriger Junge mit frischem sommersprossigem Gesicht und winziger Stupsnase.

      Bill und Mary folgten dem Gefährt. Sie hatten die Aufgabe, sofort die Bremssteine hinten vom Wagen zu reißen und unter die Räder zu stoßen, wenn das Fuhrwerk Gefahr lief, den steilen Paßweg zurückzurutschen. Jesse Hacatt hatte an alles gedacht.

      Bill war ein Bursche von dreiundzwanzig Jahren. Er hatte rotes Haar, grüne Augen und ein helles Gesicht; er war ein echter Ire wie der Vater. Groß, kräftig und schweigsam. Seine Schwester Mary glich eher der Mutter. Sie war dunkel, braunäugig und lebhafter im Wesen. Aber der harte Trail in die

      Mountains hatte auch sie stumm gemacht. Mit gesenktem Kopf trottete sie neben dem Bruder her. Sie hatte schon seit Stunden Mühe, Schritt zu halten. Aber Mary Hacatt hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als daß sie ein Wort darüber verloren hätte; darin war auch sie eben eine echte Irin.

      Der Weg wurde steiler und fiel rechts zuweilen so sehr ab, daß die Gäule den Wagen derart hart ans Gestein brachten, daß die Radnaben kreischend aufheulten Jesse Hacatt drehte sich nicht um. Er wußte ja, was sich da tat. Und die Pferde zogen weiter, weil ihr Herr weiterstampfte.

      Der Trail zum Tecca-Paß sollte das fürchterlichste Erlebnis des irischen Bauern Jesse Hacatt werden. Well, er hatte unten in Pittsburg den Aufseher niedergeschlagen; daß der rohe Mensch so unglücklich gestürzt war, daß er dabei den Tod fand, war von Hacatt nicht beabsichtigt gewesen. Dennoch warf er sich von jener Stunde an den Tod des Aufsehers Mike Bennet vor.

      »Ich bin ein Mörder!« Immer wieder verfolgte ihn dieser Satz bis in den Schlaf. »Ich bin ein ganz gemeiner dreckiger Mörder…«

      Vielleicht war es dieser Satz, der ihn auch in seinem weiteren Leben kein Glück


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