Der Bergpfarrer Extra 10 – Heimatroman. Toni Waidacher
der alten Kastanien- und Lindenbäume, fanden sich kleine Gruppen zusammen, die plaudernd beisammen standen.
Es war wieder ein herrlicher Tag und das ganze Wachnertal lag unter einem flirrenden Hitzeschleier. Überall blühte und grünte es, das wunderbare Wetter hob die Stimmung der Menschen und man konnte nicht nur ihre Stimmen vernehmen, sondern sehr oft auch Lachen und freundliche Zurufe.
Jannik und Franziska hatten sich keiner der Gruppen hinzugesellt, sondern auf dem Friedhof das Grab von Janniks Großeltern besucht. Als sie nun den Friedhof verließen, kam ihnen über den Pfarrplatz Pfarrer Trenker entgegen. Er hatte sein Messgewand abgelegt und trug den schwarzen Anzug mit dem weißen Priesterkragen und dem kleinen, goldenen Kreuz am Revers.
Sein Ziel war das Pfarrhaus. Er erwiderte nach allen Seiten die freundlichen Grüße, wechselte im Vorübergehen das eine oder andere Wort, und steuerte schließlich auf Jannik und Franziska zu. »Grüaß euch«, sagte er lächelnd, als er vor ihnen anhielt. »Wie geht’s euch? Ihr seht so glücklich aus.« Da Franziska ihren linken Arm in Janniks rechten eingehakt hatte, entging dem Pfarrer der Ring nicht, der an ihrem Finger funkelte und blitzte.
Jannik nickte: »Wir sind glücklich, Herr Pfarrer! Nun sind die Franzi und ich fast ein Jahr zusammen. Gestern haben wir eine Wanderung zur Kandereralm unternommen, und droben hab’ ich sie gefragt, ob s’ mich heiraten will.«
»Und du hast Ja gesagt, Franziska, gell?«, konstatierte Sebastian. »Ich seh’ den Ring an deiner linken Hand, und das Strahlen in deinen Augen.«
Franziska nickte. »Es war ein wunderbarer Tag, Hochwürden. Dass mir der Jannik den Ring an den Finger gesteckt hat, war die Krönung. Glücklicher als ich kann ein Mensch gar net sein. Wir sollen Sie vom Thurecker-Franz grüßen. Er lässt Ihnen bestellen, dass er sich schon auf Ihren nächsten Besuch freut.«
»Hoffentlich ist der Franz noch ein paar Jahre so gut drauf, wie wir ihn gestern erlebt haben«, sagte Jannik. »Wenn er mal nimmer waltet und schaltet da droben, dann verliert die Kandereralm für so manchen sicherlich ihren Reiz. Meiner Meinung nach wär’ sie nix ohne den Franz.«
»Da sind wir einer Meinung«, pflichtete Sebastian bei. »Wenn ihr euch verlobt habt, dann habt ihr sicher irgendwann auch die Hochzeit geplant. Wann habt ihr denn vor, in den Hafen der Ehe zu schippern?«
»Wir haben davon gesprochen«, erklärte Jannik, »ein genaues Datum wissen wir aber noch net. Wahrscheinlich heiraten wir im Herbst, vielleicht auch erst im Frühling. Sicher ist jedenfalls, dass wir heiraten.«
»Ich freu’ mich mit euch«, versicherte Sebastian.
»Guten Morgen, Sebastian«, erklang es.
Er drehte den Kopf und sah Jürgen Deininger und Katrin Moser näherkommen. »Guten Morgen«, erwiderte er den Gruß. »Ich hab’ euch nimmer gesehen nach der Mess’ und war der Meinung, ihr seid schon auf dem Heimweg.«
»Auf den machen wir uns jetzt«, warf Jannik ein. »Die Mama hat uns zum Mittagessen eingeladen. Auf Wiedersehen, Herr Pfarrer. Sollt’ unsere Heirat irgendwann spruchreif werden, lassen wir Sie’s wissen.«
»Pfüat euch«, verabschiedete Sebastian das Pärchen. »Ich wünsch euch alles Gute, vor allem dass ihr weiterhin miteinander so glücklich wie im Moment seid.«
»Danke«, sagten Jannik und Franziska wie aus einem Mund, dann gingen sie weiter.
Sebastian aber wandte sich Jürgen und Katrin zu. »Die beiden haben sich gestern verlobt. Jetzt schweben sie wie auf Wolken. Ich freu’ mich jedes Mal, wenn ich erleben darf, dass die Liebe zwei Menschen glücklich macht.«
»Eine sehr schöne Predigt haben Sie wieder gehalten, Sebastian«, lobte Jürgen. »Die Geschichte vom verlorenen Sohn hat mich nachdenklich werden lassen. Denn auch ich bin ein verlorener Sohn. Im Gleichnis ist der Vater allerdings glücklich, als der Sohn wieder nach Hause zurückkehrt, und er veranstaltet ihm zu Ehren sogar ein Fest. Bei mir und meinem Vater würde es anders ausgehen …«
»Haben S’ noch einmal versucht, mit ihm ein vernünftiges Gespräch zu führen?«, erkundigte sich Sebastian.
»Nein. Er war mir gegenüber absolut unversöhnlich und abweisend. Aber das wissen Sie ja.« Ein düsterer Schatten huschte über sein Gesicht. »Am Freitag wollen wir die Brauerei festlich einweihen. Gestern haben meine beiden Brüder ihr Kommen abgesagt.«
Sebastian zeigte sich betroffen. »Ich denk’, mit den beiden sind Sie ausgesöhnt«, stieß er hervor.
»Schon«, erwiderte Jürgen. »Aber sie befürchten, dass es mein Vater in den falschen Hals kriegen könnte, wenn sie der Einladung folgen und zur Einweihung meiner Brauerei nach St. Johann kommen. Sie wollen den Streit in der Familie nicht noch vertiefen. Vater könnte denken, dass sie sich mit mir gegen ihn verschworen haben.«
»Das ist doch Blödsinn!«, rief Sebastians spontan. »Sind denn Ihre Brüder net imstand, auf Ihren Vater einzuwirken? Der letzte Stand der Dinge war, dass man ihn bewegen wollte, endlich das Szepter aus der Hand zu geben und die jüngere Generation ranzulassen. Das hat er zwar abgelehnt, aber Ihre Brüder wollten doch am Ball bleiben.«
»Wahrscheinlich haben die beiden in der Zwischenzeit resigniert. Unser Vater ist gegen jede Neuerung und Modernisierung und lebt nach dem Motto: Es ist hundert Jahre und mehr gut gegangen, weshalb sollte es die kommenden hundert Jahre nicht auch gut gehen?«
»Wenn sich nix ändert«, mischte sich Katrin Moser ein, »dann dürft’ die Deininger-Brauerei in Landshut wohl bald der Vergangenheit angehören. Philipp hat die Zeichen der Zeit zu deuten gewusst, er fängt übernächste Woche, wenn die ›Deininger Bräu‹ hier in St. Johann die Produktion aufnimmt, als Braumeister an. Er möcht’ gar nimmer zurück nach Landshut. Nachdem sich sein Opa so stur und uneinsichtig zeigt, ist Philipp fest davon überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die Brauerei in Landshut zusperren muss, weil 's runtergewirtschaftet ist.«
»Und dann?«, fragte Sebastian.
Jürgen übernahm es, zu antworten: »Mein Vater dürfte vorgesorgt haben, er ist ja fast achtzig. Bei meinen Brüdern schaut es anders aus. Sie sind beide erst um die fünfzig. Beruflich irgendwo unterzukommen, wird in diesem Alter nimmer so einfach sein. Sie können allenfalls versuchen, was Neues auf die Beine zu stellen. Das Problem dürfte sein, dass ihre Geschäftseinlagen futsch sein werden, sollte die Landshuter Brauerei GmbH den Bach hinuntergehen.«
»Die beiden sind zu schwach, um ihre Interessen gegen den absolut autoritären Michael P. Deininger durchzusetzen«, ergriff nun wieder Katrin Moser das Wort. »Aber wem net zu raten ist, dem ist auch net zu helfen. Jürgen hat sich rechtzeitig abgenabelt von dem alten Despoten, und ich denk’, er ist damit gut gefahren. Leid kann einem nur Philipps Mutter tun. Der Philipp telefoniert fast täglich mit ihr. Helga will, dass sich ihr Mann und sein Bruder, der Vinzenz, endlich gegen ihren Vater auf die Hinterfüß’ stellen. Aber wie’s scheint, kämpft sie gegen Windmühlenflügel. Sie steht leider auf verlorenem Posten.«
»Es ist tragisch«, fügte Jürgen hinzu, »aber wohl net zu ändern.«
»Vielleicht sollten S’ doch noch einmal versuchen, mit Ihrem Vater zu reden, Jürgen«, murmelte Sebastian. »Schicken S’ Ihre Brüder vor, lassen S’ die beiden den Weg für Sie ebnen. Sie und Ihren Vater haben doch rein geschäftliche Differenzen entzweit. Ich würd’ ja alles verstehen, wenn der Streit persönlicher Natur gewesen wär’. Aber so …«
»Mein Vater trennt Privat- und Geschäftsleben nicht«, entgegnete Jürgen. »Er nimmt auch das Geschäftliche absolut persönlich. Wenn es einem Menschen gelingt, mit dem Kopf Wände einzurennen, dann ist das mein alter Herr, mit seinem Sturschädel.«
»Es muss doch einen Weg geben …«, murmelte Sebastian nachdenklich.
»Ich seh’ keinen«, erklärte Jürgen und zuckte mit den Achseln. »Ich selbst bin es auch ziemlich leid, zu versuchen, mit meinem Vater Frieden zu schließen.« Er seufzte ergeben. »Sollten wir uns vorher nicht mehr treffen, Sebastian, dann sehen wir uns spätestens am Freitag, um zehn Uhr, bei der Brauerei. Ich