Der Tod und Ein Hund. Фиона Грейс
der ikonischen Kinderbuchente Jemima Pratschel-Watschel mit Haube und Schal. Die Teekanne war wie ein bunt dekorierter, indischer Elefant geformt, auf dessen rot- und goldfarbenen Sattel die Worte Piccadilly Circus gedruckt waren. Sein Rüssel war natürlich der Ausguss.
Während der Tee noch im Kessel zog, verwendete Tom eine silberne Zange, um ein paar Croissants aus der Vitrine in der Auslage zu holen, die er auf einem hübschen, blumigen Teller auflegte. Er schob eines zu Lacey, gefolgt von einem Glas ihrer Lieblingskonfitüre aus Aprikosen. Dann schenkte er beiden eine Tasse des gebrühten Tees ein, setzte sich auf seinen Stuhl, hielt die Tasse hoch und sagte: „Zum Wohl.“
Als sie gleichzeitig einen Schluck machten, hatte Lacey ein plötzliches Déjà-vu. Kein echtes, bei dem man sich sicher ist, dass man diesen exakten Moment bereits erlebt hat, sondern ein Déjà-vu, das mit der Wiederholung und Routine kommt, wenn man etwas jeden Tag macht. Es fühlte sich so an, als hätten sie diesen Moment bereits erlebt, weil sie es hatten; gestern und am Tag davor und am Tag davor. Als sehr beschäftigte Ladenbesitzer mussten Tom und Lacey oft Überstunden machen und arbeiteten sieben Tage die Woche. Die Routine, der Rhythmus war ganz wie von selbst gekommen. Aber es war mehr als das. Tom hatte ihr ganz automatisch ein getoastetes Mandelcroissant mit Aprikosenkonfitüre gegeben. Er musste nicht einmal fragen, was sie wollte.
Es hätte Lacey glücklich machen sollen, aber stattdessen fand sie es beunruhigend. Denn genauso waren die Dinge anfangs mit David gewesen. Die Bestellung des anderen lernen. Kleine Gefallen für den anderen erledigen. Kleine Momente von Routine und Rhythmus, die ihr das Gefühl gegeben hatten, zwei Teile eines Puzzles zu sein, die perfekt ineinanderpassten. Sie war jung und dumm gewesen und hatte den Fehler gemacht zu glauben, dass es sich immer so anfühlen würde. Aber das war nur die Anfangsverliebtheit gewesen. Diese ging nach einem oder zwei Jahren verloren und zu diesem Zeitpunkt steckte sie bereits in einer Ehe fest.
War es in der Beziehung mit Tom genauso? Würde die Verliebtheit mit der Zeit nachlassen?
„Woran denkst du?“, fragte Tom und unterbrach ihr nervöses Grübeln.
Lacey spuckte ihren Tee beinahe aus. „Nichts.“
Tom zog eine Augenbraue hoch. „Nichts? Hat die Zichorie so wenig Eindruck bei dir hinterlassen, dass all deine Gedanken aus dem Kopf gefegt wurden?“
„Oh, über den Tee!“, erwiderte sie und wurde rot.
Tom sah nun noch amüsierter aus. „Ja. Was denn sonst?“
Lacey stellte die Diana-Tasse klappernd auf der Untertasse ab. „Er ist gut. Erinnert mich an Lakritze. Acht von zehn Punkten.“
Tom pfiff. „Wow. Ein hohes Lob. Aber nicht ganz ausreichend, um den Assam von seinem Thron zu stürzen.“
„Es würde einen herausragenden Tee benötigen, um den Assam zu entthronen.“
Ihr kurzweilige Sorge, Tom könnte ihre Gedanken lesen, verschwand wieder und Lacey wandte ihre Aufmerksamkeit dem Frühstück zu. Sie genoss jeden Bissen des buttrigen Gebäcks, gemeinsam mit den gerösteten Mandeln und der selbstgemachten Aprikosenkonfitüre. Aber selbst das schmackhafte Essen konnte ihre Gedanken nicht davon abhalten, zu ihrer Unterhaltung mit David zu wandern. Sie hatte seine Stimme nicht mehr gehört, seit er aus ihrem alten Appartement auf Upper East Side mit den Worten gestürmt war: „Du wirst von meinem Anwalt hören!“ Seine Stimme wieder zu hören, erinnerte sie daran, dass sie vor weniger als einem Monat noch eine relativ glücklich verheiratete Frau gewesen war, mit einem stabilen Job, einem Einkommen und ihrer Familie in der Nähe, in einer Stadt, in der sie ihr gesamtes Leben verbracht hatte. Ohne es zu bemerken, hatte sie ihre gesamte Vergangenheit in New York City hinter dicke Mauern in ihrem Verstand geschoben. Es war eine Bewältigungsstrategie, die sie bereits als Kind gelernt hatte, um mit der Trauer über das plötzliche Verschwinden ihres Vaters umzugehen. Es schien als hätte Davids Stimme das Fundament dieser Mauer zum Wackeln gebracht.
„Wir sollten einen Urlaub machen“, sagte Tom plötzlich.
Und schon wieder spuckte Lacey beinahe ihr Essen aus, aber es war Tom offensichtlich nicht aufgefallen, denn er sprach weiter.
„Wenn ich von dem Focaccia-Kurs zurück bin, sollten wir einen Urlaub in der Umgebung machen. Wir haben beide so hart gearbeitet in letzter Zeit. Das haben wir uns verdient. Wir können in meine Heimatstadt in Devon fahren und ich zeige dir all die Orte, die ich als Kind geliebt habe.“
Hätte Tom diesen Vorschlag gestern, vor Davids Anruf, gemacht, hätte Lacey wahrscheinlich direkt angebissen. Aber auf einmal schien es ihr völlig voreilig zu sein, Pläne für die Zukunft mit ihrem neuen Freund zu machen – selbst wenn diese Zukunft nur eine Woche entfernt war. Es gab keinen Grund, weshalb sich Tom Sorgen machen sollte. Aber Lacey war noch nicht lange geschieden. Sie hatte seine relativ stabile Welt betreten, als sich in ihrem Leben jedes kleinste Detail verändert hatte – angefangen von ihrem Job, ihrem Zuhause, ihrem Heimatland und sogar ihrem Beziehungsstatus! Sie wechselte vom Babysitten ihres Neffen Frankie, während ihre Schwester Naomi auf einem weiteren desaströsen Date war, zu einem Leben, bei dem sie regelmäßig Schafe aus ihrem Vorgarten vertreiben musste; von ihrer mürrischen Chefin Saskia in einem New Yorker Innenarchitekturbüro zur Antiquitätensuche in den Londoner Einkaufsstraßen mit ihrer eigensinnigen Nachbarin, die immer Strickjacken trug, und zwei Schäferhunden im Schlepptau. Es waren viele große Veränderungen auf einmal und sie war sich nicht ganz sicher, wie es gerade in ihr aussah.
„Das kommt darauf an, wie hektisch es im Laden wird“, antwortete sie unverbindlich. „Die Auktion benötigt mehr Arbeit, als ich gedacht habe.“
„Klar“, sagte Tom und schien keineswegs zwischen den Zeilen zu lesen. Die Nuancen und Untertöne zu deuten, war keine von Toms Stärken, was sie ebenfalls an ihm mochte. Er nahm alles genauso hin, wie es gesagt wurde. Anders als bei ihrer Mutter und Schwester, die sie stichelten und ihr jedes Wort im Mund umdrehten, versuchte Tom gar nicht erst, etwas zu hinterfragen. Er legte alle Karten auf den Tisch.
Genau in diesem Moment klingelte die Glocke über der Eingangstür der Patisserie und Toms Blick schweifte über Laceys Schulter. Sie sah, wie sich seine Gesichtszüge zu einer Grimasse verzerrten, bevor er seinen Blick wieder auf sie richtete.
„Großartig“, murmelte er leise. „Ich habe mich schon gefragt, wann Dick und Doof endlich vorbeikommen würden. Bitte entschuldige mich.“
Er stand auf und kam hinter dem Tresen hervor.
Gespannt darauf, wer eine solche instinktive Reaktion bei Tom auslösen würde – einem Mann, der dafür bekannt war, immer entspannt und freundlich zu sein – drehte sich Lacey auf ihrem Hocker um.
Die Kunden, die das Geschäft betreten hatten, waren ein Mann und eine Frau, die so aussahen, als kämen sie gerade direkt von dem Set der Serie Dallas. Der Mann trug einen taubenblauen Anzug mit Cowboyhut. Die Frau, die viel jünger war – dies schien die Präferenz der meisten Männer mittleren Alters zu sein, dachte Lacey ironisch – war in einem knallpinken Zweiteiler gekleidet, der hell genug war, um Lacey Kopfschmerzen zu bereiten, und sich fürchterlich mit ihrer gelben Dolly-Parton-Frisur schlug.
„Wir hätten gerne ein paar Kostproben“, keifte der Mann. Er war Amerikaner und seine Schroffheit passte überhaupt nicht in Toms idyllische, kleine Patisserie.
Oh Gott, ich hoffe, ich klinge für Tom nicht auch so, dachte Lacey verlegen.
„Natürlich“, antwortete Tom höflich und sein englischer Akzent schien sich als Reaktion darauf noch verstärkt zu haben. „Was würden Sie gerne kosten? Wie haben Backwaren und…“
„Igitt, Buck, nein“, sagte die Frau zu ihrem Ehemann und zerrte an seinem Arm, in den sie sich eingehängt hatte. „Du weißt doch, dass mich Weizen aufbläht. Frag ihn nach etwas anderem.“
Lacey zog bei dem Anblick des seltsamen Paares eine Augenbraue hoch. War die Frau nicht in der Lage, eigene Fragen zu stellen?
„Haben sie Schokolade?“, fragte der Mann, den sie Buck genannt hatte. Eigentlich klangen seine Worte mit seinem rüpelhaften Ton viel mehr nach einer Forderung.
„Natürlich“, sagte Tom, der es irgendwie schaffte, vor dem Großmaul