The Trial and Death of Socrates. Plato
Nein, mein Bruder ist ein junger Krieger. Und will er dem Miko sagen, daß der Häuptling der Salzsee ein Dieb ist?«
»Und der Miko weiß dies nicht?« fragte er.
Die Indianerin verneinte es. »Wenn der Miko es mir erlaubt, dann will ich ihm bald Beweise liefern. Der Seeräuber wird es nicht lange mehr treiben. Sein letzter Streich hat das Maß gefüllt. Wahrscheinlich ist er bereits eingefangen.«
»Mein Bruder«, erwiderte sie, »wird den Miko sehen, der Miko wird die Palme seiner Hand öffnen, und ihm ein Wigwam geben und Rosa zur Squaw schenken. Er wird meinen Bruder lehren, die Wasserschlange töten und den schlafenden Bären und den schnell springenden Panther schießen. Mein Bruder wird ein großer Krieger werden. Und Rosa«, flüsterte sie ihm zu, »wird einst sein Wildbret kochen und sein Jagdhemde nähen, und der Dieb soll sie nicht haben.« Mit diesen Worten eilte sie von dannen.
»Verfluchte Robinsonade!« schrie der Brite, als die Indianerin den Rücken gekehrt hatte, und ein lautes Hohngelächter entfuhr ihm. »Glaubt sie mich zum Ersatze für den abscheulichen französischen Hund zu nehmen? Wahrlich, James, du müßtest dich trefflich in den Mokassins und Wampums, rot bemalt, ausnehmen. Ins Wigwam ziehen! Wildbret kochen! Nein, es ist zum Tollwerden!«
Und wahrlich für einen jungen, kaum zwanzigjährigen Midshipman, der die Liebe höchstens aus Romanen kannte, mußte der Vorschlag, sein Leben in einem indianischen Wigwam zwischen Wilden zuzubringen, eben nicht sehr erfreulich klingen.
Seine Lage war wirklich nicht beneidenswert. Sie war, wenn gleich nicht so ganz unerhört unter seinen abenteuerlichen Landsleuten, doch von allem, was er gesehen oder gehört, so gänzlich verschieden, die Geschöpfe, mit denen er umringt, so sonderbar, daß er immer mit sichtbarer Angst seinen Mund auftat, aus Furcht, mißverstanden zu werden. Er hatte sich gewissermaßen einen ganz neuen Ideenkreis zu bilden, um sich mit ihnen verständigen zu können, aber in dieser Bemühung das Ziel schrecklich verfehlt. Je tiefer er sich mit ihnen eingelassen, desto mehr hatte er sich verwickelt, und alle seine Mühe, den Faden aus diesem Labyrinthe herauszufinden, war gescheitert. Was er zudem während der letzten Tage gesehen und gehört, war wahrlich nicht berechnet, seine Lage besonders erfreulich zu machen. Die Wildheit der Weiber bei ihrem Tanze, das höhnend Giftige der Jungen, die mißtrauisch durchbohrenden Blicke der alten Squaws, mit dem furchtbaren Erbeben Rosas bei dem bloßen Namen des Miko, waren eben keine guten Vorbedeutungszeichen für den guten Empfang des Häuptlings. Es war allmählich, daß diese Umstände und Bilder sich seinem Gedächtnisse und seiner Phantasie vordrängten und eine Verwirrung in seinem Kopfe anrichteten, die ihn die ganze Nacht wie wahnsinnig im Dörfchen umhertrieb. Erst gegen Morgen wurde er ruhiger; seine Verstandeskräfte traten allmählich in ihre Verrichtungen, und, die wilden Phantasiestücke absondernd, gelangte er, wenn nicht zu einem klaren, doch ruhigen Anschauen seiner Lage. Erst als dieses Geschäft in seiner Seele so weit gediehen, entschlief er.
Die kurze Ruhe hatte ihm zu einiger Besonnenheit verholfen; der junge Mann schritt am Morgen festern Schrittes der Hütte der Mädchen zu. Seine Miene schien anzukündigen, daß er einen Entschluß gefaßt habe.
Neuntes Kapitel
Die beiden Mädchen kamen ihm auf der Türschwelle entgegen. Die Indianerin war ungemein heiter, in Rosa war keine Veränderung vorgefallen. In ihrem Gesichte spielte ein milder, kindlicher Ernst mit ruhiger Ergebung und sanfter Würde. Sie blickte den jungen Mann freundlich an.
»Mein Bruder«, lachte ihm die Indianerin entgegen, »ist ernst wie Wineachi, wenn er sich die siebente Pfeife vollgestopft hat, und bleich. Hat mein Bruder einen bösen Traum gehabt?«
»Viele, meine Schwester«, erwiderte er.
»Die weiße Rosa wird sie deuten«, sprach die Indianerin mit einem vielsagenden Lächeln, indem sie zugleich die Türe öffnete und beide in die Stube schob, die sie verschloß. Und dann trippelte sie schnell ins Gebüsch fort.
»Unsere Schwester scheint sehr gut aufgelegt zu sein«, sprach der junge Mann, der in ziemlicher Verlegenheit dem Manöver der Indianerin zugesehen hatte.
»Sie weiß es,« erwiderte das Mädchen, »daß Rosa es liebt, ihren Bruder zu sehen.«
Der junge Mann blickte sie an, als wäre er aus den Wolken gefallen. Es hatte sich jedoch kein Zug in ihrem Wesen verändert. – Derselbe unschuldig klare Blick, eine Art natürliche Hoheit, die unverhohlen die leisesten Regungen des Herzens gestand. Sie hatte ihn durch den Vorhang ihrem Stübchen zugeführt, und sein flüchtiger Blick fiel nun auf die Einrichtung. Das Ganze war so freundlich, so niedlich und bei der kunstlosesten Einfachheit so geschmackvoll und reinlich, daß seine Verwunderung mit jedem Augenblicke stieg. Wie in der äußern Stube, so befanden sich auch hier zwei an den Wänden hinlaufende Sitze oder vielmehr Ruhelager, auf deren einem sie sich mit unendlicher Grazie niederließ, ihn bittend, dasselbe auf dem entgegengesetzten zu tun. An den Wänden hingen die Kleider der Mädchen, unter denen einige sehr elegante und selbst kostbare Anzüge. Ein Arbeitskästchen stand am Fenster. Beinahe glaubte er sich in eine Devonshire-Cottage Altenglands versetzt.
»Aber ums Himmels willen, Miß,« sprach er, »wo haben Sie, ich bitte tausendmal um Vergebung, diese prachtvollen Anzüge, diese kostbaren Geschmeide in dieser Wildnis her?« Sie sah ihn betroffen an. Die Frage war wirklich echt seemännisch.
»Vom Häuptlinge der Salzsee«, erwiderte sie mit leiser stockender Stimme.
»Vom Häuptlinge der Salzsee? Und kommt der hieher?«
»Er kommt, wenn seine Leute Welschkorn, Wildbret oder Tabak brauchen, und dann bleibt er mit ihnen oft viele Tage im Wigwam.«
»Und die schöne Rosa hat auch einen Tauschhandel mit dem Seeräuber?« fragte er in gleicher seemännischer Weise und nicht ohne Spott.
Sie warf einen furchtsamen Blick auf ihn und erwiderte dann bittend, beinahe demütig: »Der Pfeil des Schmerzes sitzt tief im Herzen deiner Schwester, mein Bruder. Du mußt ihn nicht noch tiefer drücken. Sie muß die Geschenke des Häuptlings der Salzsee – des Diebes«, sprach sie mit Abscheu, »annehmen. Der Miko hat es geheißen.« Sie brach in einen Tränenstrom aus, begleitet von einem lauten Schluchzen.
»Mein Bruder«, sprach die Indianerin hinter der Tapete, »muß sanft ins Ohr der weißen Rosa sprechen. Sie ist sehr zart. Siehe, sie hat ihm Wein und eine Wolldecke in den hohlen Baum gebracht und hat bei ihm gewacht, als er schlief; die Rosen sind beinahe von ihrem Gesichte gewichen.«
»Rosa!« stammelte der Jüngling, auf sie zustürzend; »das haben Sie für mich getan?« Seine Stimme versagte ihm den Dienst. Er faßte ihre beiden Hände.
»Aber Canondah!« bat Rosa mit unterdrücktem Vorwurfe.
»Mein edles Mädchen, Vergebung«, rief der Jüngling, sich vor ihr niederlassend und ihre Hand ergreifend. »Wie habe ich so viele Güte um Sie verdient?« Es zuckte fieberisch durch seine Glieder. Er zitterte, der Angstschweiß brach auf seiner Stirne aus. Plötzlich fuhr er mit seiner Hand über diese hin, sprang auf und stürzte durch die Türe.
Ein Tornado tobte in ihm, der das Schifflein seines Verstandes in den Abgrund zu senken drohte. Er rannte durch das Dörfchen wie ein Rasender.
Die Indianerin unterbrach abermals seine wilden Träume, als er am Waldesrande halb rasend auf und ab tobte. Beinahe hätte er sie wegen dieser abermaligen Zudringlichkeit rauh angefahren; aber in ihrer Miene lag etwas so Gebieterisches, ihr Blick ruhte so finster, beinahe feindselig auf ihm, daß ihm dies für jetzt seine Zunge band.
»Unsere Krieger«, sprach das Mädchen, »lassen ihre Squaws Felder pflügen und Korn säen und die Tabakspflanze bauen; aber sie stoßen ihnen nicht den Stachel ihrer gekrümmten Zunge in die Herzen. Mein Bruder ist kein Krieger, aber er liebt gleich der Schlange mit seiner Zunge zu vergiften und den Giftzahn in meiner armen Schwester Busen zu stoßen, die ihm das Leben gerettet hat. Mein Bruder ist eine alte, boshafte Squaw, ein Yankee«, sprach sie mit Abscheu, ihm