Mattes Blut. Amy Blankenship

Mattes Blut - Amy Blankenship


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gesagt.

      Sie blickte hinaus auf den Teich, der hinter dem Schreinhaus ihres Großvaters angelegt war, und seufzte leise, als sie das Spiegelbild des Mondes in dem stillen Wasser sah. Kyoko legte ihren Kopf ein wenig zur Seite, als etwas von dem Schreinhaus ihre Aufmerksamkeit erregte und sie fragte sich, ob ihr Großvater noch innerhalb der Holzwände war. Sie hätte schwören können, dass er schon im Bett lag.

      Mit einem angestrengten Blick auf das kleine Häuschen konnte sie ein blaues Leuchten in dessen Inneren erkennen. Sie kaute auf ihrer Unterlippe, als sie sich über das Geländer lehnte, um besser sehen zu können. Das Licht, das durch die Spalten in dem Holz schien, war… wie schwarzes Licht, aber blauer. Ihre smaragdgrünen Augen wurden schmal, als sie dachte, dass sie einen Schatten sah, der sich vor dem Licht bewegte, sodass sie hinuntergehen wollte, um nachzusehen.

      Kyoko verzog das Gesicht und blies sich ihre Stirnfransen aus den Augen, als sie sich daran erinnerte, was das letzte Mal geschehen war, als sie dem heiligen Schreinhaus zu nahe gekommen war. Ihr Großvater war hineingegangen, und hatte die Tür einen kleinen Spalt breit offengelassen. Alles, was sie getan hatte, war, hineinzuspähen und er war völlig ausgerastet.

      „Ich verstehe nicht, wo das Problem ist… es ist doch nur eine Statue einer Prinzessin“, flüsterte Kyoko noch einmal dieselben Worte, wie an jenem Tag.

      Großvater hatte daraufhin die Tür zugeschlagen und sie versperrt. Er hatte so besorgt ausgesehen, als er sich umgedreht und ihr gesagt hatte, dass sie nie, niemals dort hineingehen durfte. Sie hatte es ihm sofort versprochen, denn wenn etwas ihrem Großvater solche Angst machte… wollte sie nichts damit zu tun haben. Doch das war vor ein paar Monaten gewesen und ihre Neugier nagte schwer an ihr.

      Mit einem verschmitzten Lächeln schaute Kyoko über ihre Schulter in ihr Schlafzimmer, um sicherzugehen, dass die Luft rein war, ehe sie auf das Geländer kletterte und ihre Füße auf der anderen Seite hinunterhängen ließ. Wenn irgendjemand wach gewesen wäre und dies gesehen hätte, hätte sie große Probleme bekommen. Aber so zu sitzen war es allemal wert, eine Standpauke zu bekommen. Nachdem alles andere hinter ihr war, wo sie es nicht sehen konnte, hatte sie fast das Gefühl, durch die Nacht zu schweben, während sie auf das Wasser blickte.

      Ihre Aufmerksamkeit kehrte wieder zurück zum Schreinhaus, als das blaue Licht plötzlich viel heller wurde, als würde ein Stern geboren werden. Mit einem blendenden Blitz explodierte es plötzlich. Die Tür des Schreinhauses wurde aus ihren Angeln gerissen und landete mit einem dumpfen Knall, der von einem lauten Platschen gefolgt wurde.

      ‚Ein Platschen?‘, dachte Kyoko.

      Sie riss ihren Kopf wieder herum und schaute auf das glitzernde Wasser des Teiches, wo nun kreisförmige Wellen zu sehen waren, die sich von dem Punkt ausdehnten, wo etwas gerade hineingefallen war. Ohne an die gefährliche Höhe ihres Balkons zu denken, drehte sie sich um und ließ sich von den Händen von der Unterkante des Geländers hängen, ehe sie sich fallen ließ.

      Kaum, dass ihre kleinen Füße im Gras landeten, lief sie los, aus Angst, dass ihr Großvater irgendwie ins Wasser geschleudert worden war. Von der kleinen Brücke aus sprang Kyoko ins Wasser, in die Richtung, von wo aus sich die Wellen kreisförmig ausbreiteten. Sie nahm sich nicht die Zeit, über das eisige Stechen des kalten Wassers nachzudenken, als sie mit kräftigen Stößen zum tiefsten Punkt des Teichs tauchte.

      Sie wusste, dass es zu dunkel sein würde, um etwas zu sehen, aber trotzdem öffnete sie ihre Augen in dem trüben Wasser. Ihr Großvater war hier irgendwo und sie musste ihm helfen. Ihre Lippen öffneten sich überrascht, als sie doch etwas im Wasser sah… etwas, das so hell war, dass es fast blendete. Genau da, in der Mitte des Lichts war ein Engel und er sank langsam zum Grund des Teichs.

      Sie konnte fühlen, wie das eiskalte Wasser in ihre Lungen schoss, als sie verzweifelt nach der leuchtenden Hand griff. Er war wunderschön und sah aus, als würde er schlafen. Flügel… er hatte silberne Flügel. Nachdem sie seine Hand fest gepackt hatte, zog sie so fest sie konnte, aber dadurch kam sie ihm nur näher. Sie versuchte, ihm etwas zuzurufen, aber dadurch gelangte nur noch mehr Wasser in ihre Lungen. Es tat nicht weh, aber ihr war kalt… und sie war so müde.

      Kyoko fühlte, wie sich seine Finger um ihre Hand schlossen, und ihr letzter Gedanke war, dass ein Engel gekommen war, um sie in den Himmel zu bringen, damit sie wieder bei ihrer Mami und ihrem Papi sein konnte.

      Toya kam ruckartig wieder zu Bewusstsein und öffnete seine Augen. Wasser? Wieso war er im Wasser? Er fühlte, wie jemand seine Hand berührte, und wandte seinen Kopf herum, um ein kleines Mädchen bei ihm im Wasser zu sehen. Ihr Haar, das an der Oberfläche trieb, umrahmte das hübscheste Gesicht, aber ihre Augen waren geschlossen, und ihre herzförmigen Lippen leicht geöffnet.

      Als ihm klar wurde, was das bedeutete, zog Toya sie in seine Arme und schoss so schnell aus dem Wasser heraus, dass er riesige Wellen schlug.

      Als er auf das kleine Bündel in seinen Armen hinuntersah, setzte sein Atem aus… sie war wunderschön und sah so zerbrechlich aus. Er streckte seine Flügel nach oben und sank hinunter auf das weiche Gras, wo er sie vorsichtig hinlegte. Toya legte seine Hand auf ihr Herz und betete, dass er es schlagen fühlen könnte.

      Seine goldenen Augen wurden groß, und sein eigenes Herz begann zu rasen, als er fühlte, wie seine Beschützermacht sich in seiner Handfläche sammelte. Heiße Tränen traten in seine Augen, sodass das Bild vor ihm verschwamm. Seine Augen verfärbten sich leicht silbern, als er fühlte, wie seine Beschützermacht nach ihr griff.

      „Kyoko?“ Toya konnte fühlen, wie sich ihre Macht mit der seinen vermischte, sich zwischen seiner Hand und ihrem Herzen sammelte, und er wusste, dass er recht hatte. Er hatte sie endlich wiedergefunden, aber in dieser Welt war sie erst ein Kind. Er hob seinen Blick zum Himmel und flehte: „Du hast mich doch nicht grundlos hierher gebracht… oder? Bitte sag, dass ich nicht nur gekommen bin, um wieder zuzusehen, wie sie stirbt. Ich kann es nicht… ich werde es nicht tun.“

      Als nichts geschah, drückte Toya sie fest an sich und das Echo seines verzweifelten Winselns war zu hören, als sie reglos blieb. Er drückte sein Gesicht in ihren Hals und schmiegte seine Brust an ihre, wollte, dass ihr Herz das seine schlagen fühlte.

      „Verdammt, Kyoko, ich bin hier… fühle mich.“ Toyas Nerven zerbröckelten mit jeder Sekunde mehr, bis er schließlich nicht mehr konnte und schrie: „Bitte…lass mich sie diesmal retten!“

      Instinktiv wandte er sein tränenverschmiertes Gesicht dem kleinen Häuschen zu, das ein paar Meter entfernt stand. Dort… gleich hinter der Tür war die Jungfernstatue. Als er den leuchtenden Blick des Herzens der Zeit sah, fühlte Toya, wie seine Wut ihn übermannte und er setzte alles auf eine Karte.

      „Es ist mir egal, wenn die Dämonen kommen, und du kannst deinen verdammten Kristall haben. Es ist mir alles egal… ich will nur sie! Ich liebe sie. Ich habe sie schon immer geliebt. Wage es nicht, sie mir wieder wegzunehmen!“

      Die leuchtenden Augen der Statue schienen ihn einen Moment lang nachdenklich zu betrachten, dann leuchteten sie heller. Ohne ein Wort wusste Toya, was das Herz der Zeit von ihm wollte. Er fühlte sich völlig ruhig, sein Ärger wie weggeblasen, als er seinen Blick von der Statue löste und auf das sterbende Kind in seinen Armen sah.

      „Wenn ich sie damit rette“, flüsterte Toya, war bereit, alles zu opfern, solange sie nur leben durfte. Ihr kleiner Körper begann im gleichen blauen Licht zu leuchten, wie seiner. Indem er seine Lippen auf die ihren presste, schenkte Toya ihr seinen Atem… besiegelte ihr Schicksal, gerade als ihr Herz wieder zu schlagen begann.

      Das Wasser in ihren Lungen verdampfte, als Kyoko die warme Luft einatmete und sich aus der zähen Dunkelheit nach oben kämpfte. Wärme, sie war davon umgeben. Sie bemühte sich, ihre Augen zu öffnen, als sie sich an den Engel erinnerte, den sie retten hatte wollen.

      Während sie das Wasser wegblinzelte, wartete sie darauf, dass das blendend blaue Licht erlosch. Als es endlich dunkler wurde, erkannte sie, dass der Engel sie in den Armen hielt und sie beobachtete. Nachdem sie fühlte, wie ihre Lippen kribbelten, berührte sie sie staunend mit ihren Fingerspitzen.


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