Strand Krimi Paket: Auch Mörder unter den Freunden - Thriller Sommer 2020. A. F. Morland
beugte sich etwas. „Lass mich mal nachdenken. Du willst Duarte aus dem Weg räumen. Wahrscheinlich, weil du dein Dealer-Revier verloren hast, seit Duarte die Hand auf das Buena Vista ausgestreckt hat…“
„Jeder muss sehen, wie er zurecht kommt“, erwiderte Tambino. „Klar, der Mann in Weiß will natürlich, dass in Gutierrez’ Clubs jetzt ausschließlich sein Schnee verkauft wird.“
„Da steht doch viel mehr für dich auf dem Spiel, Greg! Und wenn du das Geld nicht aufbringen kannst, dann frag doch Gutierrez, ob er es dir wiedergibt, dem tust du doch einen Gefallen, wenn du dafür sorgst, dass Duarte verschwindet.“
„Gutierrez?“, lächelte Tambino. „Den Teufel wird der tun.“
„Dann tut es mir leid“, sagte Dolores. Sie erhob sich. „So schlecht ist der Job als Go-Go-Girl im Buena Vista auch nicht.“
„Warte!“
Tambino sprang auf, griff nach Dolores’ Handgelenk. Er fasste so fest zu, dass wie in einem Schraubstock festsaß.
„Du tust mir weh“, sagte sie.
Der Kellner des Coffee Shops, der gerade damit beschäftigt war, ein paar Tische abzuwischen, schaute schon misstrauisch herüber. Greg Tambino ließ die junge Frau los.
„Jetzt vermassle uns nicht die Tour!“, zischte er. „Das ist DIE Chance!“
„Uns?“, echote Dolores. „Das wird ja immer interessanter. Wer hängt denn noch mit drin? Entweder du sagst mir alles und zahlst mir einen fairen Anteil, oder du kannst mich mal. Vielleicht sage ich auch Duarte, dass du ein FBI-Informant bist. Oder Gutierrez. Oder beiden. Dann findest du dich irgendwann geteert und gefedert auf einer der Müllhalden von Coney Island wieder!“
„Setz dich!“, verlangte Tambino. Innerlich verfluchte er Dolores dafür, dass sie in einer Position war, ihm den Preis für ihre Leistung diktieren zu können, aber auch wenn er es sich nicht gerne eingestand, er war in ihrer Hand, wenn sie nicht mitspielte, dann würde das FBI Benny Duarte nur mit einer Probepackung Kokain erwischen, wofür er vielleicht ein paar Jahre bekam. Wenn es hoch kam und seinen Anwälten nicht doch irgendein Winkelzug einfiel, durch den sie ihren Mandanten heraushauen konnten.
Aber wenn das FBI ihn mit einer größeren Lieferung erwischte oder zumindest in Zusammenhang bringen konnte, dann wanderte er für viele Jahre nach Riker’s Island.
Und für den großen Plan, den Greg Tambino verfolgte, war es zwingend erforderlich, dass Benny Duarte ausgeschaltet wurde.
Sie setzten sich wieder.
„Dolores, hör mir gut zu: Wir haben vor, Gutierrez aus dem Buena Vista hinauszudrängen und den Laden in eigener Regie zu übernehmen.“
„Wer ist wir? Ah, ich verstehe… Rex Hueldez steckt dahinter! Er hat keine Lust mehr, nur Strohmann zu sein!“
„Rex hat mir eine Beteiligung angeboten, wenn Gutierrez ausgeschaltet ist.“
„Dann solltet ihr ein paar clevere Jungs engagieren, um ihn auszuschalten, als die, die es zuletzt versucht haben!“
„Lass das mal unsere Sorge sein…“
„Ich will einen Anteil am Geschäft!“, sagte sie in einem Tonfall, der sehr bestimmt klang.
„Die anderen werden sich darauf nicht einlassen.“
„Die zwanzigtausend, die du mir angeboten hast plus fünf Prozent vom Umsatz des Buena Vista. Das ist fair.“
„Dolores!“
„Du musst ja auch nicht mit diesem schmierigen Fettwanst ins Bett gehen und dich von ihm grün und blau schlagen lassen! Also was ist? Ich schätze, deine großen Pläne werden sich in Nichts auflösen, wenn du auf meine Hilfe verzichtest – selbst wenn ihr es doch noch schaffen solltet, Gutierrez auszuschalten! Denn dann wird Duarte alles an sich reißen. Für so einen kleinen Dealer wie dich, der auf eigene Rechnung in seinem Revier wildert, wird er wohl wenig Verständnis haben…“
„Okay, ich rede mit Rex Hueldez und…“
Er verstummte.
Dolores fuhr fort: „Na, wer steckt denn noch dahinter? Lass mich raten! Ricky Balbo vielleicht, dieser hirnlose Schneeschnüffler, der einfach nicht einsehen will, dass sich Kokain schlecht mit den Anabolika verträgt, die er für den Aufbau seiner Supermuskeln geschluckt hat?“
„Wir brauchen einen Mann fürs Grobe“, verteidigte sich Greg Tambino.
„Einer, der für euch die Rolle übernimmt, die Ray Azzaro für Gutierrez hatte!“
„Richtig.“
„Warum habt ihr erst Azzaro getötet oder besser töten lassen, anstatt gleich Gutierrez selbst auszuschalten?“
„Ich glaube, unsere Unterhaltung ist beendet. Ich rufe dich an, wenn ich mit den anderen gesprochen habe.“
Sie erhoben sich. Dolores nahm ihre dunkle Brille ab. Deutlich war ein Bluterguss rund um ihr linkes Auge zu sehen. „Benny Duarte ist schnell ärgerlich“, sagte sie. „Und da wird er ziemlich grob. Ich zeige dir das nur, damit du weißt, was ich durchmache…“
„Als wir noch miteinander geschlafen haben, hast du nie so ausgesehen“, stellte Tambino fest.
„Ich weiß.“
„Wir kennen uns eine Ewigkeit, Dolores. Ich hoffe, dass ich mich auf dich verlassen kann. Es hängt sehr viel davon ab!“
„Ja“, flüsterte sie tonlos.
Nicht nur für dich!, setze sie in Gedanken hinzu. Für mich steht ebenfalls viel auf dem Spiel…
Sie atmete tief durch. „Ich fand Ray Azzaro übrigens ganz nett. Ihr hättet ihn nicht umzubringen brauchen…“
„Das haben wir auch nicht.“
„Das sagst du doch nur, um die Sache mit Duartes Deal nicht in Gefahr zu bringen, Greg! Keine Sorge - so gern habe ich ihn dann auch wieder nicht gehabt.“
„Er ist tot und man sollte die Toten in Frieden ruhen lassen.“
„Ganz wie du meinst, Greg.“
15
Der Mann mit der LAKERS-Kappe betrat das Fitness-Studio Extreme Fun in der 42. Straße. Es gab hunderte von Fitnessstudios im Big Apple, aber keines, das eine so große Free-Climbing-Wand hatte wie das Extreme Fun. Für den Mann mit der LAKERS-Mütze Grund genug, hier her zu kommen.
Er ging in die Umkleide, stellte die Sporttasche auf der Bank neben dem Spind ab und zog die Schuhe aus. Schuhgröße 41 - für einen Mann seiner Größe wirkte das eigenartig. Der vordere Teil seiner Socken hing schlaff hinunter. Bis auf einen hatten ihm nach einer Extrem-Bergtour in den Himalaja, bei der seine Gruppe von schlechtem Wetter überrascht worden war, die Zehen amputiert werden müssen. Aber das war es wert gewesen. Einmal das Dach der Welt ersteigen… Das war es doch! Böse Zungen behaupteten zwar, dass dies im Zeitalter des Massentourismus gar keine große Leistung mehr sei, aber für den Mann mit der LAKERS-Mütze änderte das nichts.
Er streifte die Kletterschuhe über und schnürte sie zu.
Zwei Stunden klettern lagen vor ihm.
Er brauchte diesen Ausgleich. Ohne die Dosis Adrenalin, die das Free-Climbing in ihm freisetzte, fehlte ihm einfach etwas. Außerdem blieb er fit dabei.
Er wollte gerade den Spind schließen, da klingelte sein Handy.
Innerlich fluchte er, griff aber schließlich doch in die Taschen seiner Jeans, um das Gerät herauszufingern. Ein Gerät mit Prepaid-Karte, damit nicht die Gefahr bestand, dass man ihn als Inhaber eines regulären Mobilfunkvertrages über sein Gerät oder die Gespräche abhören konnte.
„Was