Das Gewicht von Schnee. Christian Guay-Poliquin

Das Gewicht von Schnee - Christian Guay-Poliquin


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die bringe ich beim nächsten Mal. Im Stall sind nur noch zwölf Kühe. Die anderen haben wir geschlachtet und gegessen, wisst ihr. Das Heu hätte sowieso nicht für die ganze Herde bis zum Frühling gereicht. Seitdem ist das mit der Milch schwieriger, wir geben sie vor allem den Kindern. Aber alle, die deinen Käse probiert haben, waren begeistert. Einige Leute im Dorf würden gerne Tauschhandel mit dir betreiben.

      Matthias hebt den Kopf und sieht Joseph ungläubig an.

      Ja, ganz sicher, sagt Joseph, dein Käse ist wirklich gut, sprich mal mit Jacques. Der wohnt im alten Angel- und Jagdgeschäft. Er ist etwas verschroben, aber er bietet am meisten. Auf jeden Fall machen alle mit ihm Geschäfte.

      Matthias wirft ihm einen nachdenklichen Blick zu und sortiert dann weiter sorgfältig das Fleisch, das Gemüse und die Konserven ein. Währenddessen tritt Joseph an mein Bett.

      Ah, ich sehe, dass du wieder zu Kräften kommst, das freut mich. Unten im Ort will mir keiner glauben, dass du dich so gut machst. Da fällt mir ein, ich habe dir was mitgebracht. Vor kurzem war ich mal wieder in der alten Mine. Nach fast fünfzehn Jahren. Als Jugendliche sind wir oft da reingegangen. Weißt du noch? Ich hatte gehört, ein paar Leute hätten sich dort verkrochen. Aber Fehlanzeige, das war nur ein Gerücht. Was soll man da drin auch machen? Außer heimlich rauchen, Fledermäuse mit Eisenkugeln beschießen und Tiere an die Höhlenwände sprayen? Du erinnerst dich doch, oder?

      Joseph greift in die Innentasche seiner Jacke und gibt mir eine kleine Schatulle.

      Sieh mal, die habe ich in der Mine auf dem Boden gefunden.

      Während ich den Deckel aufklappe, merke ich, dass Matthias uns, während er die restlichen Lebensmittel in die Vorratskammer einräumt, aus den Augenwinkeln beobachtet. In der Schatulle liegen eine Schleuder und mehrere Eisenkugeln. Ich nehme die Schleuder heraus, prüfe die Dehnbarkeit des Gummibands, wiege eine Kugel in der Hand und lege sie in das kleine Lederstück in der Gummibandmitte. Dann ziele ich auf verschiedene Gegenstände im Raum, wage aber nicht zu schießen. Joseph grinst.

      Ich wusste, dass dir das Geschenk gefällt. Früher hatten wir so ähnliche. Beim nächsten Mal können wir ja sehen, wer von uns am besten trifft, aber jetzt muss ich los, wenn ich vor Einbruch der Dunkelheit im Dorf sein will. Ach ja, ich soll euch ausrichten, dass Maria in den nächsten Tagen vorbeikommt.

      Während Joseph seine Winterjacke anzieht und kurz mit Matthias plaudert, drehe und wende ich meine Schleuder in der Hand und denke an meine Onkel tief im Wald, die jetzt nur noch von selbst erlegtem Wild leben.

      Joseph verabschiedet sich und zieht die Tür hinter sich zu. Der Raum wirkt mit einem Mal leer. Auf dem Boden glitzern die feuchten Abdrücke von Josephs Stiefeln wie eine Seenplatte, die man in der Morgendämmerung vom Gipfel eines Bergs erblickt.

      Draußen senkt sich die Dämmerung über den Wald. Wind kommt auf. Er pfeift im Ofenrohr. Dichter Schnee fällt vom Himmel. Die Flocken sind so groß, dass man meinen könnte, jede einzelne bedecke die ganze Landschaft. Matthias entzündet die Öllampe und hält mit glänzenden Augen ein Paket Fleisch in die Höhe, wie eine Trophäe, einen wertvollen Schatz.

      Na, hast du Hunger?

      Einundsiebzig

      Böen rütteln an der Veranda, Wände ächzen, und die Stille bekommt Risse.

      Matthias schläft. Seine Atemzüge vermischen sich mit dem Fauchen der Flammen. Und mit den Windstößen, die unter die Traufe fahren. Ich finde keinen Schlaf. Ich denke an Maria, an die Art, wie sie mit mir spricht und über mein Schweigen lacht, an ihre sanften Hände beim Abtasten meines Beins, an die Erinnerungen, die in mir aufsteigen, wenn ich sie sehe. Ihr letzter Besuch ist schon eine Weile her. Die Zeit heilt alle Wunden, aber viel gewonnen habe ich bisher nicht. Ich liege immer noch hier, sehe die Tage vorbeiziehen und hoffe, dass meine Beine mich irgendwann wieder tragen werden. Bis dahin pflegt und ernährt mich Matthias. Ich weiß, dass er keine Wahl hat. Jeder von uns ist der Gefangene des anderen.

      Zwischen den Windstößen höre ich ein Geräusch. Es scheint von drüben zu kommen. Ein kleines Tier, das an den Wänden entlanghuscht und Zugang zur Vorratskammer sucht. Eine Maus, ein Hermelin oder Eichhörnchen. Oder etwas Größeres, ich weiß es nicht.

      Ich stütze mich auf die Ellenbogen und schaue mich um, aber es ist stockdunkel. Ich kann nicht einmal Matthias auf dem Sofa erkennen. Mitten in der Nacht sind nur noch die roten Nasenlöcher des Ofens zu sehen.

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