Blindenführhund Tessy - Mein Leben auf der Gerstlfarm. Rosmarie Gerstl

Blindenführhund Tessy - Mein Leben auf der Gerstlfarm - Rosmarie Gerstl


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       Rosmarie Gerstl

       Blindenführhund Tessy - Mein Leben auf der Gerstlfarm

      © 2020 Rosmarie Gerstl

      Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN
Paperback:978-3-347-11047-2
e-Book:978-3-347-11049-6

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

       Blindenführhund Tessy – mein Leben auf der Gerstlfarm

       Einleitung

      Für alle, die mich noch nicht kennen, möchte ich mich kurz vorstellen. Mein Name ist Tessy und ich bin eine zweijährige, wunderschöne blonde Labradordame. Schon als putziger Welpe wurde ich für die Aufgabe als Blindenführhund ausgewählt. Mein erstes Lebensjahr verbrachte ich in einer Patenfamilie, anschließend lernte mir mein Ausbilder Paul mit viel Liebe und Geduld, wie das geht, einen blinden Menschen sicher auf all seinen Wegen zu führen. Ja, da hab ich schon ganz schön viel gelernt. Nach unserer gemeinsamen Einschulung und Gespannprüfung, bin ich nun ganz offiziell der Blindenführhund von Rosi. Wen das genauer interessiert, wie ich so ein richtiger Blindenführhund wurde und was ich als Welpe für Blödsinn getrieben habe, kann ja mein erstes Büchlein „Tessy – mein Weg zum Blindenführhund“ lesen. Aber vielleicht habt ihr das ja bereits getan und ihr seid einfach nur neugierig, was ich auf der großen weiten Welt als Begleiterin meines blinden Frauchens alles erleben darf. Rosi ist 36 Jahre und erblindete vor 13 Jahren (1990) an einer diabetischen Retinopathie. Das ist eine Folge der Zuckerkrankheit. Sie muss mehrmals täglich Insulin spritzen und ihren Blutzucker testen.

      Wenn ich schon beim Vorstellen bin, mach ich doch gleich weiter bei meinem Labradorfreund und Schulkollegen, dem Timba. Er ist ein ebenfalls wunderschöner 1 1/2-jähriger schwarzer Labradorrüde. Er durchlief die gleiche Laufbahn wie ich, also Patenfamilie und Ausbildung zum Blindenführhund usw. Das kennt ihr ja jetzt schon, nur ist er der Blindenführhund von Joe. Joe ist Rosis Mann. Er erblindete vor 9 Jahren infolge eines Unfalles mit ungelöschtem Kalk. Beide haben also lange Jahre gesehen und nun meistern sie gemeinsam ihr Leben in der Dunkelheit.

      Rosi hatte vor mir schon zwei Blindenführhunde. Ihr erster vierbeiniger Freund und Helfer auf vier Pfoten war Bero, ein schwarzer Labrador. Er führte Rosi bis zu seinem zehnten Lebensjahr. Danach folgte Boris, ein Deutscher Schäferhund. Boris entwickelte aber mit der Zeit einen großen Schutztrieb, so dass sich Rosi dazu entschied, ihn frühzeitig aus dem Dienst zu nehmen. Er ist jetzt sechs Jahre und lebt bei einem sehr netten älteren Ehepaar in Freiburg und darf einfach nur Hund sein. Auch Joe hatte bereits einen Blindenführhund. Kai ein Deutscher Schäferhund ist leider krank, er hat einen Tumor an der Wirbelsäule, der sich nicht operieren lässt. Kai hat es nicht verkraftet, dass sein Herrchen mit einem anderen Hund außer Haus geht. Er darf seinen Ruhestand nun bei einem Freund von Joe auf einem Bauernhof im Schwarzwald verbringen.

      Bildbeschreibung: Rosi mit Tessy im Führgeschirr

      Bildbeschreibung: Joe mit Timba im Führgeschirr

       Unser neues Zuhause die Gerstlfarm in Wyhl am Kaiserstuhl

      Es ist jetzt Anfang Mai 2003 und wir zwei Schlappohren haben uns schon ganz gut eingewöhnt hier auf der Gerstlfarm. Heute Morgen war ich mit Rosi und ihren Hundefreundinnen schon auf dem Feld, wie man hier am Kaiserstuhl so schön sagt. In dieser Gegend wird vor allem Obst und Gemüse angebaut und es gibt unendliche Wiesen und Felder, auf denen ich mit meinen Freunden so richtig herrlich toben kann. Vor allem mit Sanjo, einem Golden Retrievermix verstehe ich mich supergut. Er ist ganz auf meiner Wellenlänge, aber auch die anderen sind ganz okay.

      Timba ist mit Joe gegen Mittag zum Falkensteiner gelaufen. Dort hat Joe ein großes Gartengrundstück. Es ist riesengroß mit vielen Bäumen und Sträuchern und einer geräumigen Hütte. Dort bleiben die beiden auch manchmal über Nacht.

      Ich bin mit Rosi eher Zuhause und wir beide erledigen den Haushalt und das Organisatorische. Gestern beispielsweise führte ich mein Frauchen zur Bank und danach zum Edeka. Dort gehe ich am liebsten hin. Erst kaufen wir vorne gleich beim Bäcker frisches Gebäck, aber dann spurte ich ganz schnell, gerade so, dass Frauchen noch mitkommt, ganz nach hinten zur Fleischtheke. Dort riecht es unverschämt gut für meine Labbinase. Mann oh Mann, das ist ja kaum zu ertragen, was da für gute Sachen hinter der Glasscheibe liegen, aber ich muss „Platz“ machen, weil Frauchen das so will. Sehen kann ich das gute Zeug von da unten zwar nicht mehr so gut, aber riechen. Ja und zu guter Letzt bekomme ich dann doch noch eine Wurst geschenkt von der netten Verkäuferin. Sie begleitet uns dann noch durch das Geschäft, bedient Rosi beim Gemüse und holt uns noch einige Sachen, was wir so brauchen aus den Regalen. Rosi bedankt sich für die Hilfe und auf das Hörzeichen „Tessy zum Schalter“ gehen wir beiden zügig zur Kasse. Rosi bezahlt, packt ihren Einkauf in den Rucksack und wir gehen zurück nach Hause.

      Manch einer von euch hat sich nun sicherlich gefragt, wie bezahlt denn ein Blinder an der Kasse, wie kann man denn ohne zu sehen das Geld erkennen? Ich werde es Euch erklären:

      Also bei den Euromünzen ist das ganz einfach. Die haben unterschiedliche Riffelungen am Rand. Rosi fährt mit dem Fingernagel am Rand der Münze entlang und weiß sofort, welche es ist. Außerdem haben die ja auch unterschiedliche Größen. Bei den Scheinen ist das schon etwas schwieriger. Die haben zwar auch unterschiedliche Größen, aber der Unterschied ist minimal. Rosi sortiert mit Hilfe einer Schablone zu Hause ihre Scheine und faltet diese dann unterschiedlich. So kann sie dann an der Kasse sofort erkennen, welchen Schein sie in der Hand hat. Tja und beim Wechselgeld, da muss Frauchen dann einfach Vertrauen haben in ihre Mitmenschen, dass das stimmt. Aber bis jetzt ist sie noch nie betrogen worden, sie hat es jedenfalls noch nie bemerkt. Das wäre ja auch allerhand, wenn jemand solch eine Situation ausnützt.

      So, nun aber zurück zur Gerstlfarm. Hier ist es ja so interessant. Ich muss euch unbedingt erzählen, was es hier noch alles gibt. Zuerst werden wir von Max dem großen Ziegenbock begrüßt. Er läuft hier frei auf dem Hof herum. Wenn ein Fremder beim Hoftor reinkommt, bleibt Max erst mal stehen, begutachtet den Besucher und stampft mit seinen Hufen. Er wirkt schon beeindruckend mit seinen großen Hörnern. Max ist Timbas bester Freund. Die beiden können stundenlang im Hof fangen spielen. Das macht einen Riesenspaß zuzusehen, aber mitmachen tu ich da nicht. Das ist mir dann doch zu wild. Nicht dass ich da unter die Räder, bzw. unter die Hörner komme.

      Dann sind da noch die drei Katzen Murli, Minki und Miezi und im Esszimmer unser Lisele, ein Graupapagei. Wer jetzt denkt ich bin schon fertig, der hat sich getäuscht. Im Stall hat Joe noch zwei Schweine, Stallhasen und draußen in einem großen Gehege sind die vier Zwergziegen. Im Gehege beim Pfirsichbaum wohnen dann noch die Eierlieferanten der Gerstls, die 10 Hühner und ein stolzer Hahn.

      Bildbeschreibung: Joe mit Zwergziege Nanni

      Bildbeschreibung: Ziegenbock Max und Labrador Timba

      Normalerweise ist das Zusammenleben der einzelnen Tiere untereinander recht harmonisch. Doch erst letzte Woche gab es einen kleinen Zwischenfall mit mir und der kleinen schwarzen Miezi. Wir kamen, gerade vom Einkaufen. Rosi lobte mich an der Eingangstür für meine gute Arbeit und zog mir das Führgeschirr aus. Das heißt also: ich habe jetzt Freizeit!


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