Mein Amerika. Jürgen Wiener

Mein Amerika - Jürgen Wiener


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war auch zugleich das erste Mal in meinem Leben, dass ich schwarzen Menschen begegnete, die uns am Anfang Angst einflößten, aber uns durch ihre Freundlichkeit und ihre kleinen Geschenke immer vertrauter wurden, sodass wir die Angst irgendwann ganz ablegten.

      Das ging damals so weit, dass viele Mütter ihre kleinen Mädchen bei allen möglichen Gelegenheiten begleiteten, um ihre Kinder vor Entführung und möglichen anderen Tätlichkeiten der

      Besatzer, insbesondere der schwarzen Besatzer, zu schützen. Wie wir heute wissen, eine völlig absurde Annahme, aber die Zeiten waren damals so.

      Irgendwann waren die Amerikaner nicht mehr präsent in unserem Viertel und dieser Teil meiner Kindheit wurde ungewollt in der hinteren Schublade meines Gehirns abgelegt. Damals habe ich natürlich noch nicht geahnt, dass dieses Land und seine Bewohner mein späteres Leben doch so stark prägen sollten.

      Die Verhältnisse, aus denen ich stamme, sind als einfach bürgerlich zu bezeichnen. Mein Vater war Elektriker und meine Mutter Verkäuferin.

      Meine Familie – das waren meine Eltern und meine beiden älteren Brüder – wohnten in der Bremer Neustadt ab 1946 in einer kleinen Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung, ohne Bad und mit der Toilette auf dem offenen, im Winter eiskalten Balkon. Mein Vater hatte diese Wohnung, die durch eine durchgeschlagene, nicht aktivierte Brandbombe eine direkte Sichtverbindung zum Himmel hatte, abgedichtet und für uns hergerichtet und sie sollte mein Domizil bleiben, bis ich mein Elternhaus verließ.

      Meine Kindheit und die meiner damaligen Freunde spielte sich zu einem erheblichen Teil auf der Straße ab, und zwar aus sehr pragmatischen Gründen, denn wir hatten weder Spielzeug noch Räume zum Spielen, so dass es keine Alternative zur Straße gab. Es blieb einem also nichts anderes übrig, als nach gemachten Hausaufgaben auf die Straße zu gehen, wo man seine Freunde traf, die aus den gleichen Gründen dort zu finden waren.

      Ich erwähne dies in meinem Buch nicht, um Mitleid zu erwecken, sondern deswegen, um den Unterschied zwischen dem damaligen am Boden liegenden Deutschland und dem uns nur aus Wochenschauen, ersten Magazinen und Zeitungsmitteilungen bekannten Amerika den jüngeren Lesern vor Augen zu führen.

      Das Land Amerika blieb mir aber auch aus einem anderen Grund im Unterbewusstsein und zwar deshalb, weil meine regelmäßige Lektüre Wildwestromane waren. Ich erinnere mich noch an die Westernhelden Tom Prox, Doc Holliday und andere Größen und die lebten nun mal im „Wilden Westen“ und somit in Amerika.

      Es war damals so, vielleicht ab meinem 10. Lebensjahr, dass wir sonntags am frühen Nachmittag ins Kino gingen und uns Wildwest- und Seeräuberfilme anschauten. Dafür gab es von Mutter am Sonntag immer Taschengeld und das wurde eben auf diese Art verkonsumiert.

      Damals gab es immer vor dem Hauptfilm die Fox Tönende Wochenschau und die berichtete über aktuelle Dinge unseres Landes und der Welt. Die Wochenschau begann immer mit einer unverkennbaren Melodie und einer Luftaufnahme, die New York aus einem überfliegenden Flugzeug zeigte, insbesondere das Empire State Building und auch die damalige Queen der Meere der United States beim Einlaufen in den Hafen von New York.

      Das war der Moment, in dem meine Neugier auf dieses Land geweckt wurde, das so unendlich weit entfernt war, das bei uns völlig unbekannte Wolkenkratzer hatte, riesige vollautomatische Autoproduktionsstraßen, die Massen von PKW produzierten, während bei uns die ersten Autos überwiegend noch in manueller Bandfertigung gebaut wurden und als Unikate durch die noch verwaisten holprigen Pferdestraßen fuhren. Der Ausdruck Pferdestraße war damals noch sehr wörtlich zu verstehen, da mit Pferd und Wagen sehr viele Güter zu den

      Kaufmannsläden, Kneipen, Baustoffhändlern und Schrotthändlern transportiert wurden.

      Man muss sich heute auch vor Augen führen, dass damals noch kein normaler Bürger in die USA reiste.

      Dies war in Ausnahmefällen einigen Politikern, Wirtschaftsbossen und Millionären vorbehalten und man fuhr per Schiff, da die ersten Linienflüge erst in den Fünfzigerjahren mit Propellermaschinen durchgeführt wurden.

      Für mich war klar, dass ich eines Tages auch mal nach Amerika reisen würde. Natürlich war dies damals nicht mehr als ein Traum, dessen Erfüllung noch in weiter Ferne stand.

      Kapitel 4. Ein steiniger Weg bis zur ersten Amerika-Reise

      Nach Beendigung der Volksschule fing ich eine Lehre als Maschinenbauer an. Da mein Vater Handwerker war und ich gegenüber technischen Dingen auch recht aufgeschlossen war, gab es für mich eigentlich keine Alternative zu einem handwerklichen Beruf.

      Ich begann also planmäßig, dem Wunsch meines Vaters folgend, eine Lehre in einem relativ kleinen Betrieb, der aber einen sehr guten Ruf bezüglich seiner Lehrlingsausbildung hatte. Ich war mit meiner Volksschulausbildung nur über den Freund meines Vaters an diese Lehrstelle gekommen, da sonst nur Lehrlinge mit mittlerer Reife oder Abitur eingestellt wurden, also gab es damals auch schon Vitamin B. Das waren die Kandidaten, die fast alle nach der Lehre ein Ingenieurstudium absolvierten.

      Mit fortschreitender Lehrzeit und dem Umgang mit diesem erlauchten Kreis begann bei mir die Vorstellung zu reifen, dass ich eigentlich den Rest meines Lebens nicht im Blaumann verbringen wollte, sondern es entstand der Wunsch, auch Ingenieur werden zu wollen. Die Frage war nur, wie ich das anstellen sollte, denn mit meinem Volksschulabschluss konnte ich die Ingenieurschule nicht besuchen.

      Ich hatte davon gehört, dass man auf dem zweiten Bildungsweg zur Ingenieurschulreife kommen konnte.

      Dies bedeutete damals 6 Semester lang, also 3 Jahre neben der eigentlichen Lehre mit wöchentlicher Berufsschulzeit, dreimal in der Woche abends und zusätzlich am Samstag zum Bremer Berufsbildungszentrum zu fahren, um dort stramm zu pauken und auch noch Hausaufgaben zu machen und natürlich zusätzlich noch für Klausuren zu pauken. Nicht genug der Strapazen kostete das Ganze auch noch Gebühren, die ich von meinem geringen Geld, das ich während der Lehre zur Verfügung hatte, bezahlen musste und da Straßenbahnfahren Geld kostete und zeitaufwendig war, wurde der komplette Einsatz mit dem Fahrrad durchgeführt.

      Natürlich spielte ich damals wie die meisten meiner Freunde Fußball im Verein. Um spielen zu können, war regelmäßiges Training angesagt und das kollidierte zwangsläufig mit der Abendfachschule.

      Ich lernte damals dann auch noch ein Mädchen kennen (meine heutige Frau) und damit war das Maß an Durchhaltevermögen überschritten. Das Ende vom Lied war, dass ich meine Abendfachschule schmiss, was bei meinem Vater die aufbauende Bemerkung erzeugte: „Ich habe ja schon immer gewusst, dass du nicht genug Mumm hast, so etwas durchzustehen.“ Er lehnte eine finanzielle Unterstützung jeglicher Art für zukünftige Flausen klar ab.

      Da stand ich nun mit meinen knapp 18 Jahren, kurz vor Abschluss meiner 3,5 Jahre währenden Lehre, und musste feststellen, dass es bis zum Ingenieur noch viele, durchaus menschliche, Hindernisse, zu überwinden galt.

      Mein damaliger und auch heute noch bester Freund Manfred hatte während unserer Lehrzeit ganz ähnliche Gedanken gehabt wie ich, mit dem einzigen Unterschied, dass er erst gar nicht die Strapazen der Abendfachschule auf sich genommen hatte, keinen Fußball spielte und auch keine Freundin hatte. Er war also in einer unvergleichbar besseren Position damals.

      Mein Freund Manfred hatte einige interessante Neuigkeiten zu berichten, die bei mir auf offene Ohren stießen. Er erzählte mir, dass man die Ausbildung zum Schiffsingenieur machen konnte, indem man einige Jahre als Ingenieurassistent zur See fuhr, dann ein Vorsemester absolvierte und bei erfolgreicher Abschlussprüfung gleichzeitig die Aufnahmeberechtigung für die Ingenieurschule erhielt.

      Da Personal bei der wachsenden Deutschen Handelsmarine knapp war, wurde einem auch noch die Bundeswehr erspart, was ein zusätzlicher Bonus war.

      Er erzählte mir, dass man als Ingenieurassistent schon ganz gut bezahlt wurde und da an Bord eines Schiffes sämtliche Verpflegung kostenlos war, man gut das nötige Geld für das Studium zusammensparen konnte.

      Da ich ohnehin jegliche finanzielle Unterstützung von zu Hause ausschließen konnte, schien mir dies der einzig gangbare Weg zu sein, im Leben voranzukommen, ohne völlig abstinent zu leben.

      Das


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