Siebenkampf. Mathias J. Kürschner

Siebenkampf - Mathias J. Kürschner


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unter die trägen Schafe Israels gemischt hatte. Ein „Schaf im Hundepelz“ sozusagen. Der Glaube hat wirkliche Beißerqualitäten. Das ist nichts für Weicheier. Was für eine Vitalität darinnen steckt! Die Frau traut gegen alle Widerstände auf Jesus. Sie weiß irgendwie: Der kann mir helfen. Da ist das Leben, was dem ganzen Leiden um meine Situation ein Ende machen kann. Da ist der, der die Macht hat, die Geisterstunde zu beenden und das Licht in meinem Leben anzuknipsen, weil ER das Licht ist. Alle Vorurteile und Privilegien lässt sie gelten, alle Demütigungen über sich ergehen. Ist alles egal, wenn sie nur für ihre Tochter ein winziges Bröckchen von der Fülle des Heils abbekommt. Was für ein Glaube und was für eine Liebe!

      Es ist für mich eine der wundersamsten Erscheinungen, dass Menschen sich von all dem selbstgefälligen Gewäsch, das in Kirchen und Gemeinden verlautbart wird, das sie sich von ignoranten Christen, von total abturnend ge-stalteten Veranstaltungen einfach nicht abschrecken lassen. Sondern dass sie tatsächlich noch kommen und wie die Trüffelschweine nach dem Körnchen wühlen, das darin verborgen liegt. Der Glaube ist ein Phänomen! Er überwindet Grenzen, gerade dort, wo man auf den Hund gekommen ist. Das Wort Jesu ist meine Hoffnung trotz der erbarmungswürdigen Figur, die unsere Gemeinden leider, leider immer wieder abgeben: Dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst!

       7. Glaube lebt aus einer antizipatorischen Kraft (Hebr 11,1f.;12,1f.)

      Mit fortschreitendem Alter kommt man irgendwann an den Punkt, dass man die tragenden Überzeugungen und bedeutungsschweren Geschichten des bisherigen Lebens neu auf den Prüfstand stellt und sich fragt: Stimmt die Richtung noch? Gibt es überhaupt eine Richtung? Kann ich Aspekte meiner ursprünglichen Lebensvision in meinem Alltag wiederfinden?

      Solche Fragen stellen sich insbesondere dann, wenn es große Abbrüche in der eigenen Biografie gegeben hat. Wenn das Leben ganz anders verlaufen ist, als man es früher einmal antizipiert hat. Was früher einmal als verheißungsvoller Strang erschien, endet nun scheinbar im Nichts, im Nebel oder vor der Wand harter Tatsachen.

      So ging es auch den Hörern dieses Textes. Man war groß geworden mit einer bergenden Geschichte voller Heil. Das eigene Leben war eingefriedet in die Schöpfungsgeschichte und die Arche Noah. Männer des Glaubens zogen los und machten Geschichte. Aber man selbst fühlt in sich selbst die Stoßkraft dieser Geschichten abnehmen. Die Verheißungen der Vergangenheit ragen wie eine Bauruine in die Landschaft, die unbarmherzig ihre Unfertigkeit anzeigt. Die Sprache der Tatsachen predigt so viel lauter als die Träume der Jugend.

      Der Hebräerbrief sagt nun: Das ging den Alten nicht anders als uns. Die haben auch manche Hoffnung im Wüstensand versickern sehen. Da blieb manches offen. Längst nicht jede Hoffnung hat sich erfüllt. Manche Verheißung wurde allenfalls von ferne in Augenschein genommen. Aber so ist das mit dem Glauben. Es ist nicht so wie mit den Dingen unserer vorfindlichen Wirklichkeit, die man in Besitz nimmt, ergreift, benutzt - allerdings auch verbraucht. Der Glaube richtet sich auf Verheißungen einer Wirklichkeit, die noch im Werden ist, und die manchmal so merkwürdig blass wirkt hinter den vermeintlich so handfesten Zielen diesseitiger Pragmatik. - Was wird sich ein Noah für Gedanken gemacht haben, als die Nachbarn Witze über seine Wüstenwerft gerissen haben? Und selbst nach erfolgreicher Fahrt wird der Gute doch irgendwann Zweifel bekommen haben, nachdem bei Gottes Radikalkur zwar die Welt versank, aber das Böse wie die Laus im Pelz den ersoffenen Hund überlebt hat. - Da blieb doch manches offen…!

      Die Evidenz des Glaubens hatte sich auch bei diesen Glaubensvätern nicht in einer Gesamtbiographie abgebildet, die wie aus dem Ei gepellt daherkam. Stattdessen scheint ihnen durch die Verheißung eine Kraft zugewachsen zu sein, die sie über die vorfindliche Situation (und deren Enttäuschungen!) hinwegzusehen lehrte, um in dem Geschehen eine ganz neue Wirklichkeit angelegt zu finden. Sie sahen darin nämlich Gott am Werk und fühlten sich plötzlich gestärkt. Ihnen wuchs dadurch fast unerklärlich neue Kraft, Beharrungsvermögen, Standhaftigkeit zu.

      Diese Kraft hat einen Namen: Hoffnung. Hoffnung, dass es einen Weg gibt, wo ich keinen sehe. Ein Weitermachen in dem Bauchgefühl „hier geschieht noch was… “ An diese Lebensregung in uns docken die Verheißungen der Vätergeschichten an, um den Weg zur Erfüllung in der Geschichte auch unserer Biografien zu nehmen. Gott setzt sich durch. Die Geschichte dieser Erde - und auch meine persönliche wird eine Geschichte des Heils werden.

      Das Leben ist dabei kein Kurzsprint, sondern ein Marathon. Und spätestens bei Kilometer 30 wartet naturgemäß der „Mann mit dem Hammer“ und die eigenen Beine scheinen zu diesem Zeitpunkt aus reinem Beton. Aber die Kraft der Hoffnung auf das Ziel lässt geduldig weiterlaufen. Denn man erkennt im Glauben die Stränge der Verheißungen auf einen Fluchtpunkt zulaufen. Alle Verheißungen von Gottes Plan mit dem Menschen laufen zusammen am Kreuz. Hier ist alles Unfertige, Fragmentarische, Tragische - alles ungelebte Leben mit dem Gott-Menschen Jesus gekreuzigt. Zu ihm schaut der Glaube auf und hört das „Es ist vollbracht“. Dann wird gewiss, dass Gottes Verheißung sich nicht nur dort erfüllen, wo uns etwas gelingt, sondern in besonderer Weise auf Golgatha, wo Gott den Menschen annimmt, und dabei seine Heilsgeschichte und die kurvenreiche des Menschen zusammenführt.

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