Viren schreiben Geschichte. Ulrich Kübler

Viren schreiben Geschichte - Ulrich Kübler


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und tumorinfiltrierender NK-Zellen.

       Zur Geschichte

      Bereits Sauerbruch ließ eine mögliche virale Genese von Tumor-Erkrankungen durch seinen Assistenten Prof. Grassi, späterer Forscher der Humboldt-Universität in Berlin-Buch untersuchen. Sodann hat sich der spätere Nobelpreisträger, Prof. Harald zur Hausen, als Chef des DKFZ um virologische Grundlagenforschung in der Onkologie verdient gemacht und dafür auch den Nobelpreis erhalten.

      Unser Beitrag war die Erstisolierung von zirkulierenden Tumorzellen in der Blutbahn 1992/93/94 unter Hinterlegung dieser Zellen in der Deutschen Sammlung für Zellkulturen. Ein Sonderfall sind onkolytische Viren, die Krebs nicht auslösen, sondern Tumorzellen auflösen können.

      Es bleibt also dabei: Krebs ist ein molekularer Unfall, den man rechtzeitig erkennen und auf molekularer und immunologischer Basis bekämpfen sollte.

       Was ist aber die wahre Natur der Tumorviren?

       a) Hypothese der exogenen Natur

      Handelt es sich bei den onkogenen Agentien um echte Viren im Sinne eines infektiösen Erregers wie z. B. Influenza, Polio, Hepatitis oder Epstein-Barr-Virus?

      Gegen die Anschauung, dass für alle Tumore onkogene Viren die eigentliche kausale Ursache bilden, spricht die Tatsache, dass dieser Virusnachweis bisher biologisch und elektronisch bei den meisten Tumoren nicht gelungen ist.

       b) Hypothese der endogenen Natur der Tumorviren

      Möglicherweise kommt es durch eine Denaturierung im Bereich bestimmter Zellorganellen wie der Mitochondrien und des Golgi-Apparates zur Freisetzung von Nukleoproteinen. Ein onkogenes Virus wäre demnach nichts anderes, als ein durch Einwirkung eines Karzinogens verändertes Cytoplasma, also die Veränderung eines zellulären Erbelementes und gleichzeitig einer gleichzeitig wichtigen Stoffwechselstruktur.11

      Die Beziehung eines derartigen endogenen Virus zu den kanzerogenen Noxen würde eine völlig andere sein, als wenn man ein exogenes Virus annehmen würde. Es bestünde zwischen beiden insofern ein kausaler Zusammenhang, da das Virus durch das Karzinogen direkt hervorgerufen würde. Durch diese Ansichten entfallen eine Reihe derjenigen Deutungsschwierigkeiten, die bei der Annahme eines exogenen Virus vorhanden sind, so z. B. die Vorstellung von einem gleichsam ubiquitären Vorkommen latenter onkogener Viren in den verschiedensten Organen und Gewebsarten mit den für diese Zellarten ausgestatteten Wirkungsspezifitäten, da ja das Virus direkt aus normalen Zellkonstituenten der betreffenden Zellart hervorgehen würde.

      Es ist durchaus einleuchtend, dass durch eine mutative Veränderung zelleigener Erbkonstituenten, die Viruscharakter annehmen, auch die korrelative Regenerationsfähigkeit der betreffenden Zelle auf genetischer Ebene vermindert wird.

      Auch die Warburg’sche Gärungstheorie würde bei der Annahme eines endogenen onkogenen Virus, welches die mitochondriale Atmungskette zu schädigen vermag und die Energiegewinnung durch oxidative Phophorylierung in die anaerobe Glykolyse regredieren lässt, besser verständlich sein.

      Ich zitiere noch einmal Prof. Grassi: Diese Vorstellung der endogenen Entstehung der onkogenen Viren aus kleinsten Cytoplasma-Organellen oder deren Untereinheiten, wobei diesen Elementen die Bedeutung genetischer Strukturen mit Matritzenfunktionen und autokatalytischer Replikationsfähigkeit zuerkannt werden muss, schafft zwangsläufig eine enge Beziehung zur Mutationstheorie, und zwar zur plasmatischen Mutationstheorie der Kanzerogenese sowie auch zur Warburg’schen Stoffwechseltheorie.

      Das onkogene Virus wäre demnach ein durch Einwirkung eines Kanzerogens mutativ verändertes Cytoplasmaorganell, also die Veränderung eines zellulären Erbelementes und einer gleichzeitig wichtigen Stoffwechselstruktur.

      Wir möchten noch Folgendes zu bedenken geben: Diese endogene Entstehung onkogener Viren könnte neben menschlichen Zellen auch in Tieren, beispielsweise bei Schweinen, Rindern und in Geflügel auftreten. Die dabei entstehenden endogenen Viren könnten dann über die Nahrungskette menschliche Zellen transfizieren. Dies würde die stärkere Verbreitung von Krebs in fleischverzehrenden Populationen erklären. Dies wirft die Frage nach unserem Umgang mit der Welt der Tiere und der Integrität der tierischen Zellen auf, auch die Frage nach der Bedeutung der Beeinflussung des epigenomischen Profils der Zelle durch Insektizide und Pestizide in Zeiten des weltweiten Einsatzes von Glyphosat und ähnlichen Verbindungen.

       Das Virus der ansteckenden Blutarmut der Pferde – eine alte Biowaffe?

      Der französische Tierarzt Lignee beschrieb 1843 (!) erstmals ein anämisches Krankheitsbild der Pferde. 1904 stellte die französischen Mediziner Carre und Valle fest, dass diese Erkrankung ansteckend und nicht heilbar sei und über Blut oder Urin im Futter übertragen werden konnte.

      1905 begannen deutsche Tierärzte auf Weisung der preußischen Regierung mit der Erforschung dieser Erkrankung. Als Ursache der Erkrankung wurde ein hitzeempfindliches Virus festgestellt und zum Schutz gegen die Ansteckung halbstündiges Erhitzen der zu desinfizierenden Gegenstände auf 56°Grad empfohlen.

      Unter experimentellen Bedingungen wurde nachgewiesen, dass Insekten die Viren übertragen, die dann in infizierten Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin, Samen oder Milch enthalten sind. Überträger können sein: Pferdebremsen, Wadenstecher, Kriebelmücken und Moskitos.

      Wie wir heute wissen, handelt es sich bei dem Virus, das die für Pferde meist tödlich verlaufende Anämie auslöst, um ein Retro-Virus. Das HIV-Virus könnte mit ihm verwandt sein.7,8

      Dieses Virus der Pferdeanämie wurde während des 1. Weltkrieges als Biowaffe eingesetzt. Pferdebestände des Gegners, die ein wichtiges Transport- und Angriffsmittel waren, zu infizieren, war für Militärs eine große Verlockung. Berichte über diese Erkrankung fallen deshalb widersprüchlich aus, weil die meisten Autoren Tiermediziner im Dienste der Regierung oder des Militärs waren. Ihnen war es in erster Linie daran gelegen, den Verdacht, die Krankheit sei vorsätzlich ausgelöst worden, von ihrem jeweiligen Auftraggeber abzulenken.

      Auf deutscher Seite erkrankten gegen Ende des 1. Weltkrieges in Pferdelazaretten Militärpferde und deren Pfleger an diesem Virus. Die sprunghafte Ausbreitung ließ auf vorsätzliche Verbreitung schließen.

      Anfang 1917 trafen einige der kranken Pferde im Pferdelazarett Tilsit ein, damals Ostpreußen, wo sie jedoch nach kurzer Zeit wegen Hinfälligkeit und intermittierenden Fiebers geschlachtet werden mussten. Einige Wochen später erkrankten 143 Pferde im Pferdelazarett Buk in der Nähe von Posen, damals Preußen, an der ansteckenden Blutarmut der Pferde. Das Berliner Reichswehrministerium bedauert in einem Merkblatt, dass noch nicht feststehe, auf welche Weise die natürliche Ansteckung zustande gekommen sei.

      Mitten in Friedenszeiten, im Februar 1925, entstand dann im Reichswehrministerium in Berlin eine Denkschrift über die Verwendung von Krankheitskeimen als Kampfmittel im Krieg. Dieser militärpolitische Vorstoß gibt Aufschluss darüber, was am Ende des Krieges bereits praktiziert und später im geheimen weiterbetrieben wurde: Die Erkrankung von Pferden, die in Wirklichkeit als Virusproduzenten gehalten wurden, um dann geschlachtet zu werden, wurde meist als Folge von Infektionen durch ungereinigte Impfnadeln bezeichnet.

      Es kam zu einer Virusproduktion für den nächsten Krieg: Größter und wichtigster Produzent des Virus der tödlich verlaufenden Pferdeanämie im Deutschen Reich waren die Behringwerke in Marburg. Je näher der 2. Weltkrieg heranrückte, desto größer erschien der Bedarf an EIAV-haltigem Serum und desto mehr Pferde wurden in den Pferdeanstalten geschlachtet. Das Serum war nicht etwa ein Immunisierungsmittel, sondern ein Kampfmittel, mit dem man gegnerische Pferde zu infizieren gedachte.

      Die Forschung des deutschen Militärs über die ansteckende Blutarmut der Pferde zielte auch schon frühzeitig auf die Übertragung des Virus auf Menschen. Bereits gegen Ende des 1. Weltkrieges war ein erster Versuch in diese Richtung offenbar gelungen, denn es gab Warnungen vor dem Verzehr ungekochten Pferdefleisches. Der Veterinärmediziner der militärischen Veterinärakademie in Berlin äußerte sich kryptisch. Er gab an, er selbst sei mit dem Erreger der ansteckenden


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