Seawalkers (3). Wilde Wellen. Katja Brandis
geblieben und versuchte, sich mit Hilfe, holt mich hier raus!-Rufen zu befreien und gleichzeitig davon abzubeißen. Was dazu führte, dass die anderen Donuts in alle Richtungen davonkullerten.
Ein rundliches braungraues Reptil stützte sich mit den Vorderpranken auf das Buffet und schnappte nach den vorbeirollenden Donuts. Danke, Tino – ach, es ist so cool hier, schwärmte das Alligatormädchen Polly, während das Buffet unter ihrem Gewicht wankte.
Unser Koch Joshua hatte sich teilverwandelt und kämpfte mit mehreren Armen heldenhaft darum, wenigstens ein paar der Brötchen und Aufschnittplatten zu retten. Außerdem hielt er das Glas mit dem Schokoaufstrich außer Reichweite, obwohl sich einer der Neuen in Menschengestalt – ein sportlich aussehender Junge mit dunkler Haarmähne, er hieß Kegor – danach streckte und versuchte, sein ganzes Brötchen hineinzutauchen. Joshua warf mir einen verzweifelten Blick zu. Ganz klar, wir mussten ihm schnellstens helfen.
»He du, bei den Menschen macht man das anders«, sagte ich zu Kegor und zog ihn weg, während Jasper gleichzeitig versuchte, die im Donut gefangene Jungpython Tino zu befreien.
»Wir sind keine Menschen, sondern Seawalker!« Der Junge funkelte mich an und versuchte, mir seinen Arm wegzureißen. Bevor ich richtig kapiert hatte, was los war, rangen wir miteinander. Leider war der andere verdammt stark, man merkte ihm an, dass er vor Kurzem noch als wildes Großraubtier in den Sümpfen gelebt hatte. Wir verloren das Gleichgewicht, landeten mit einem lauten »Platsch!« im Wasser, in dem Frühstücksflocken, Käsefetzen und Melonenscheiben schwammen, und kämpften dort weiter. Eine Kanne Orangensaft landete neben uns und breitete sich in einer großen gelben Wolke um uns herum aus. Oh lecker.
Noch während wir miteinander kämpften, verwandelte sich Kegor in einen Alligator, der sich mit aller Kraft wand, während ich versuchte, ihn festzuhalten. Dabei prallte mein Kopf gegen eins der Boote, in die man sich zum Essen setzen konnte. Vor Schreck schluckte ich Wasser und merkte, wie mir die Luft knapp wurde. Ich musste atmen, und zwar unter der Oberfläche! Zum Glück hatten wir inzwischen auch die Teilverwandlung geübt, aber nur zweimal, und so richtig gut hinbekommen hatte ich es nicht. Egal, jetzt musste es klappen. Ich stellte mir vor, wie ich als Mensch Haikiemen bekam … öffnete unter Wasser den Mund … und schluckte eine eklige Mischung aus schwach salzigem Wasser und Orangensaft. Von Kiemen keine Spur. Mist!
Dass ich würgen musste, nutzte der Alligatorschüler, um sich freizuzappeln, mir einen Schlag mit der gepanzerten Schnauze zu verpassen und mich unter Wasser zu drücken. Was wollte der machen, etwa einen Seawalker ertränken?!
Hallo, ich bin ein Naturtalent in Verwandlung, sagte ich mir halb erstickt und kämpfte weiter. Musste ich mich in einen Tigerhai verwandeln, um das hier zu überstehen? Aber dann würde ich garantiert Ärger bekommen!
Ganz plötzlich funktionierte es. Ich behielt meinen Menschenkörper, fühlte aber, wie Wasser durch meine Kiemen strömte – auf einmal war die Luftnot weg.
Kegor war irritiert, als ich plötzlich aufhörte zu zappeln … und diese Gelegenheit nutzte ich sofort. Ich rollte mich herum, zog mich an seiner Seite hoch und schwang mich im Rodeo-Stil auf seinen Rücken. Jetzt konnte ich ihn mit Armen und Beinen umklammern, er hatte keine Chance mehr. Der Neue kämpfte noch ein bisschen weiter, dann hielt er still. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du nervst?, brummte er.
»Du nervst noch viel mehr!«, schoss ich zurück, richtete mich auf und wischte mir ein paar Cornflakes aus den Haaren. »Versprichst du, dass du aufhörst, hier Ärger zu machen?«
Wieso Ärger? Kegor klang ehrlich erstaunt. Wir frühstücken doch nur, ihr wollt doch nicht, dass wir Hunger haben, oder? Genau! Wer sich das Essen zuerst schnappt, dem gehört es – und kannst du mich endlich mal loslassen?, beschwerte sich der junge Python-Wandler und drohte dem erschrockenen Jasper mit geöffnetem Maul. Sonst beiß ich dich nämlich!
»Aber … ich wollte dir doch nur helfen!«, stammelte Jasper.
»An alle neuen Schüler: Wenn ihr in unserer Cafeteria seid, dann esst ihr nach unseren Regeln oder gar nicht!« Eine klare, durchdringende Stimme. Ich wandte mich um und sah erleichtert, dass endlich – wieso eigentlich erst jetzt?! – ein Lehrer gekommen war, um für Ordnung zu sorgen. Genauer gesagt, eine Lehrerin, nämlich Miss White, die uns in Kampf und Überleben, Sei dein Tier und Verhalten in besonderen Fällen unterrichtete.
Die Orca-Wandlerin stand breitbeinig, mit gegen die Seiten gestemmten Händen im Eingang und musterte die neuen Schüler mit einem Blick, unter dem selbst das wildeste Reptil erstarrte. Niemand bewegte sich mehr, alle blickten sie an. Jeder spürte, dass sie in zweiter Gestalt ein mächtiges Tier war.
»Das Frühstück ist für euch zu Ende«, fuhr Miss White grimmig fort. »Ihr lasst euch von Joshua Putzzeug geben und macht hier sauber, ist das klar? Inklusive Teilwasserwechsel im Essbereich!«
»Genau«, verkündete unser Koch erleichtert.
Ich verwandelte meine Kiemen zurück und tastete vorsichtshalber über meine Wangen, ob sie wirklich weg waren. Schwer atmend, standen Jasper und ich nebeneinander und ließen unsere Blicke über das Chaos schweifen. Der Schwarm aus kleinen Fischchen, der in der Cafeteria lebte, half schon tatkräftig beim Saubermachen, man hätte es auch ein Frühstücksflockenfest nennen können. Doch ansonsten war es auffallend leer im Saal.
»Wo sind eigentlich die anderen aus unserer Klasse … und die Zweitjahresleute?«, fragte Jasper. Es stimmte, es war fast niemand in Sicht, den ich kannte. Nur Barry und Toco – Barrakuda und Alligator –, die sich in Menschengestalt sehr über das amüsierten, was die Neuen machten. Gerade erzählte ihnen Kegor, mein Gegner von vorhin, was ich ihm angetan hatte, und alle drei versuchten, mich mit Blicken zu durchbohren.
»Echt seltsam, die können nicht einfach geflüchtet sein, oder?«, meinte ich zu meinem Freund, während Miss White sich einzelne Übeltäter vorknöpfte und ihnen noch mal ganz genau erklärte, was hier in Zukunft anders laufen würde. »Wenigstens Finny, Chris und die Delfine hätten garantiert geholfen, die Neuen aus dem Sumpf zu bändigen.«
Da wir nicht mehr wirklich Appetit hatten, gingen wir die anderen Schüler suchen – den Fernruf von Kopf zu Kopf hatten wir leider noch nicht durchgenommen. Ich wusste, dass die anderen nicht mehr in ihren Hütten waren, aber im Klassenzimmer fanden wir sie ebenfalls nicht. Sehr eigenartig.
Schließlich entdeckten Jasper und ich die anderen in der Eingangshalle. Sie drängten sich alle um das große Aquarium, in dem auch Mrs Monk lebte, die Seeanemone, der meistens langweilig war und uns für Menschen unhörbar Bescheid gab, wenn ein Besucher eingetroffen war. Ah, da war Shari, sie stand neben unseren anderen beiden Delfin-Wandlern! Leider sah ich nur ihren Rücken und ihre blonden Locken, weil auch sie konzentriert in die Rifflandschaft starrte. »Oh, wie süß!«, murmelte sie.
»Total niedlich!«, seufzte Finny, das Teufelsrochenmädchen mit den neonblau gefärbten Haaren.
»Ja, unglaublich putzig«, meinte Noah, einer der drei Delfine an unserer Schule. »Aber er sollte wirklich damit aufhören, ich meine, wem genau tut er damit einen Gefallen?«
He, Moment mal, was ging da vor?
Wer einen Hai berührt …
Hoffentlich war im Aquarium niemand in Not, ich konnte mir keinen anderen Grund vorstellen, warum alle darum herumstanden. Jasper und ich drängten uns vor – und stellten fest, dass alle Linus beobachteten, in zweiter Gestalt ein gelbes Seepferdchen. Bei seiner Tierart brüteten die Männchen und nach zwei Wochen Schwangerschaft war es nun anscheinend so weit. Während ich hinsah, zog sich Linus’ Körper krampfhaft zusammen und ein Seepferdchen im Miniaturformat wurde aus seinem