DU BIEST BRINGST MICH UM. Klaus Rose
nicht halten, denn die ernüchternde Erkenntnis veranlasste mich, meiner Ex unbemerkt zuzuflüstern: „Was findest du an der Trantüte?“ Worauf mich meine Frau entrüstet anblaffte: „Halt du dich da raus, du Vollidiot.“
Und den Vollidioten verstand ich dann überhaupt nicht, denn früher hätte sie solch ein Früchtchen nicht mal mit ihrem Arsch angeguckt.
Umso mehr gefiel mir die Unbekümmertheit meiner Kinder. Ihre Lebensfreude registrieren zu dürfen, ließ meine Verlustangst in den Hintergrund rücken, obwohl ich viel über die Probleme alleinstehender Väter beim Kontakt zu ihren Kindern gelesen hatte. Warum klappte deren Verhältnis zu den Kindern nicht genauso gut, wie beispielsweise bei mir?
„Mensch, Georg, ich habe schrecklichen Kohldampf“, stöhnte Karla, wir hatten gerade die Katzen in mein verträumtes Heim gebracht.
„Ich auch. Lass uns gut essen gehen“, bestätigte ich ähnliche Gelüste. „Dein Wunsch sei mir Befehl.“
Wir stürmten in das Lokal unseres Lieblingsgriechen in der Nähe, denn Christos hatten wir seit Karlas unrühmlichen Abgang nie wieder aufgesucht.
Er strahlte über alle Backen, als wir seine Taverne betraten. Und das tat er noch, als er wie ein Irrwisch in die Küche verschwand. Zuvor hatte er uns zugeworfen: „Gleich bin ich bei euch.“
Als er sich mit dem obligatorischen Glas Wein zu uns gesetzt hatte, verhehlten wir ihm nicht, dass wir wieder glücklich miteinander waren, und weiter erzählten wir ihm, wie schön das Leben sein kann und vieles mehr. Die zurückgewonnene Liebe machte Christos euphorisch. Er spendierte einen Ouzo, danach einen Zweiten und einen Dritten.
„Prost Christos, prost Karla, prost Georg!“
Beim ausgelassenen Anstoßen klirrten die Gläser, bis wir uns nach dem Essen mit „Kalinichta“ von Christos verabschiedet hatten. Dann kehrten wir mächtig angeheitert in unsere Behausung zurück, in der Karlas Gefühlsschale zu einem Eisklumpen gefror.
Wir hatten uns in ihr Hochbett begeben, da richtete sich Karla ruckartig auf und stierte mich mit einem Gesichtsausdruck an, der nicht dazu angetan war, der Zuspitzung der Lage entgegenzutreten.
„Hör zu, Georg. Ich wünsche mir ein Kind“, sagte sie aufgewühlt. Ihr Traum von einem eigenen Kind war neu entflammt.
Und sie verstärkte sogar noch ihren Druck: „Vielleicht schon bald?“
Mir standen die Haare zu Berge. „Nein, Karla“, flehte ich meine Angebetete an. „Nicht das Thema Schwangerschaft.“
„Doch, Georg. Wenn du mir meinen Wunsch nicht erfüllst, dann nehme ich diesen Peter aus unserer Stammkneipe. Der würde mir gern ein Kind machen“, sagte Karla mit enttäuschtem Augenaufschlag, obwohl ich mich ihrem zurückweichenden Körper sehr zärtlich zu nähern versuchte.
Herrgott sakra, was für ein Dilemma. Karlas verständlicher Kinderwunsch war wieder dominant und drückte mir die Kehle zu. Zwar bemühte ich mich, ihre gequälte Stimme mit meinen Zärtlichkeiten abzuwürgen, wobei ich manche Vorahnung unterdrückte, doch damit war ich auf dem Holzweg.
So wurde ich ähnlich abweisend und antwortete: „Du willst also ein Kind von mir?“
„Ja das will ich.“ Karla rüttelte an mir. „Sehnlichst“, betonte sie. „Ich bin scharf drauf.“
„Aha“, räusperte ich mich, sie mit abschlägigen Handbewegungen abwehrend. „Und das willst du, obwohl du weißt, dass ich zeugungsunfähig bin?“
„Musst du ja nicht bleiben“, konterte Karla.
Ich jedoch fühlte mich am Drücker. „Bitte akzeptiere meine Sterilisation. Sie hat doch auch Vorteile.“
„Und welche?“
„Wir brauchen beim Sex keine Verhütungsmittel“, antwortete ich, voll von der Wirkung meiner Worte überzeugt. Dann erwähnte ich die Beispiele. „Ich benutze kein Kondom und du nimmst nicht die Pille.“
Karla schüttelte den Kopf. „Du bist krank“, seufzte sie. „Das sind eher Nachteile, denn durch deine Sterilisation kann ich nicht Mutter werden.“
„Dann schnapp dir diesen Peter als Samenspender“, fauchte ich. „Der ist bestimmt fruchtbar.“
„Tue ich auch“, zischte Karla mit einer Endrüstung zurück, die ich ihr nicht zugetraut hatte, wonach ich auf die Ausstrahlung unserer Liebe verwies: „Nein, das tust du nicht. Gestern hast du noch beteuert, dass wir zusammen gehören. Ja muss ich mich in Sack und Asche hüllen und Buße tun?“
Karla schaute mich entrückt an. Ihr Blick glich dem der Hebamme nach einer Totgeburt. Sie schmollte, doch obwohl sie hübsch damit aussah, verhinderte es den Austausch an wünschenswerten Zärtlichkeiten.
Das war’s dann wohl, dachte ich und wendete mich ab, trotzdem sah ich aus meinem schrägen Blickwinkel, dass Karla die nackte Wand anstierte. Auf der war nur der Schatten ihres von der Lampe angestrahlten Kopfes zu erkennen.
Aber dann. Wie der Blitz aus heiterem Himmel schlug Karla mit der rechten Hand auf die Bettdecke. „Himmelherrgott, und du stehst auch noch zu deiner Schandtat“, schimpfte sie. „Mach den Eingriff rückgängig. Genau du wärst der ideale Vater für meine Göre.“
Ja, ja, die verdammte Sterilisation.
Der verflixte Eingriff war ohne Zwischenfälle verlaufen. Nur vier Tage hatte er meinen Handlungsspielraum eingeschränkt.
Im Nachhinein erinnere mich daran, dass zwei Frauen von Pro Familia kurzfristig ihre Anwesenheit angekündigt hatten, natürlich auf mein Einverständnis hoffend. Und das hatte ich gegeben, woraufhin die Frauen der Sterilisation beiwohnen konnten.
Letztlich war mir die folgenschwere Endscheidung leichtgefallen. Andrea zuliebe hatte ich sie kurz nach Annas Geburt getroffen. Meine Wunschkinder existierten, ich war der Vater zweier herrlicher Kinder, und an eine Trennung dachten wir nicht im Traum. Es gab keine glücklichere Familie, wie wir seinerzeit eine waren, das war in unserem Umfeld wohlbekannt.
Und dass mich Karla mit dem Kinderwunsch neu konfrontieren würde, daran hatte ich vor der jetzigen Situation, also vor meinem Verlieben in Karla, nicht mal in einem Alptraum gedacht. Soll ich Karla zuliebe meine Sterilisation überdenken?
Bis dahin hatte ich meinen Schritt immer verteidigt und damit für richtig gehalten. Doch nach den Erfahrungen der Trennung weiß ich es besser und warne vor überhasteten Endscheidungen. Mein Handeln war voreilig. An sich ist eine Sterilisation wichtig, aber nur bei hundertprozentig funktionierenden Bindungen. Schon die kleinste Unsicherheit macht den Eingriff blauäugig, dann lässt man gefälligst die Finger davon.
Aber nun zurück zum Beziehungsgefecht.
In dem fühlte ich mich als Verurteilter auf dem Gang zum Schafott. Gedanklich hing mir bereits die Schlinge um den Hals, daher kaute ich missmutig auf ihren Vorwürfen herum. Hatte unsere Liebe unter den gegebenen Umständen eine Chance? Ich sah sie nicht. Warum sollte Karla auf einen Sterilisierten stehen?
Und die spielte die beleidigte Leberwurst, also den Part, den sie aus dem Effeff beherrschte, doch der rief keine Bewunderung bei mir hervor.
Ich war von ihrem Getue so angewidert, dass ich mich in mein Reich im Dachgeschoss zurückzog, wo ich mich prüfend umschaute und zu meiner Zufriedenheit feststellte, dass mir die Wohnung umwerfend gelungen war.
Vom Charme der Einrichtung berührt, bewunderte ich den Wohnraum, ausgestattet mit einem dunkelbraunen Ledersofa und mit den in einem Stoff mit poppige Farben neu bespannten Sesseln. Diese Schöpfungen waren Karlas Meisterwerke.
Neben dem Sofa stand der von mir selbst restaurierte Schrank mit seinen hübschen Glasscheiben. Und unter der Dachschräge beherbergte ein aus Holz gefertigtes Regal eine Menge Bücher, einen Plattenspieler und die Stereoanlage.
Mein eigen nannte ich auch eine Sammlung an Schallplatten der angesagten Musikgruppen und Interpreten der sechziger und siebziger Jahre. Auch einen abgebeizten Schreibtisch besaß ich. Den hatte ich an der langen