DU BIEST BRINGST MICH UM. Klaus Rose

DU BIEST BRINGST MICH UM - Klaus Rose


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      Aber als ich mir die Fotos länger ansehe, bin ich verstört. Mit Kummerfalten im Gesicht kommt mir in den Sinn, dass die von zerstörerischen Begleiterscheinungen durchwobene Liebesverbindung das Gegenteil einer Traumverwirklichung war. Es war ein Spektakel, das sich zwischen Gut und Böse abgespielt hatte, mit abrupten Schwankungen hin und her, daher war es kein Baden in Milch und Honig gewesen.

      Mein Gott, wie abgöttisch hatte ich diese Frau geliebt. Ich war besessen von Karlas Ausstrahlung, mit der sie eine Woge an Glücksgefühlen in mir erzeugt hatte. Eine derartige Seelenmassage erlebt man nur ein Mal. Und sie ist vergleichbar mit den Auswirkungen eines Sechsers im Lotto, die ich durch Karlas Intensität empfunden hatte.

      O ja, mir hatte alles an dieser Beziehung gefallen. Es hatte vielen Gemeinsamkeiten gegeben, die sich durch ausschweifende Sexeskapaden und Fitnessbeweise geäußert hatten. Um unser Wohlbefinden zu verbessern, waren wir frühmorgens aufgestanden und durch den Wald gejoggt. Oft hatten uns stundenlange Fahrradtouren in die nähere Umgebung vergnügt.

      Besonders angetan war ich von Karlas Temperament, verbunden mit ihrem lockeren Auftreten, und natürlich von ihrer überschäumenden Herzlichkeit Ihre fantastische Figur mit den fraulichen Rundungen hatte mich willenlos gemacht. Von Karlas verschmitztem Lächeln war eine unerklärliche Zauberkraft ausgegangen. Und ihr wagemutiger Wuschelkopf hatte mich zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Stand sie vor mir, hatte ich sofort eine Erektion bekommen.

      Es ist schon merkwürdig, dass ich gerade jetzt, da ich in der Ehe mit der jetzigen Partnerin Lena wunderbar Fuß gefasst habe, mich an die schmerzhafte Tragödie mit Karla erinnere. Erfüllen die Gedanken an meine tragischste Lebensphase einen tieferen Sinn? Schließlich war es mir in dem Zeitabschnitt mit Karla vergönnt, die Erfüllung meines Lebens in einem Rausch der Liebe zu finden.

      Ich bin dermaßen vertieft in die Urlaubsbilder, dass ich zusammenzucke, als meine Partnerin mich anstößt. Die steht dicht hinter mir und dröhnt: „Mensch, Georg. Was hast du in der Hand? Was bedeutet die Anspannung in deiner Körperhaltung?“

      Lena ist resolut und sie ist eine selbstbewusste Frau. Sie trägt das Herz am rechten Fleck, allerdings ist sie eifersüchtig. Aus gutem Grund hatte ich es nicht darauf ankommen lassen, mich auf ein Gespräch mit ihr über meine Vergangenheit mit Karla einzulassen. Dem Thema bin ich bewusst ausgewichen.

      Weiß der Kuckuck, warum ich in dem Moment, als mich Lena überrascht hat, den Gesprächsfaden über den Inhalt des Albums aufnehme.

      „Ruhig Blut, Lena“, wiegele ich ab. „Das Album ist ein Erinnerungsstück an meine Ex-Freundin Karla. Das hat nichts zu bedeuten.“

      Doch Lena ist von Natur aus misstrauisch, denn sie zieht mürrisch die Augenbrauen hoch und fragt mich herausfordernd: „Triffst du diese Karla noch? Denkst du oft an sie?“

      Solche Fragen sind mir zuwider, trotzdem beantworte ich sie wahrheitsgemäß: „Gottbewahre. Die Geschichte ist Schnee von gestern.“

      Doch mit dem Schnee von gestern habe ich Lena nicht überzeugt, denn sie setzt nach: „Herrgott noch mal! Du bist unglaublich weit weg von mir“, resümiert sie mit finsterer Miene. „Warum? Sag’s mir, Georg. Was ist mit dir los?“

      Ich zucke ahnungslos mit den Schultern. „Was soll mit mir los sein?“

      Aber Lena lässt nicht locker: „Im Moment bist du ein Brief mit sieben Siegeln, irgendwie ein anderer Mensch. So wie jetzt stellt dein Verhalten ein Problem für mich dar. Es ist verdammt schwer überhaupt Zugang zu dir zu finden.“

      Ganz falsch liegt sie nicht, denn allzu oft ertappe ich mich, wie ich der Vergangenheit nachhänge. Dann verstricke ich mich in Zufälligkeiten, die vor Jahren eine unerwartete Katastrophe ausgelöst hatten, denn einem derartigen Naturereignis hatte das Aufeinandertreffen mit Karla geglichen. Hätte sich mein Leben ohne die verhängnisvolle Begegnung anders entwickelt?

      Das bleibt eine Spekulation. Zumindest wären die aufgetretenen Versagensängste ausgeblieben, und ich hätte den alltäglichen Stress durch das Bangen und Zittern um Karlas Gunst vermieden. Die Spuren der Tragik hätten an mir keinen Halt gefunden, und der Schmerz wäre an mir abgeprallt. Wäre ich in der Zeitspanne vor der Begegnung mit Karla an eine Frau wie Lena geraten, dann wäre mir viel Kummer erspart geblieben.

      Ja, ja, die große Liebe kann charismatisch schön und doch grausam sein. Das macht sie so einmalig. Trotzdem war ein Fehler, das Abenteuer mit Karla einzugehen, das weiß ich im Nachhinein. Mit viel Tamtam hatte sich angekündigt, dass diese Bindung ein Unglück auslöst. Aus Vernunftgründen hätte ich besser die Finger von Karla gelassen, doch das sagt sich so leicht, denn Karla hatte mich mit ihrem zuckersüßen Lächeln als Waffe verhext, und mich in eine malerische Wunderwelt gehievt. Den gigantischen Zustand kannte ich nur aus berauschenden Träumereien.

      Allerdings hatte ich mich bei Karlas Beurteilung gewaltig geirrt, denn schon bald rüttelte der Albtraum an der Tür zum Liebeshimmel und verunstaltete abscheuliche Gewitterwolken. Mit Blitz und Donner hatte mich Karla in angsteinflößende Talsohlen geschickt, um mir danach feine Nadelstiche zu versetzen, ständig tiefer, bis hin zu einem kräftigen Stoß mitten ins Herz. Und ich Idiot hatte mir eingebildet, die Gebrauchsanweisung für das galaktische Wesen zu kennen.

      Leider befand ich mich, wie ein orientierungsloser Wanderer, auf einem morschen Holzpfad. Tagtäglich hing das Damoklesschwert der Trennung über unseren Köpfen, trotz sexueller Übereinstimmung. Dennoch wandelte ich pausenlos durch den Himmel in die Hölle, mehrmals hin und zurück, und das stand im krassen Widerspruch zur erwähnten Stimmigkeit beim Sex.

      Nach meinem Geschmack hatte Karla die Spielregeln der Liebe grundlos misshandelt, und diese Rücksichts-losigkeit hätte ich Hampelmann nicht hinnehmen dürfen, aber mein Verhaltensmuster war das Relikt meiner blinden Hörigkeit. Seinerzeit war ich eine Marionette. Zog Karla an meiner Schnur, dann tanzte ich nach ihrer Pfeife. Verdiente der Beziehungshorror einen Namen, dann würde Schinderei fantastisch zu dem Spektakel passen. Und in dem Zusammenhang erinnerte ich mich an mein geschundenes Herz.

      „Wir gehören für immer zusammen.“

      Den Spruch hatte Karla oft gepredigt, doch er war nur daher gebrabbelt. Im weiteren Verlauf wechselte sie zur Geringschätzigkeiten über. Was hatte ihr entwürdigendes Verhalten möglich gemacht? Weshalb hatte ich mich von meiner Partnerin so erniedrigen lassen?

      Diese Fragen standen wie Marterpfähle im Raum, denn ich hatte sie mir immer wieder gestellt, doch die Antwort war mir verwehrt geblieben. Aber okay, ähnliche Desaster sind auch manch anderem verliebten Mann passiert.

      Dass in dem oft leichtfertig daher gesagten viel Wahrheit steckt, das hatte mir das bildhübsche Monster mit unglaublicher Härte vor Augen geführt. Sie hatte mich eingewickelt mit neckischen Sprüchen, und mich geblendet mit ihrem Herumtänzeln und ihrer Gewandtheit. Ob es ihre süßen Grübchen waren, oder ihre pralle Weiblichkeit, sie hatte mich mit ihren Vorzügen eingelullt. Und ich Wehrloser hatte Karla auf Gedeih und Verderb angehimmelt.

      Und das war das Problem, denn meine Huldigungen führten dazu, dass sich Karla wie eine Königin fühlte. Ich hatte sie auf einen Sockel gestellt und ihr die gewünschten Lobeshymnen geliefert. Dass das naiv und unbedarft war, wollte ich partout nicht einsehen.

      Karla war demnach keine gute Fee aus einem Bilderbuchmärchen, sondern eine Frau mit Haken und Ösen. Ihre Ansprüche an mein Verständnis für sie, die waren total überzogen. Unsere Vorstellungen von der Liebe klafften wie unterschiedliche Weltwirtschaftssysteme auseinander. Und da das so war, hätte mir oft der Kragen platzen müssen.

      „Rutsche mir den Buckel runter. Denke ja nicht, dass ich auf dein verwerfliches Spiel eingehe.“

      Genau das hätte ich sagen müssen, war sie mit ihrer Herabwürdigung mal wieder zu weit gegangen. Ich aber hatte klein beigegeben und mich ergeben, ja, ich hatte sogar resigniert. Wo war mein Stolz abgeblieben?

      Den hatte Karla systematisch untergraben. Aber kann ich der hübschen Frau ankreiden, sie hätte den Beziehungskollaps wissentlich verursacht? War Karla wirklich so hinterhältig?

      Na ja, hinterhältig


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