DU BIEST BRINGST MICH UM. Klaus Rose
Pupillen. „Herr je, mein Schatz“, spottete sie. „Warum sofort? Ich darf doch wenigstens zur Tür herein.“
Daraufhin warf sie ihren bezaubernden Wuschelkopf in den Nacken, doch ich bedrängte sie noch energischer, nur die Abreise im Kopf. Meine Hartnäckigkeit hatte mir meine Mutter mit der Muttermilch eingeflößt.
„Das Wesentliche ist gepackt“, bestimmte ich wie ein Feldwebel. „Wir brechen auf.“
Aber Karla schüttelte mich mit gerunzelter Stirn ab, als sie mir antwortete: „Aha, daher weht der Wind. Du hast eine Panikattacke. Oder hat deine Eile andere Gründe?“
Immerhin hatte ich Karla wachgerüttelt. Ihre träge Einstellung löste sich in Luft auf, je mehr sie über meinen Vorschlag nachgedacht hatte.
„Überlege ich’s mir recht, warum eigentlich nicht“, sagte sie in einem versöhnlichen Tonfall. „In drei Stunden wären wir in Domburg. Weit ist es ja nicht.“
Trotz allem ließ sie bange Minuten verstreichen, bis ihr Einverständnis wie aus einem prall gefüllten Wasserschlauch aus ihr herausplatzte: „Jawohl, eurer Ehren, ich bin einverstanden. Gib mir zehn Minuten, in denen mache ich mich frisch.“
Karla umarmte mich feurig, dabei vergaß ich fast den Grund der Flucht. Dann stimmte sie auf dem Weg zur Dusche markerschütternde Laute an. „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht“, trällerte sie die rockigen Elemente der Edelschnulze vor sich hin.
In dem Moment fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, dass unsere Verbindung nicht auf Rosen gebettet war, aber sie war ausbaufähig, zumindest aus dem hohlen Bauch heraus beurteilt.
Nach zehn Minuten saßen wir im Campingbus, dann brausten wir mit den auf dem Dach festgezurrten Rädern in Richtung Holland davon.
4
Die Liebe ist ein Boogie-Woogie der Hormone. Das musikalische Zitat Henry Millers regte meine Gedankenwelt an, als in Höhe Maastricht die Dunkelheit die Oberhand gewann. Das Licht der Scheinwerferkegel des Busses spiegelte sich auf der Fahrbahn. Es bildete sich ein gefährliche Glitzern in den Spurrillen, weswegen meine Nervosität aufflackerte.
Da hatte Karlas Anschmiegsamkeit längst den Siedepunkt überschritten, denn mit ihrem Kopf auf meine rechte Schulter gelegt, erzeugte sie eine wohlige Wärme. Mehr allerdings mit ihrem gefühlvollen Streicheln über meine Oberschenkel, und das ohne die geringste Spur von Müdigkeit.
Sie wäre jedoch nicht die berüchtigte Karla, hätte sie sich mit dem Streicheln über meine Schenkel begnügt, denn unverzüglich fing sie an, den Hosenschlitz meiner Streifenjeans zu bearbeiten. Mehr noch, ihr Streicheln gewann an Verlangen und entwickelte sich zum zarten Kneten.
Karlas Schnurren klang wie das einer Katze, die ihren Schmusebedarf anmeldet: „Wie findest du das? Ist das schön?“
Doch es blieb nicht beim Kneten, denn Karla war es tatsächlich gelungen, den Reißverschluss meiner hautengen Jeans herunterzuziehen, wonach sie auch meinen Slip abwärts geschoben hatte. Dann fuhr sie mir gefühlvoll mit ihren forschenden Fingern über meine pulsierende, seidige Härte.
Meine Sinne stöhnten: „Was machst du? Bitte, hör auf. Wie soll ich in dem Zustand weiterfahren?“
Ich lief Gefahr, wegen der schätzenswerten Aufdringlichkeit, die Kontrolle über das Fahrverhalten des Busses zu verlieren. Prompt drängte sich ein Parkplatzschild in mein eingeschränktes Blickfeld. Nun war’s nicht mehr weit bis zu meiner Rettung. Aber wollte ich überhaupt gerettet werden?
Hochgradig erregt bog ich auf den einsamen Rastplatz ab und brachte den Bus mit einer herben Bremseinlage zum Stehen, übrigens stand nicht nur mein Bus. Und als hätten wir einen längeren Liebesentzug hinter uns, dementsprechend hastig waren wir in den Schlafbereich geklettert und hatten uns übermütig auf das einladende Bett geworfen, nebenbei hatte ich die Fenstergardinen zugezogen. Danach wehrte ich die Zärtlichkeiten Karlas nicht ab. So hatte uns ihre überquellende Leidenschaft zu einer nicht endenden Ekstase verholfen.
Nach dem Befreien vom Druck auf die glühenden Sexualorgane, entwickelten sich gestammelte Sprachfetzen.
„Magst du mich noch?“
„Du Dummerchen, natürlich mag ich dich, sonst wäre ich längst nicht mehr bei dir.“
„Ich weiß.“
Für mich war es ein wunderbarer Dialog.
Später tuckerten wir gemütlich über den Ring um Antwerpen herum. Erst in Richtung Bergen op Zoom fuhren, schaltete ich das Autoradio ein.
„Über der Küste Hollands offenbart sich ein wolken-armer Himmel. Es weht eine leichte Westbrise und die Temperaturen bewegen sich um die zwölf Grad Marke“, raunte es aus den Lautsprecherboxen, was sich außerordentlich gut für uns anhörte.
„Und nun die Musik einiger Rocklegenden. Ach was sage ich, und nun das Beste der Sechziger und Siebziger Jahre“, plärrte der Rundfunksprecher, bevor die Gruppe Steppenwolf mit ihrem Superhammer „Born to be wild“ tempogeladen loslegte.
Uns hielt nichts auf den Sitzen, angefacht von den schrillen Gitarrensolos. Wir stampften den Rhythmus des Schlagzeugs mit den Füßen und den Händen.
Der knallharte Song hatte eine explosionsartige Wirkung in uns ausgelöst, wonach unsere Powerstimmung bei dem Rock-Epos „Paranoid“ der Superband Black Sabbath ungeahnte Höhen erreichte. Schließlich flippten wir total aus, als uns der „Highway Star“ von Deep Purpel um die Ohren schwirrte.
„Oh Mann! Das ist der phantastischste Rock aller Zeiten“, jauchzte ich in einem Anfall an Wahn, und drehte beim „Street fighting man“, der Rolling Stones das Autoradio auf volle Pulle.
„Es ist der totale Wahnsinn, Karla. Was sagst du zu dem tollen Sender?“
Zwanzig Minuten waren vergangen, angetrieben von den Doors, schon irrte der Bus rhythmisch wippend an der Oosterschelde entlang. Im wahren Vollrausch trieb es ihn dem Ziel entgegen.
Und noch angetan von der Klasse der Songs, trudelten wir in Middelburg ein. Nach der Uhr am Armaturenbrett war es kurz nach Mitternacht, dennoch hatte mich die Sehnsucht nach einem Lotterbett übermannt.
Doch ein Zimmer als Absteige ließ unsere Planung nicht zu, denn aus Sparsamkeit wollten wir die Nächte im Campingbus verbringen, wozu besaß er eine Standheizung, und jetzt das.
Aber ich wusste genau, woher das hemmungslose Verlangen rührte, verspürte ich abermals das verräterische Ziehen im Bereich meiner Lenden.
„Rücke näher, du Göttin über die Fleischeslust. Ich bin wahnsinnig heiß auf dich“, lag ich Karla verlangend in den Ohren. „Suchen wir ein Liebesnest. Bist du einverstanden? Bitte, sag ja.“
Und zu meinem Glück empfand Karla ähnlich. Die stupste mich temperamentvoll in die Seite und hauchte mir ihr Einverständnis zu: „Warum nicht, du geiler Bock. Dein Vorschlag ist phänomenal. Es gibt nichts schöneres, als einen herrlichen Fick.“
Mit Argusaugen suchten wir in der Ortsmitte nach einem Babylon für Sünder, was Karla skeptisch stimmte, und sie mich fragte: „Meinst du, gegen Mitternacht hat noch eine Liebeslaube geöffnet?“
Wir fanden das gesuchte Objekt. Und das in einem heruntergekommenen Etablissement mit entsprechendem Flair. Dort nahmen wir das erstbeste Doppelzimmer und erneut brach der Sturm aufflammender Liebe über uns herein, wobei unsere Leidenschaft die Müdigkeit besiegte. Ich war nur noch von Liebe und Entzücken umringt, und ergab mich, mit offenen Augen daliegend, dem Entspannungsprozess.
Meine rührende Liebesbeteuerung geriet zum Schmankerl der Nacht. „Ich liebe dich, du zuckersüße Karla. Du bist die wunderbarste Frau auf der Welt.“
Die Wellen unbegreiflicher Energiestöße waren abgeflaut, weniger meine durch die Hetzattacken ausgelöste Unruhe. Die hatte wieder Besitz von mir ergriffen und arbeitete in mir,