Krimi Sammelband 12001: Riesen Mords-Paket November 2019 - 1000 kriminelle Seiten. A. F. Morland
Reiniger, das kann für Sie gefährlich werden!“, sagte Ivan.
„Merkt euch eines: Man kann noch so groß und stark sein, mit ’ner Kugel im Pelz schrumpft man auf null Komma nichts zusammen. Setzt euch!“
Die Bulldozer hatten keine Wahl. Sie mussten gehorchen. Sobald sie Platz genommen hatten, trat Bount Reiniger durch die nächste Tür in Lorne Rogers’ Allerheiligstes.
Obwohl erst fünfzig, hatte Rogers kein Haar mehr auf dem Kopf. Er saß an einem großformatigen Schreibtisch, trug einen schwarzen Smoking, und ein Glas Whisky stand vor ihm.
Als er die Automatic in Bounts Hand sah, runzelte er irritiert die Stirn. Der Detektiv steckte die Waffe weg. „Ich wollte Sie nicht erschrecken, Mister Rogers. Vielleicht sollten Sie sich mal die Mühe machen, Ihren beiden Gorillas zu erklären, dass man nicht alle Menschen über denselben Kamm scheren kann. Sie verlangten, dass ich Ihnen nackt gegenübertrete.“
Rogers erhob sich. „Ich bitte, vergessen Sie’s, Mister Reiniger. Ivan und Ferenc sind zwar hervorragende Wachhunde, aber in ihrem Schädel haben sie Stroh.“
Rogers kam um seinen Schreibtisch herum. Er war nicht sehr groß. Einladend wies er auf eine lederne Sitzgruppe und forderte Bount auf, Platz zu nehmen.
„Darf ich Ihnen etwas anbieten?“, fragte er ausgesucht höflich. Bount musste zugeben, dass der ehemalige Gangster seine neue Rolle hervorragend beherrschte. Wer Lorne Rogers’ Vergangenheit nicht kannte, hätte ihn tatsächlich für einen Gentleman halten können. Ein freundlicher Mensch mit guten Manieren, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Brauchte er auch nicht. Wenn er wollte, dass jemandem die Knochen gebrochen wurden, konnte er die Czukor-Zwillinge schicken.
„Ich hab’ noch einen Juice auf dem Tresen stehen“, erwiderte Bount Reiniger.
Rogers lächelte. „Sind Sie unter die Antialkoholiker gegangen?“
„Ich befinde mich zur Zeit auf einer Sightseeingtour durch die New Yorker Bars und möchte einen klaren Kopf behalten“, sagte Bount.
„Immer nur Juice, ist das nicht langweilig?“
„Es ist vor allem gesund“, sagte Bount. „Sie können sich denken, dass ich nicht hier bin, um mir die Farbe Ihrer Augen anzusehen.“
Rogers faltete die Hände, als wollte er beten. Jetzt sah er ein wenig scheinheilig aus. „Was führt Sie zu mir, Mister Reiniger?“
„Sie sind, wie ich weiß, der Besitzer einer gutgehenden Bar.“
„Gott sei Dank“, sagte Rogers und lachte.
„Hat schon jemand versucht, Ihnen Schutzgeld abzupressen?“
Rogers sah Bount Reiniger erstaunt an. „Läuft so etwas etwa zur Zeit in der Stadt?“
Bount war der Meinung, dass Lorne Rogers etwas zu dick auftrug. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieser Mann keine Ahnung hatte, was um ihn herum passierte.
„Gangster haben sich darauf spezialisiert, von Barbesitzern, die mit ihren Umsätzen zufrieden sein können, Schutzzoll zu erheben“, sagte Bount. „Ich denke, sie können Ihr Lokal unmöglich übersehen.“
Rogers schüttelte den Kopf. „An mich ist bis jetzt noch keiner herangetreten.“
„Meinen Sie, man hat vor Ihnen zu viel Respekt?“
„Keine Ahnung. Wie viele Barbesitzer werden denn schon erpresst?“
„Da bin ich im Moment leider noch überfragt“, sagte Bount. „Sicher weiß ich nur, dass Jay Pepper auf der Liste der Gangster stand. Er bat mich, ihm zu helfen. Jetzt ist er tot. Er wurde in seinem Apartment ermordet. Kannten Sie Pepper?“
„Ich war mal in seiner Bar“, sagte Rogers ernst. „Die Kerle greifen verdammt hart durch, was?“
„Was würden Sie tun, wenn sich die Gangster an Sie wenden würden, Mister Rogers? Würden Sie die Polizei einschalten?“
Lorne Rogers lächelte, aber dieses Lächeln erreichte nicht seine Augen. „Ich denke, ich würde versuchen, mit diesem Problem allein fertigzuwerden.“
„Das wäre nicht der richtige Weg“, sagte Bount.
„Darüber kann man verschiedener Ansicht sein, Mister Reiniger. Ihnen kann ich nichts vormachen. Sie kennen meine Vergangenheit. Diese Gangster kennen sie bestimmt auch, deshalb werden sie mich in Ruhe lassen. Wenn ich Schwierigkeiten zu meistern hatte, brauchte ich noch nie die Hilfe der Polizei, und so werde ich es auch weiterhin halten. Ich bin davon überzeugt, dass von mir niemand Schutzgeld verlangen wird. Sollte es aber doch dazu kommen, werde ich die Angelegenheit auf meine Weise regeln.“
„Selbstjustiz? Ist das nicht verboten? Und sind Sie nicht bestrebt, seit zehn Jahren nichts Verbotenes mehr zu tun?“, fragte Bount lächelnd.
„Es wird nicht nötig sein, dass ich etwas gegen diese Leute unternehme“, behauptete Rogers zuversichtlich.
„Bestimmt wird Sie meine Frage befremden, ich stelle sie aber trotzdem: Wären Sie bereit, mich in diesem Fall zu unterstützen?“
Rogers schaute Bount Reiniger an, als wäre er der Meinung, dieser habe soeben den Verstand verloren. „Was ich vorhin über die Polizei sagte, gilt selbstverständlich auch für Sie, Mister Reiniger“, antwortete er unumwunden. „Ich halte sehr viel von guten Sprüchen, und einer davon lautet: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Folglich wird es zwischen uns beiden zu keiner Zusammenarbeit kommen. Vielleicht habe ich meine Vergangenheit doch noch nicht so ganz überwunden. Ich fühle mich in Gesellschaft von Polizisten und Privatdetektiven immer noch nicht sehr wohl.“
„Kann es daran liegen, dass Ihr Gewissen immer noch nicht ganz rein ist?“,
Rogers nahm diesen Stachel, den ihm Bount Reiniger ins Fleisch gedrückt hatte, mit erstaunlicher Gelassenheit hin. Völlig emotionslos sagte er: „Ich denke, Sie sollten jetzt gehen, Mister Reiniger. Wir haben einander nichts mehr zu sagen.“
7
Jimmy Taylor war ein Hansdampf in allen Gassen. Er servierte Drinks an den Tischen, half hinter dem Tresen aus, wenn Ben Shaw, der alte Keeper, es allein nicht mehr schaffte, sorgte für Ordnung im Lokal, und beförderte betrunkene Störenfriede auf die Straße. Und das alles mit nur achtzehn Jahren.
Er war schlank, groß und blond. Das genaue Abbild seiner Mutter Maggie, der die Bar gehörte. Er packte jede Arbeit an, und es gab nichts, was er mit Widerwillen anfasste.
Seit einem Jahr bemühte sich Jimmy, den fehlenden Vater zu ersetzen. Er wusste, dass ihm das niemals ganz gelingen konnte, aber wenn er es wenigstens einigermaßen schaffte, war er schon zufrieden.
Mark Taylor, Jimmys Vater, war vor einem Jahr nicht etwa gestorben. Er war nur einfach fortgegangen, weil er der Meinung war, nicht mehr mit Maggie leben zu können.
Es hatte keinen Streit gegeben, keine hässliche Szene, nur ein „Tut mir leid“, und dann hatte Mark Taylor die Tür hinter sich geschlossen und war nicht mehr wiedergekommen.
Weder Jimmy noch seine Mutter wussten, wo er sich aufhielt. Ihnen war nur einmal zu Ohren gekommen, dass er sich sein Geld als Sparringspartner für aufstrebende Boxtalente verdiente, doch in Wirklichkeit war er nichts anderes als deren Prügelknabe.
Mehrmals hätten sie ihn in den vergangenen zwölf Monaten gebraucht, und Jimmy hatte seiner Mutter vorgeschlagen, ihn zu suchen und zu bitten, wieder nach Hause zu kommen, doch dazu war Maggie zu stolz.
Mark konnte wiederkommen. Sie würde ihn nicht wegschicken. Aber heimholen würde sie ihn auch nicht. Er musste seinen Weg selbst zurückfinden. Sie war sicher, dass die Tür, die er vor einem Jahr geschlossen hatte, eines Tages wieder aufgehen und er eintreten würde.
Bis es soweit war, wollte sie ohne ihn auskommen und den harten Existenzkampf allein