Fabelhafte Welten. Clara Welten
Da erschrak Mira und begann sich umzuschauen. (7) Plötzlich erblickte sie nicht nur ihren Ast, die feuchte Erde, die Insekten auf dem Boden, sondern auch alle Bäume, die um sie herumstanden – und es waren viele im Wald! Sie schaute nach oben und sah den hellen Himmel. Sie blickte nach links und rechts und sah die Beeren und Blumen – nur ihre Freundin, die kleine Biene, konnte sie nirgends erblicken. Was war geschehen?
Nun war Mira gar nicht mehr traurig, sondern in Sorge! Hatte sie doch gar nicht bemerkt, dass ihre kleine Freundin seit Tagen nicht vorbeigeflogen war und sie nicht gegrüßt hatte! „Da habe ich mich ganz und gar in meiner eigenen Traurigkeit verloren, dabei ist mir gar nicht aufgefallen, dass meine Freundin, die kleine Biene, vielleicht Hilfe braucht!“, verstand Mira im selben Moment. (8) Und somit flog sie nach oben, hinauf und immer höher, bis sie das Gefühl hatte, selbst in den Wolken zu sein, denn sie war bis über die Baumkronen gekommen.
Jetzt erinnerte sich Mira daran, dass sie ja ein Kolibri war, der ganz bunte Flügel hatte, die er so schnell schlagen konnte, dass er in der Luft sogar stehen bleiben konnte! „Somit kann mich ja jeder sehen! Auch meine Freundin, die Biene!“ (9)
Gedacht, getan! Mira schwang sich hoch hinaus, soweit sie konnte, schlug mit ihren schönen bunten Flügeln auf der Stelle und schwebte sogleich in der Luft. Alle Bewohner des Waldes konnten sie jetzt entdecken, leuchteten ihre Flügel doch in den vielfältigsten Farben! Die kleine Biene, die gerade Honig sammelte, unten, auf den Blumen der Wiese, schaute nach oben und erblickte Mira. Die letzten Tage hatte sie nicht in den Wald ausfliegen können, weil sie sich im Bienenhaus um die Königin hatte kümmern müssen. Sie war ja eine Arbeitsbiene.
Auch Mira sah von Weitem ihre Freundin. Sie begrüßten sich freudig aus der Ferne. Dann flogen sie weiter. (10)
Mit Freunden bist Du nie allein.
Afrikanische Fabel
Freundschaft – Das Auge des Nashorns3
Eines schönen Morgens spazierte ein Nashorn in der warmen Sommerzeit durch den Schlamm eines ausgetrockneten Flusses. Das machte es besonders gerne, spazieren gehen im Schlamm! Und wie es so gemütlich im erdigen Wasser watete, schaute es sich um und erblickte viele seiner Freunde: die Vögel, die in den Bäumen saßen und erzählten; die Affen, die in den Ästen hangelten und sprangen, und die Krebse, die unter und über dem Schlamm marschierten. (1)
Plötzlich geschah etwas, was dem Nashorn noch nie passiert war: Sein rechtes Auge fiel herunter in den Schlamm und ward nicht mehr gesehen. Das Nashorn suchte links, es suchte rechts, es wühlte in der feuchten Erde und wurde immer unruhiger, denn es konnte sein Auge nicht finden. (2)
Je nervöser das Nashorn wurde und je hektischer es suchte, desto weniger konnte es sehen. Der Schlamm wurde aufgewühlt und nach wenigen Minuten war es praktisch unmöglich, noch irgendetwas anderes zu erkennen als feuchte Erde unter seinen Füßen. (3)
Als seine Freunde dies sahen, die Vögel, die Affen und die Krebse, riefen sie: „Nashorn, liebes Nashorn. Beruhige dich! So beruhige dich doch!“ (4)
Doch das Nashorn konnte seine Freunde nicht hören: Es war so sehr damit beschäftigt, zu wühlen, dass es für die Rufe der anderen taub geworden war. (5)
Es fühlte, wie eine rote Angst aus den Tiefen seines Bauches aufstieg: „Was würde sein, wenn ich mein Auge nie wiederfände?“ Sein Herz schnürte sich zusammen, die Angst drohte Herrschaft über ihn zu ergreifen, schon zitterte seine dicke Haut, schon vibrierte sein Herz, schon wurde sein Geist dunkel und seine Seele stumm. (6)
Als seine Freunde dies erkannten, als seine Freunde sahen, dass das Nashorn nichts mehr sehen noch hören konnte, vereinten sie all ihre Kräfte und riefen gemeinsam, nun ganz laut: „Nashorn, liebes Nashorn! Hör auf zu wühlen. Beruhige dich, so beruhige dich doch!“ (7)
Da konnte das Nashorn sie hören: Es schaute in die Luft und sah seine Freunde, die Vögel. Es schaute nach oben in die Bäume und erblickte seine Freunde, die Affen. Es schaute nach unten und sah seine Freunde, die Krebse. Alle seine Freunde schauten ihn an und riefen ihm zu! Alle waren da! (7)
Das Nashorn wurde ruhig, sein Herz öffnete sich und es empfing – all das Bemühen der Vögel, der Affen und der Krebse um ihn herum.
Nun konnte das Nashorn ruhigen Sinnes nach unten schauen, auf den Boden, in den Schlamm und es erkannte zwischen seinen Füßen: das Auge. Es nahm es hoch, steckte es dahin, wohin es gehörte und ging weiter spazieren. (8)
3 Frei übersetzt aus: Les Philo-Fables, Michel Piquemal, Philippe Lagautrière, èdition Albain Michel Jeunesse, 2003, Paris
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